12Ra28/25m – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Barbara Jäger als Vorsitzende, Mag. Nikolaus Steininger, LL.M. und Dr. Dieter Weiß sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Helmut Mitter, BSc (Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Knoll (Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*, geboren am **, **, **, vertreten durch Dr. Ernst Eypeltauer ua, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei B* C* AG , FN **, **, **straße **, vertreten durch Dr. Georg Bauer und Mag. Edwin Kerschbaummayr, Rechtsanwälte in Linz, wegen Entlassungsanfechtung , über Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. März 2025, Cga*-49, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war ab 1. November 2003 als Kundenberater im Außendienst bei der beklagten Versicherungsgesellschaft beschäftigt. Am 31. August 2023 sprach die Beklagte die Entlassung aus. Auf das Dienstverhältnis fand der Kollektivvertrag für Angestellte des Außendienstes der Versicherungsunternehmen Anwendung.
Mit Klage vom 14. September 2023 begehrte der Kläger die Entlassung für rechtsunwirksam zu erklären. Diese sei ungerechtfertigt; der Kläger habe keinen Entlassungsgrund gesetzt. So habe er etwa nur von seinem Recht auf Meinungsäußerung in sachlicher Form Gebrauch gemacht und habe Ungereimtheiten, Verfehlungen und Unstimmigkeiten im Firmenablauf aufgezeigt sowie Lösungsvorschläge unterbreitet. Dies habe den Vorgesetzten nicht gefallen und daher sei es zur Verwarnung gekommen. Das elektronische Fahrtenbuch habe der Kläger bis zur Lösung von EDV-Problemen nicht führen können. Für den von der Beklagten kurzfristig angesetzten Termin am 31. August 2023 habe sich der Kläger aufgrund eines wichtigen Kundentermins rechtzeitig entschuldigt. Zudem sei die Beendigung des Dienstverhältnisses sozialwidrig. Der Kläger habe sich auch keiner Pflichtverletzungen schuldig gemacht, die eine Kündigung rechtfertigen würden.
Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst ein, dass es insbesondere seit der Corona-Zeit immer wieder gravierende Schwierigkeiten mit dem Kläger gegeben habe. So habe dieser auf ein an alle Mitarbeiter der Beklagten gerichtetes E-Mail des Vorstands unsachlich reagiert, Richtlinien und Regelungen der Beklagten nicht beachtet, interne E-Mails an Kunden weitergeleitet, Arbeitsvorgänge nicht akzeptiert und trotz mehrmaliger Aufforderung erst nach Monaten das elektronisch geführte Fahrtenbuch übergeben. Der Kläger sei immer wieder verwarnt worden; zuletzt sei er im April 2023 aufgefordert worden, in Zukunft Dienstanweisungen zu befolgen. Da sich das Verhalten des Klägers nicht geändert habe, sei von der Beklagten ein Besprechungstermin für den 31. August 2023 angesetzt worden. Diesen habe der Kläger trotz klarer Anweisungen nicht wahrgenommen. Der Kläger sei daher berechtigt entlassen worden. Sozialwidrigkeit liege nicht vor.
Mit dem angefochtenen Urteilwies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Seiner Entscheidung legte es den auf den Seiten 7 bis 18 festgestellten Sachverhalt zugrunde, auf den gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Für das Berufungsverfahren sind folgende (zusammengefassten) Feststellungen wesentlich:
Hierarchisch war der Kläger als Kundenberater dem Regionalmanager unterstellt; diesem vorgesetzt war der Verkaufsleiter; diesem wiederum der Landesdirektor.
Der Kläger fühlte sich grundsätzlich bei der Beklagten wohl und trug sich mit keinerlei Veränderungswünschen. Seine Vorgesetzten schätzten den Kläger als zuverlässigen und erfolgreichen Außendienstmitarbeiter. Der nunmehrige Landesdirektor hatte in den Jahren 2015 bis 2020 die Funktion des Verkaufsleiters über und erkannte beim Kläger immer eine gewisse Tendenz der Willensstärke und den Versuch, seinen eigenen Weg zu gehen. Für ihn war dies allerdings in diesen Jahren immer in einer gewissen Balance. Anlässlich der Mitarbeitergespräche in diesen Jahren sprach er dieses Thema auch an und hatte danach den Eindruck, der Kläger sei wieder motiviert und „in der Spur“.
Am 17. Jänner 2022 sandte ein Vorstandsmitglied ein E-Mail an die Mitarbeiter der Beklagten betreffend eine Leitlinie für gendergerechte und inklusive Kommunikation.
Am 18. Jänner 2022 um 23:28 Uhr antwortete der Kläger dem Vorstand und sandte dieses E-Mail zugleich an alle Mitarbeiter der Beklagten:
Lieber D*, sehr geehrtes und geschätztes Vorstandsteam, Liebe Führungskräfte, Werte Kollegen,
„Das heißt, wir stellen uns klar gegen Ausgrenzung und Diskriminierung“ … wie eingangs deutlich betont wurde.
Erlaubt mir bitte meine kritische Frage als jahrelang, stets motivierter Mitarbeiter der B*: Wie gehen wir mit der momentanen Situation dann im konkreten um, in jener wir durch gesetzliche Vorgaben sowie B* Richtlinien gezwungen sind, zwischen Menschen und jahrelang treuen Kunden Unterscheidungen aufgrund ihres Gesundheitszustandes zu treffen (treffen zu müssen)??
Ich halte dies bei weitem bedenklicher als eine „falsche“ Anrede, denn tagtäglich sollten wir genau diese abscheulichen und verachtenden Werte wie Ausgrenzung und Diskriminierung leben!
Tag täglich sind wir gezwungen zwischen Menschen Unterscheidungen treffen zu müssen. Gesunde Menschen, die sich nicht einer Meinung beugen, werden ausgegrenzt, diskriminiert und gegeneinander medial aufgehetzt, während wir uns mit einer „Anrede“ beschäftigen. Entschuldigung liebe Kollegen, aber das geht sich nicht aus!
Ein Drittel meiner Kunden kann ich nicht mehr „anreden“, da ich Sie laut den aktuellen Richtlinien sowie Verordnungen nicht einmal ins Büro lassen darf.
Bei allem Respekt ….., Aber ich mache diesen Schritt um ALLE zum Nachdenken anzuregen, um wieder eine Gemeinsamkeit ALLER zu fokussieren, insbesondere unseren JAHRELANG treuen und zahlenden KUNDEN sowie fleißigen Mitarbeitern!
Es ist an der Zeit, wie Du eingangs erwähntest, Haltung anzunehmen, um wieder zusammen zu rücken! Nur gemeinsam sind wir kräftig und jeder einzelne leistet seinen Beitrag für das große Ganze. Ganz egal, welche Entscheidung er/sie für seine/ihre Gesundheit getroffen hat und künftig wird!
Jede Meinung hat es verdient, respektiert und akzeptiert zu werden. Denn nur durch unterschiedliche Meinungen haben wir die Möglichkeit voneinander zu lernen! … So viel steht fest!!
Im Sinne der neuen B* Welt sollten wir dringend ein „upgrade“ miteinander statt durcheinander installieren!
Mfg
Der Kläger überlegte sich dieses E-Mail/diesen Schritt lange. Es war damals auch im Hinblick auf Corona eine schwierige Situation und der Kläger wollte ein Zeichen setzen, dass er mit gewissen Vorgaben seines Arbeitgebers nicht einverstanden war. Der Kläger sandte das E-Mail bewusst an alle Mitarbeiter der Beklagten. Es verursachte Unruhe im Unternehmen; Mitarbeiter schrieben dem Kläger teils mit positiven, teils mit negativen Bemerkungen zurück und dies führte zu einer gewissen Spaltung. Aufgrund des E-Mails des Klägers meldete sich der Vorstand beim Landesdirektor. Dieser erklärte, grundsätzlich hinter dem Kläger zu stehen, aber er werde mit ihm ein klärendes Gespräch führen. Anlässlich dieses Gesprächs zeigte sich der Kläger nicht wirklich einsichtig. Er fühlte sich noch durch positive Rückmeldungen bestärkt. Der Landesdirektor wies den Kläger darauf hin, dass eine solche Vorgehensweise in einem großen Unternehmen nicht gehe. Wenn er unzufrieden sei oder ein Problem habe, dann solle er einen anderen Weg einschlagen, ein Gespräch zum Beispiel mit ihm oder mit seinem Vorgesetzten suchen.
Der Landesdirektor ging davon aus, die Sache sei nun besprochen und das Ergebnis auch beim Kläger angekommen. Es zeigte sich allerdings ab diesem Zeitpunkt eine vermehrte Unzufriedenheit des Klägers mit Vorgaben oder Richtlinien bei der Beklagten und daher entschied sich der Verkaufsleiter im April 2022 mit dem Kläger ein Gespräch zu führen. Er hatte das Gefühl, der Kläger sei mit der gesamten Organisation und den Richtlinien (zB Provisionsrichtlinien) unzufrieden. Der Kläger wurde von der Beklagten in keiner Weise anders behandelt als sämtliche andere Mitarbeiter im Außendienst. Im Mai 2022 führte sodann der Verkaufsleiter mit dem Kläger bei einem gemeinsamen Essen ein Gespräch. Im Sommer 2022 gab es wieder ein Thema zwischen dem Kläger und dem Verkaufsleiter, welches etwas „unrund“ lief. In diesem Zusammenhang sandte der Kläger ein E-Mail an seinen Vorgesetzten und setzte den Kunden in „cc“. Der Verkaufsleiter wies den Kläger darauf hin, dies zu unterlassen. Der Kläger vertrat die Ansicht, dass die Vorgesetzten die Konsequenzen tragen müssten.
Aufgrund dieser Geschehnisse sah sich der Landesdirektor veranlasst, noch vor seinem Sommerurlaub einen Termin mit dem Kläger zu vereinbaren. Am 5. August 2022 traf er sich mit dem Kläger zum Mittagessen. Er wies den Kläger darauf hin, dass die Beklagte Veränderungen unterworfen sei, und versuchte, motivierend auf dem Kläger einzuwirken. Er sprach den Umgangston des Klägers an. Dieser solle gleichgestellte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen nicht „schulmeistern“ oder ihnen Vorwürfe machen. Thema des Klägers war auch die Zusammenarbeit des Außendiensts mit dem Innendienst, die er bemängelte. Der Landesdirektor führte ein sehr wertschätzendes, zirka zwei Stunden dauerndes Gespräch mit dem Kläger. Der Kläger antwortete ihm, er sei nun wieder motiviert und im Falle von Problemen werde er seinen unmittelbaren Vorgesetzten kontaktieren.
Das unzufriedene Verhalten des Klägers setzte sich allerdings fort. Das Aufgabengebiet des Außendiensts hatte sich verändert und mehr Verwaltungsarbeit war erforderlich. Der Kläger wollte etwa, dass die Mailbox vom Außendienst an den Innendienst umgeleitet wird. Der Innendienst verrichtete aber tatsächlich keine Back Office Tätigkeit in der Form für den Außendienst und es gab eine entsprechende Vorgabe. Hinsichtlich der Aufgaben des Außendiensts und Innendiensts sandte der Kläger wiederum ein Mail an das gesamte Team und den Verkaufsleiter. Dieser kontaktierte den Kläger; er solle keine E-Mails an einen größeren Kreis schicken und die normale Hierarchie einhalten.
Die Unzufriedenheit des Klägers blieb bestehen; er schrieb Beschwerdemails an Mitarbeiter und Vorgesetzte und leitete diese wieder in „cc“ an Kunden weiter; die Thematik wiederholte sich. In weiterer Folge sandte der Kläger im Frühling 2023 noch ein Mail an den Landesdirektor und an den Verkaufsleiter, dass alles gegen ihn entschieden worden sei und der Mensch nichts zähle. Der Verkaufsleiter konnte das nicht nachvollziehen.
Die Themen vom Herbst und Winter 2022/23 wurden auch an den Landesdirektor herangetragen und dieser kam zum Entschluss, er habe weder die Zeit noch die Möglichkeiten und auch nicht mehr den Elan, hier wiederholt mit dem Kläger zu sprechen. Er traf die Entscheidung, das Dienstverhältnis mit dem Kläger zu beenden. Aus diesem Grund kontaktierte er den Betriebsratsvorsitzenden. Dieser erklärte, sich selbst ein Bild machen zu wollen und als Kompromiss sollte vorerst eine Verwarnung ausgesprochen werden.
Zuvor suchte der Betriebsratsvorsitzende mit dem Kläger das Gespräch. Der Betriebsratsvorsitzende wusste von den Vorwürfen gegenüber dem Kläger. Er erklärte, dass der Kläger vorsichtig sein solle, wenn er ein entsprechendes Verhalten setze. Dies könne auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Er wies den Kläger darauf hin, dass er natürlich als Außendienstmitarbeiter sehr flexibel und selbständig sei, er aber trotzdem angestellt sei, es gewisse Regeln gebe und er sich aufgrund der Größe des Unternehmens daran halten müsse.
Am 17. April 2023 fand zwischen dem Landesdirektor, dem Verkaufsleiter, dem Betriebsratsvorsitzenden und dem Kläger ein Gespräch statt. Dieses war umfangreich, dauerte ungefähr zwei Stunden; es wurden wieder einzelne Fälle durchgegangen und der Landesdirektor bemühte sich hier nochmals wertschätzend gegenüber dem Kläger zu sein und sich für das Gespräch Zeit zu nehmen. Der Kläger wurde bei diesem Termin erneut darauf hingewiesen, dass Richtlinien einzuhalten seien und sein Verhalten nicht möglich sei. Dem Kläger wurde auch eine schriftliche Verwarnung übergeben mit der Aufforderung, in Zukunft mündliche bzw schriftliche Dienstanweisungen einzuhalten bzw zu befolgen; bei weiteren Verstößen würden umgehend arbeitsrechtliche Schritte gesetzt.
Nach Ausspruch der Verwarnung ging der Kläger noch mit dem Betriebsratsvorsitzenden in sein Büro. Dort erklärte er, er verstehe nicht, warum der Betriebsratsvorsitzende die Verwarnung unterschrieben habe. Dieser versuchte dem Kläger darzulegen, dass die Kündigung beabsichtigt gewesen und ohnedies nur eine Verwarnung ausgesprochen worden sei und man sich an Regeln halten müsse, wenn man in einem Unternehmen arbeiten wolle.
Parallel dazu bot der Landesdirektor dem Kläger an, einen Coach in Anspruch zu nehmen, was der Kläger auch annahm.
Ab März 2023 kam es zu Unstimmigkeiten in Zusammenhang mit dem elektronischen Fahrtenbuch. Trotz Verpflichtung für die Außendienstmitarbeiter führte der Kläger ein solches ab März 2023 nicht mehr. Die Begründung seinerseits waren technische Probleme. Dass solche tageweise auftraten, ist nicht ausgeschlossen. Über längere Zeit gab es bei der Beklagten aber keine technischen Probleme. Auch anderen Mitarbeitern war es möglich, das Fahrtenbuch zu führen. Im Falle eines Problems war ein „Ticket“ an die IT-Abteilung zu senden. Ob der Kläger in jedem Fall ein solches Ticket schrieb, steht nicht fest. Da der Kläger das Fahrtenbuch nicht führte, wurde die Auszahlung des Kilometergelds eingestellt. Im Mai 2023 wandte sich der Kläger an den Verkaufsleiter mit dem Hinweis, dass er das Kilometergeld nicht ausbezahlt erhalte. Der Verkaufsleiter vereinbarte mit dem Kläger nochmals einen Termin zum gemeinsamen Mittagessen und setzte ihm anlässlich dieses Termins eine Nachfrist bis 22. Mai, um das Fahrtenbuch nachzuschreiben. Bis 22. Mai trug der Kläger das Fahrtenbuch nicht nach. Dies geschah erst über Urgenz im Juli 2023. Der Verkaufsleiter hatte jedenfalls den Eindruck, dass alles, was gemacht oder besprochen wurde, vom Kläger nicht umgesetzt wurde.
Im Juni 2023 wurde der Kläger von einem Kunden kontaktiert bezüglich Versicherung eines Wohnwagens samt Zubehör, insbesondere einer Satellitenschüssel. Loses Zubehör, wie eine Satellitenschüssel, kann nur bis zu einem gewissen Betrag versichert werden. Der Kläger nahm mit der Fachabteilung Kontakt auf und erhielt dort die Information, dass die Versicherung des Wohnmobils, so wie vom Kläger beabsichtigt bzw vom Kunden gewünscht, nicht möglich sei. Der Kläger war mit der Auskunft unzufrieden und nahm letztlich einen Antrag mit dem Vermerk auf, dass es eine Deckung gebe, und dieser Antrag wurde vom Kunden unterschrieben. Diesen unterschriebenen Antrag hängte der Kläger an einen Antrag ohne Vermerk der Deckung an und das Wohnmobil wurde samt Zubehör verpolizziert. Im Schadensfall hätte die Beklagte Deckung geben müssen, obwohl nach ihren Richtlinien eine Versicherung in der Form nicht möglich war. Der Kläger war der Ansicht, wenn man ihm keine Lösung von der Fachabteilung anbieten könne, dann müsse er es so machen, wie er es für richtig halte. Der Kläger wurde auch angesprochen, dass diese Vorgehensweise nicht korrekt sei. Im Juli sandte der Kläger nochmals ein Mail an alle Führungskräfte, dass diese gegen ihn seien. Der Kläger empfand dies auch tatsächlich so.
Aufgrund dieses weiteren Verhaltens des Klägers wurde vom Landesdirektor und dem Verkaufsleiter die Entscheidung getroffen, den Kläger zu kündigen. Der Landesdirektor sprach mit dem Betriebsratsvorsitzenden, der erklärte, dass die Entscheidung für ihn jetzt nachvollziehbar sei. Der Landesdirektor ist berechtigt, die Kündigung eines Mitarbeiters auszusprechen bzw zu veranlassen, dies in Absprache mit der Personalabteilung und dem Betriebsrat. Der Landesdirektor erteilte der Personalabteilung den Auftrag, die Kündigung vorzubereiten und auszusprechen.
Der Betriebsratsvorsitzende traf sich daraufhin nochmals mit dem Kläger und informierte ihn über den Stand der Dinge. Das betriebsverfassungsrechtliche Vorverfahren war damals noch nicht in Gang gesetzt. Der Kläger erklärte, er werde das einmal auf sich zukommen lassen.
Der Betriebsrat wurde in weiterer Folge von der beabsichtigten Kündigung des Klägers verständigt. Als Termin war der 31. August 2023 vorgesehen. Der Betriebsrat traf die Entscheidung, keine Stellungnahme abzugeben.
Am 29. August 2023 versuchte eine Mitarbeiterin der Beklagten den Kläger telefonisch zu erreichen, um ihn vom Termin am 31. August 2023 um 9.00 Uhr in der Landesdirektion in Kenntnis zu setzen. Da ihr dies nicht gelang, sandte sie dem Kläger um 16.27 Uhr ein E-Mail und teilte ihm mit, dass der Verkaufsleiter den Kläger ersuche, am 31. August um 9.00 Uhr in die Landesdirektion zu einem Gespräch zu kommen. Darauf antwortete der Kläger noch am selben Tag und ersuchte, den Termin auf die kommende Woche zu verschieben. Es sei ihm kurzfristig unmöglich, einen Termin „einzuzwicken“. Er habe einen Termin in einem großen Unternehmen. Diesen könne er unmöglich verschieben, da er auf den Termin zwei Monate gewartet habe. Er hoffe auf Verständnis und freue sich auf nächste Woche, wobei er darauf hinwies, dass Mittwoch, Donnerstag gut passen würden.
Am 30. August um 13.07 Uhr sandte die Mitarbeiterin der Beklagten dem Kläger wiederum ein E-Mail mit dem Hinweis, dass ein Geschäftstermin sehr wichtig sei; sie müsse ihn aber trotzdem bitten, morgen in die Landesdirektion zu einem Termin zu kommen, wobei alternativ auch ein Zeitfenster zwischen 12:00 und 14:00 Uhr vorgeschlagen und um Antwort gebeten wurde. Weiters meldete sich der Verkaufsleiter persönlich beim Kläger am 30. August um 15:23 Uhr und wies darauf hin, dass der Termin wichtig sei und dieser müsse unbedingt stattfinden. Er bat um Mitteilung, wann der Geschäftstermin sei und um einen Vorschlag des Klägers für einen Termin allenfalls zeitig in der Früh vor der Abreise oder spät am Abend. Ein Mitarbeiter der Personalabteilung schrieb dem Kläger am 30. August um 16.31 Uhr noch ein E-Mail und bat zusätzlich zur gemeinsamen Terminfindung um die Bekanntgabe des Zeitpunkts des Termins in E* und den Namen des Unternehmens und des dortigen Ansprechpartners. Da sich der Kläger nicht meldete und auch die geforderten Daten nicht bekanntgab, telefonierte der Verkaufsleiter am Abend des 30. August nochmals mit dem Kläger und wies ihn darauf hin, dass der Termin wichtig sei. Anlässlich dieses Termins [gemeint wohl: Telefonats] teilte der Kläger nicht mit, dass er beabsichtige, am Nachmittag des 31. August einen schwer kranken Freund zu besuchen. Der Betriebsratsvorsitzende telefonierte ebenfalls noch am 30. August mit dem Kläger und ersuchte ihn, er solle morgen in die Landesdirektion kommen, sonst könne es arbeitsrechtliche Konsequenzen geben. Der Kläger erklärte dem Betriebsratsvorsitzenden, er könne nicht kommen, er habe einen Termin in E*. Auch ihm gegenüber erwähnte der Kläger den Besuch eines schwer kranken Freundes nicht. Der Kläger zog noch in Betracht, sich einen Urlaubstag zu nehmen, worauf der Betriebsratsvorsitzende antwortete, dass dies nicht gehen werde.
Da sich bis zum 31. August 2023 der Kläger bei der Beklagten nicht meldete, erteilte ein Mitarbeiter der Personalabteilung um 9.48 Uhr per E-Mail folgende Weisung:
Teile mir bis spätestens heute (31.8.2023) 12:00 Uhr mit den Zeitpunkt deines heutigen Termins in E*, den Namen der Firma sowie den Ansprechpartner der Firma plus Telefonnummer. Komme bitte heute (31.8.2023) um 15 Uhr in die Landesdirektion und melde dich persönlich beim Verkaufsleiter. Dies auch dann, wenn dies eine Terminkollision mit deinen sonstigen Terminen bedeutet. Ich darf Dich darauf hinweisen, dass ein Nichtbefolgen der oben angeführten Weisungen als Vertrauensunwürdigkeit bzw Verweigerung der Arbeitsleistung iSd § 27 AngG gewertet wird und zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führt. Mit besten Grüßen.
Der Kläger meldete sich nicht. Er hatte mit einem langjährigen Kunden, dessen Unternehmen seinen Sitz in ** hat, am Wohnort des Geschäftsführers in E* um 9.00 Uhr einen Termin, der bis etwa Mittag dauerte. Der Kläger hatte ein Auto umzumelden und Thema waren auch Versicherungsleistungen an eine Vielzahl von Mitarbeitern. Der Kläger wertete den Termin als sehr wichtig und wollte den Namen des Unternehmens und die Zeit nicht bekannt geben, da er befürchtete, sein Arbeitgeber werde Kontakt mit den Kunden aufnehmen. Der Kläger hatte das Mail der Personalabteilung am 31. August spätestens am Ende seines Termins gegen Mittag gelesen. Er entschied sich allerdings bewusst, seinen Arbeitgeber nicht zu kontaktieren und den Termin um 15.00 Uhr nicht wahrzunehmen. Vielmehr absolvierte er noch einen kurzen Kundentermin bei der Heimfahrt und besuchte anschließend einen schwer kranken Freund. Diesen Besuch hätte der Kläger auch nach dem Termin bei der Beklagten absolvieren können.
Da der Kläger zum Termin in der Landesdirektion nicht erschien und sich auch nicht meldete, teilte ihm die Personalabteilung am 31. August um 16:34 Uhr per E-Mail mit, dass ihm aufgrund seines Verhaltens die Entlassung zugesendet werden müsse. Dem Kläger wurde sodann auch das Entlassungsschreiben übermittelt.
In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zum Ergebnis, dass der Kläger den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 AngG erfüllt habe, zumal er jedenfalls ab Jahresmitte 2022 seiner Pflicht, Weisungen zu befolgen, nicht mehr nachgekommen sei. Der Kläger habe sich seinem Arbeitgeber gegenüber als gleichwertiger Vertragspartner in der Form dargestellt, dass er versucht habe, eigene Wege zu gehen und Anweisungen und Richtlinien infrage zu stellen. Er habe Kritik teilweise auch an Mitarbeiter und Kunden herangetragen. Dadurch habe er Entscheidungen der Beklagten nicht mehr mittragen und Vorgesetzte der Kritik nach außen hin aussetzen wollen. Damit habe der Kläger ebenfalls gegen seine Treuepflicht verstoßen. Demgegenüber sei die Beklagte dem Kläger wertschätzend gegenübergetreten und habe mit ihm zahlreiche Gespräche geführt und damit der Fürsorgepflicht entsprochen. Der Kläger habe sich immer im Recht gefühlt und sei der Meinung gewesen, dies nach außen transportieren zu müssen, was einen Vertrauensbruch gegenüber dem Arbeitgeber darstelle. Der Kläger sei verwarnt worden, habe aber sein Verhalten fortgesetzt. Er sei der klaren Anweisung, am 31. August 2023 in der Landesdirektion zu erscheinen, nicht nachgekommen, obwohl ihm die Wichtigkeit dieses Termins bewusst gewesen sein musste. Rechtfertigungsgründe für ein Nichterscheinen würden nicht vorliegen. Das Dienstverhältnis sei daher berechtigt durch Entlassung beendet worden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers aus den Berufungsgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die Beklagte beantragt in ihrer Berufungsbeantwortung, der Berufung keine Folge zu geben.
Die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandelnde Berufung ist nicht berechtigt .
Rechtliche Beurteilung
1.1 Unbekämpft steht fest, dass der Kläger im Sommer 2022 ein an seine Vorgesetzten gerichtetes E-Mail auch an den Kunden weiterleitete. Der Kläger wendet sich aber gegen die Feststellung, wonach er darüber hinaus Beschwerdemails Kunden übermittelt habe, und begehrt diesbezüglich ein Negativfeststellung.
Zur Begründung führt die Berufung aus, dass die bekämpfte Feststellung jeglichen Beweises entbehre. Dies trifft jedoch nicht zu. So lässt sich der E-Mailkorrespondenz entnehmen, dass der Kläger mit Nachricht vom 26. Jänner 2023 (Blg ./12 S 1) Kritik an der Abwicklung eines Versicherungsfalls übte und eine Kopie davon an die Kundin sandte. Zudem bestätigte der Verkaufsleiter in seiner Einvernahme als Zeuge, dass sich die Thematik wiederholt habe (ON 36.4 S 4). Auf diese Beweisergebnisse geht die Beweisrüge nicht ein.
1.2 Im Zusammenhang mit der Führung des elektronischen Fahrtenbuchs bekämpft die Berufung die Feststellungen, wonach nicht feststehe, ob der Kläger in jedem Fall ein solches Ticket geschrieben habe, und er bis 22. Mai das Fahrtenbuch nicht nachgetragen habe, sondern erst über Urgenz im Juli 2023. Ersatzweise strebt der Kläger die Feststellungen an, dass er ein Ticket an die IT-Abteilung gesendet habe und es ihm aufgrund technischer Probleme innerhalb der gesetzten Frist nicht möglich gewesen sei, das Fahrtenbuch nachzuschreiben; erst Ende Juli/Anfang August 2023 sei dies möglich gewesen und vom Kläger auch umgesetzt worden.
Nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass bei der Beklagten tageweise technische Probleme auftraten, fest steht jedoch, dass es solche über längere Zeit nicht gab. Damit lässt sich aber schwer in Einklang bringen, dass technische Probleme über Monate nicht behoben worden sein sollen. Zudem war es den anderen Mitarbeitern möglich, ein Fahrtenbuch zu führen. Warum es unter diesen Bedingungen dem Kläger bis Ende Juli 2023 – unabhängig davon, ob er nun ein Ticket zog oder nicht – unmöglich gewesen soll, ist nicht nachvollziehbar.
Zutreffend ist, dass sich aus den vorgelegten Urkunden (Blg ./S und ./10) eine Korrespondenz zum Thema Fahrtenbuch ergibt. Der Kläger behauptet darin auch ein technisches Problem. Der Beilage ./10 lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass der Kläger ein „Ticket löste“. Der Screenshot gibt lediglich eine Fehlermeldung vom 8. März 2023 wieder, eine Meldung an die IT-Abteilung lässt sich nicht ableiten. Insbesondere ergeben sich aus der Korrespondenz auch nicht zwingend andauernde technische Probleme, sondern vielmehr, dass es am 8. März 2023 zu einem solchen kam.
1.3 Ob das Vorgehen des Klägers im Zusammenhang mit der Versicherung eines Wohnwagens samt Zubehör den Richtlinien entsprach oder nicht, kann dahingestellt bleiben, war dies doch für die Beklagte nicht der ausschlaggebende Punkt. Die Feststellungen dazu können nämlich nur so verstanden werden, dass der Kläger in dieser Sache wieder seinen eigenen Weg ging, die Beklagte mit diesem Vorgehen bzw Verhalten nicht einverstanden war und ihm dies mitteilte. Darauf richtete der Kläger ein E-Mail (abermals) an alle Führungskräfte, dass diese gegen ihn seien.
1.4 Anstelle der erstgerichtlichen Feststellungen, dass der Kläger weder dem Verkaufsleiter noch dem Betriebsratsvorsitzenden mitgeteilt habe, dass er am Nachmittag des 31. August 2023 einen schwer kranken Freund besuchen werde, strebt die Berufung die Feststellung an, darüber sehr wohl informiert zu haben.
Zur Begründung führt die Berufung aus, dass diesbezüglich divergierende Aussagen vorliegen würden und das Erstgericht nicht dargelegt habe, warum die Zeugen glaubwürdiger seien als der Kläger. Mit dem bloßen Hinweis auf die Angaben des Klägers zu den Telefonaten am 30. August 2023 vermögen die Berufungsausführungen aber ebenso wenig darzulegen, warum dem Kläger eher Glauben zu schenken gewesen wäre.
1.5 Der Kläger bekämpft die Feststellung, dass er am 31. August 2023 gegen Mittag das E-Mail der Personalabteilung vom selben Tag gelesen und sich bewusst dazu entschieden habe, seinen Arbeitgeber zu kontaktieren und den Termin um 15.00 Uhr nicht wahrzunehmen. Ersatzweise begehrt der Kläger eine Negativfeststellung zum Zeitpunkt des Lesens der Nachricht.
Zutreffend ist, dass sich aus den Zeugenaussagen nicht ableiten lässt, wann der Kläger tatsächlich das E-Mail der Personalabteilung las. Die Angaben des Klägers dazu blieben in seiner Parteienvernehmung zunächst offen (ON 47.3 S 13), während er sich in weiterer Folge sicher war, die Nachricht erst „später“ gelesen zu haben (ON 47.3 S 15), sodass sich auch daraus kein Zeitpunkt ableiten lässt. Der Kläger versandte aber am 31. August 2023 gegen die Mittagszeit E-Mails, was sich aus der Beilage ./22 ergibt und gesteht dies die Berufung auch zu (ON 50 S 11 f). Dies legt aber nahe, dass der Kläger ebenfalls den Posteingang prüfte. Wenn das Erstgericht daher davon ausgeht, dass der Kläger die Nachricht um die Mittagszeit las, stößt diese Feststellung auf keine Bedenken beim Berufungsgericht.
1.6 Nach den erstgerichtlichen Feststellungen hätte der Kläger seinen schwer kranken Freund auch nach dem Termin bei der Beklagten besuchen können. Anstelle dieser begehrt die Berufung die Feststellung, dass es dem Kläger aufgrund der vereinbarten Termine nicht möglich gewesen sei, rechtzeitig um 15.00 Uhr wieder zurück in der Landesdirektion zu sein; in eventu, dass nicht festgestellt werden könne, ob der Kläger seinen schwer kranken Freund auch nach dem Termin bei der Beklagten besuchen hätte können. Wie in der Folge aufzuzeigen sein wird, fehlt es den begehrten Ersatzfeststellungen an der notwendigen rechtlichen Relevanz.
2 In der Rechtsrüge vertritt der Kläger die Rechtsansicht, dass in seinem Verhalten keine Vertrauensunwürdigkeit erkannt werden könne, die es der Beklagten unzumutbar gemacht hätte, auch nur einen einzigen weiteren Tag seine Dienste in Anspruch zu nehmen.
2.1§ 27 Z 1 AngG fasst drei Gründe zusammen, die den Arbeitgeber zur Entlassung berechtigen, wobei jeweils auf die Beeinträchtigung oder zumindest ernstliche Gefährdung der Arbeitgeberinteressen, die eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machen, abgestellt wird ( Pfeilin ZellKomm³ § 27 AngG Rz 3 mwN). Der letzte Tatbestand dieser Bestimmung, die Vertrauensunwürdigkeit, liegt nach der ständigen Rechtsprechung vor, wenn infolge des Verhaltens des Arbeitnehmers vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens für den Arbeitgeber die objektiv gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass seine Interessen und Belange durch den Arbeitnehmer gefährdet seien ( Pfeilin ZellKomm³ § 27 AngG Rz 21 mwN; RIS-Justiz RS0029547). Es entscheidet nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers, sondern ein objektiver Maßstab, der nach der Verkehrsauffassung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0108229; Heinz-Ofner/Vinzenz in Reissner, AngG 4§ 27 Rz 26 mwN). Die Begehungshandlung muss pflichtwidrig und schuldhaft sein (RIS-Justiz RS0029531 [T11]), wobei für diesen Entlassungsgrund Fahrlässigkeit genügt; Schädigungsabsicht oder Schadenseintritt sind nicht erforderlich (RIS-Justiz RS0029531; vgl Heinz-Ofner/Vinzenz in Reissner, AngG 4§ 27 Rz 28 mwN). Es ist nicht nur der letzte, unmittelbar zur Entlassung führende Vorfall, sondern das Gesamtverhalten des Dienstnehmers innerhalb eines längeren Zeitraumes zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0081395, RS0029790). Das Vertrauen kann durch eine einzelne Handlung oder durch wiederholte Verfehlungen verloren gehen ( Pfeilin ZellKomm³ § 27 AngG Rz 27 mwN).
2.2Der Berufungssenat übersieht nicht, dass der Kläger jahrelang ein zuverlässiger und erfolgreicher Außendienstmitarbeiter der Beklagten war. Demgegenüber hatte der Kläger aber eine gewisse Tendenz der Willensstärke und versuchte, seinen eigenen Weg zu gehen. Dem Kläger ist zuzugestehen, dass § 27 AngG dem Arbeitnehmer nicht verbietet, Kritik zu üben bzw seine Interessen zu wahren. Dies hat jedoch unter angemessener Schonung zu erfolgen und eine behutsame Diktion ist geboten (vgl Heinz-Ofner/Vinzenz in Reissner, AngG 4 § 27 Rz 209 mwN). Die Kritik muss in sachlicher Form vorgebracht werden.
2.3 Wenn daher der Kläger der Nachricht eines Vorstandsmitglieds der Beklagten zu Leitlinien für gendergerechte und inklusive Kommunikation seine offenbare Unzufriedenheit mit der Gesundheitspolitik während der Coronazeit entgegenhält und der Beklagten Ausgrenzung und Diskriminierung vorwirft, um ein Zeichen zu setzen, mit gewissen betrieblichen Vorgaben nicht einverstanden zu sein, so hat er damit – umso mehr, weil er sein E-Mail vom 18. Jänner 2022 bewusst an alle Mitarbeiter der Beklagten sandte – über das Ziel hinausgeschossen. Dieses Vorgehen verursachte zudem Unruhe und führte zu einer Spaltung. Nur aufgrund der Fürsprache des Landesdirektors blieb das Verhalten des Klägers weitgehend folgenlos für ihn. In einem Gespräch machte ihn der Landesdirektor lediglich auf sein Fehlverhalten aufmerksam; bei Problemen solle er sich an seine Vorgesetzten wenden.
2.4 Nach den erstgerichtlichen Feststellungen setzte sich die Unzufriedenheit des Klägers aber fort. Es kam daher immer wieder zu Gesprächen mit Vorgesetzten und Weisungen, interne E-Mails nicht an Kunden weiterzuleiten oder E-Mails nicht an einen größeren Kreis an Mitarbeitern zu senden, sondern die Hierarchie einzuhalten. Trotz des wertschätzenden Umgangs der Vorgesetzten mit dem Kläger, übte dieser weiterhin Kritik, schrieb Beschwerdemails an Mitarbeiter und Vorgesetzte und leitete diese teilweise an Kunden weiter. Die Verhaltensweise des Klägers führte Mitte April 2023 zu einer Verwarnung. Diese ist, entgegen der Ansicht des Klägers, hinreichend konkret, ist darin doch festgehalten, dass der Kläger zukünftig Dienstanweisungen einzuhalten bzw zu befolgen hat.
2.5 Dennoch kam der Kläger der Aufforderung seiner Vorgesetzten, am 31. August 2023 in der Landesdirektion zu erscheinen, nicht nach. Wenn der Kläger als Rechtfertigung dafür eine Terminkollision ins Treffen führt und als sekundären Feststellungsmangel rügt, dass das Erstgericht nicht berücksichtigt habe, dass es bei der Beklagten üblich gewesen sei, dass Führungskräfte auf wichtige Termine der Außendienstmitarbeiter Rücksicht genommen hätten, ist für ihn daraus nichts gewonnen.
2.6 Dem Berufungssenat scheint es durchaus naheliegend, dass bei Kundenterminen Außendienstmitarbeiter für interne Termine entschuldigt waren. Wenn dies aber bei der Beklagten Usus war und der Kläger trotz Hinweises auf einen solchen Termin von mehreren Personen – ua dem Betriebsratsvorsitzenden – auf die Notwendigkeit seines Erscheinens aufmerksam gemacht wird, verdeutlicht dies die Wichtigkeit des Termins für die Beklagte. Dies musste auch dem Kläger – insbesondere aufgrund der Hinweise des Verkaufsleiters im E-Mail und im Telefonat vom 30. August 2023 – bewusst sein.
Ob nun der Kläger den Besuch seines schwer kranken Freundes nach dem Termin bei der Beklagten absolvieren hätte können oder nicht bzw ob ihm aufgrund seiner Termine ein rechtzeitiges Erscheinen um 15.00 Uhr in der Landesdirektion möglich gewesen wäre oder nicht, kann dahingestellt bleiben. Die Beklagte räumte dem Kläger nämlich die Möglichkeit ein, den Zeitpunkt selbst zu bestimmen und es wurden ihm Termine zeitig in der Früh vor der Abreise nach E* oder spät am Abend angeboten, worauf der Kläger lediglich mit einem Hinweis auf seinen Termin in E* reagierte. Trotz klarer Aufforderung gab der Kläger auch nicht die Einzelheiten des Termins in E* (Zeitpunkt, Name des Kunden und des Ansprechpartners) bekannt.
2.7 Führt man sich vor Augen, dass sich der Kläger trotz der Bemühungen seiner Vorgesetzten (nach der im Rahmen der Beweiswürdigung getroffenen dislozierten Feststellung) nicht mehr als Teil der Beklagten sah, Dinge nicht mehr mittrug, sondern hinterfragte und einen anderen Weg einschlug, besteht aber kein Zweifel, dass infolge des oben beschriebenen Torpedierens des Termins am 31. August 2023 in der Landesdirektion vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens für die Beklagte die objektiv gerechtfertigte Befürchtung berechtigt war, dass ihre Interessen und Belange durch den Kläger zukünftig gefährdet werden; dies insbesondere, weil über einen langen Zeitraum eindeutige Weisungen trotz vorhergehender Verwarnung weiterhin missachtet wurden. Die Entlassung erfolgte somit zu Recht.
3 Der Berufung musste daher insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.
4Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist mangels erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (RIS-Justiz RS0106298).