JudikaturOLG Linz

9Bs188/25y – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
03. September 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Engljähringer als Vorsitzende und Mag. Höpfl und den Richter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 11. August 2025, Hv*-29, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

BEGRÜNDUNG:

Die am ** geborene A* wurde mit Urteil des Landesgerichts Linz als (Jugend-)Schöffengericht vom 30. Mai 2025, Hv*-18, des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (teils als Beitragstäterin gemäß § 12 dritter Fall StGB), weiterer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs 2 SMG sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung der §§ 28 StGB, 19 Abs 1 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Monaten verurteilt. Die Aufforderung zum Strafantritt wurde der Verurteilten durch Übernahme am 24. Juni 2025 zugestellt.

Mit ihrer am 25. Juli 2025 beim Landesgericht Linz eingelangten Eingabe (ON 26) beantragte A* einen dreimonatigen Strafaufschub vor dem Hintergrund, im November 2025 die Bewilligung für den Vollzug der Strafe in Form des elektronisch überwachten Hausarrests nach §§ 156b f StVG – offenbar mit Blick auf die Erweiterung des Anwendungsbereichs durch das Budgetbegleitgesetz 2025, BGBl I 2025/25 – zu erlangen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag auf Strafaufschub mit der Begründung ab, dass bereits aufgrund des zu vollziehenden Strafausmaßes ein Aufschub nach § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG nicht möglich sei und auch keine Aufschubsgründe gemäß § 6 Abs 1 Z 1 StVG in Frage kämen.

Dagegen richtet sich die fristgerechte Beschwerde der Verurteilten (ON 33), welche – unter Verweis auf eine Vollzeitbeschäftigung der Beschwerdeführerin samt Vorlage eines Dienstvertrags, abgeschlossen am 28. August 2025 mit der Firma B* (C*) – eine abändernde Entscheidung im Sinn der Gewährung eines dreimonatigen Strafaufschubs anstrebt.

Der Beschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Voranzustellen ist, dass § 6 StVG den Aufschub der Einleitung des Vollzugs einer Freiheitsstrafe nur aus wichtigen persönlichen Gründen (§ 6 Abs 1 Z 1 StVG) oder wegen wirtschaftlicher Zweckmäßigkeit (§ 6 Abs 1 Z 2 StVG) ermöglicht, nicht jedoch zur Überbrückung der Zeitspanne bis zum Inkrafttreten einer – wenngleich bereits absehbaren – Gesetzesänderung und bis zur Entscheidung über einen erst zu stellenden Antrag auf Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest, zumal ein Antrag nach § 156c Abs 1 StVG auch noch während des bereits eingeleiteten Strafvollzugs zulässig ist ( Drexler/Weger, StVG 5 § 156c Rz 1).

Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten – und vom Beschwerdegericht als zulässige Neuerung (vgl § 7 Abs 2 StVG iVm § 89 Abs 2b erster Satz StPO; Strickerin LiK-StPO § 89 Rz 22 mwN) zu berücksichtigenden – Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung wird der Aufschubsgrund nach § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG angesprochen. Nach dieser Bestimmung ist, wenn die in Abs 1 leg cit normierten Ausschlussgründe (besondere Gefährlichkeit, strafrechtliche Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum oder in einer Anstalt für entwöhnungsbedürftige Rechtsbrecher oder für gefährliche Rückfallstäter) nicht vorliegen und das Ausmaß der zu vollziehenden Freiheitsstrafe ein Jahr nicht übersteigt, auf Antrag des Verurteilten die Einleitung des Vollzugs der Freiheitsstrafe für die Dauer von höchstens einem Jahr aufzuschieben, wenn der Aufschub für das spätere Fortkommen des Verurteilten, für den Wirtschaftsbetrieb, in dem der Verurteilte tätig ist, für den Unterhalt der ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Personen oder für die Gutmachung des Schadens zweckmäßiger erscheint als der sofortige Vollzug.

Wie bereits das Erstgericht gesetzeskonform dargelegt hat, ist der anstehende Vollzug einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe dem Anwendungsbereich des § 6 Abs 1 Z 2 StVG (grundsätzlich) entzogen. Die Sonderbestimmung des § 52 JGG, welche – trotz missverständlichen Gesetzeswortlauts („vor Vollendung des einundzwanzigsten Lebensjahres“) – auch die Beschwerdeführerin erfasst , obwohl sie noch vor Antragstellung das 21. Lebensjahr vollendet hat (vgl Schroll/Oshidariin WK² JGG § 52 Rz 3 mwN), erweitert zwar (seit dem JGG-ÄndG 2015) die Möglichkeit eines Strafaufschubs auf noch ausstehende Freiheitsstrafen von bis zu drei Jahren ( Schroll/Oshidariin WK² JGG § 52 Rz 1/1 mwN); allerdings knüpft dieser Aufschubsgrund an die Ermöglichung des Abschlusses einer Berufsausbildung an (EBRV 852 BlgNR 25. GP 9), sodass sich auch die Aufschubsdauer nach der voraussichtlichen Ausbildungszeit richtet ( Schroll/Oshidariin WK² JGG § 52 Rz 4). Mit Blick auf den Gesetzeswortlaut und die (aufgrund des Charakters als Ausnahmevorschrift) gebotene strenge Auslegung von Aufschubsgründen setzt die Anwendung des § 52 JGG freilich eine schon bestehende Ausbildung im Antragszeitpunkt voraus, was anderseits bedingt, dass der (bloße) Beginn einer Ausbildung nicht von § 52 JGG begünstigt wird (zuletzt OLG Wien 21 Bs 231/25m mwN; OLG Graz 8 Bs 22/20a; Pieberin WK² StVG § 6 Rz 10; Köpf , Strafaufschub zum Abschluss einer Berufsausbildung und nachträgliche Strafmilderung, JSt 2021, 406).

Fallkonkret geht weder aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin noch aus dem zur Vorlage gebrachten Dienstvertrag (ON 33, 2 ff), welcher sich auf ein vorerst auf drei Monate befristetes Dienstverhältnis als Arbeiterin (mit Mehrfachverwendung) in Vollzeitbeschäftigung (30 Stunden) bezieht, hervor, dass sich A* in einem Ausbildungsverhältnis – im Sinn einer Berufs- oder Schulausbildung – befindet, woran auch die (bloße) Möglichkeit zur Teilnahme an Ausbildungsveranstaltungen in Absprache mit dem Arbeitgeber laut Punkt 12 des Dienstvertrags (vgl ON 33, 12) nichts zu ändern vermag. Sorgt der Dienstgeber nur in einem untergeordnetem Ausmaß für die Ausbildung des Dienstnehmers, wird ein Arbeits- und kein Ausbildungsverhältnis begründet (vgl auch Stocker in Aust/Brokes/Hubert/Schmidt/Schüller/Stocker, Berufsausbildungsgesetz³ § 1 Rz 25 mwN).

Da somit die Voraussetzungen des § 52 JGG nicht vorliegen, scheitert ein Strafaufschub nach § 6 Abs 1 Z 2 lit a StVG bereits an der Dauer der zu vollstreckenden Freiheitsstrafe. Ob die Beschwerdeführerin aufgrund der Art der strafbaren Handlungen, die dem Schuldspruch zugrunde liegen (§ 28a Abs 4 Z 3 SMG), als für die Sicherheit von Personen besonders gefährlich einzuschätzen ist, kann somit dahingestellt bleiben.

Sonstige Aufschubsgründe sind hingegen nicht erkennbar. Im Übrigen kommt ein Strafaufschub nach § 6 Abs 1 Z 1 StVG nur für die Dauer von höchstens einem Monat in Betracht, wobei diese Frist von jenem Tag an gerechnet wird, an welchem der Verurteilte die Strafe ohne Aufschub hätte antreten müssen (RIS-Justiz RS0087375). Die Aufschubsfrist beginnt daher unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung in der Regel einen Monat nach Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt (hier: 24. Juni 2025), sodass dem Verurteilten ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Aufforderung zum Strafantritt im Ergebnis zwei Monate zur Verfügung stehen (OLG Wien 23 Bs 227/23k; Pieberin WK² StVG § 6 Rz 11). Angesichts der fristauslösenden Zustellung mit 24. Juni 2025 ist die maximale Aufschubsfrist nach § 6 Abs 1 Z 1 StVG bereits ausgeschöpft.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 7 Abs 2 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).