JudikaturOLG Linz

13Nc11/25b – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
28. Juli 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richter Dr. Helmut Katzmayr als Vorsitzenden sowie Dr. Patrick Eixelsberger und Mag. Stefan Riegler in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A* , geboren am **, **straße **, **, vertreten durch Hawel Eypeltauer Gigleitner Huber Partner Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei B* Aktiengesellschaft, FN **, **platz **, **, vertreten durch Burkowski Rechtsanwälte in Linz, wegen Kündigungsanfechtung, 12 Ra 37/25k des Oberlandesgerichts Linz, über die Selbstanzeige gemäß § 22 GOG der Senatspräsidentin des Oberlandesgerichtes Linz Dr. in C* in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Die Senatspräsidentin Dr. in C* ist hinsichtlich der Entscheidung im Berufungsverfahren zu 12 Ra 37/25k befangen.

Text

Begründung:

Mit der beim Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht zu Cga* eingebrachten Klage focht die Klägerin die von der Beklagten ihr gegenüber am 18. Dezember 2023 erklärte Kündigung ihres seit 1. Jänner 2002 bestehenden Dienstverhältnisses wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG und wegen verpönten Motivs nach § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG an und begehrte sie, diese Kündigung für rechtsunwirksam zu erklären. Dazu brachte sie (insbesondere und auf das Wesentlichste zusammengefasst) vor, dass sie an - auch durch die belastende Situation im Arbeitsverhältnis bedingten - gesundheitlichen Einschränkungen leide und sie aufgrund des Verhaltens ihres Vorgesetzten und der daraus resultierenden psychischen Belastung in ihrer bisherigen Abteilung nicht mehr arbeiten könne, weshalb im Hinblick auf ihren seit 26. April 2023 andauernden Krankenstand auch kein persönlicher Kündigungsgrund vorliege. Die Kündigung sei erfolgt, weil die Klägerin ihr Recht, entsprechend der aus gesundheitlichen Gründen diesbezüglich gegebenen unbedingten Notwendigkeit in einer anderen Abteilung zu arbeiten, und ihr Recht auf Abhilfe gegen das Verhalten des Vorgesetzten geltend gemacht habe. Die Beklagte habe auch ihre soziale Gestaltungspflicht gröblich verletzt, indem sie für die Beklagte keine Tätigkeit in einer anderen Abteilung gesucht habe und nicht für eine Berücksichtigung der eigenen internen Bewerbungen der Klägerin gesorgt habe.

Das Landesgericht Linz als Arbeits- und Sozialgericht wies das Klagebegehren mit seinem Urteil vom 20. Mai 2025 ab. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie die Abänderung des Urteils im Sinne einer Klagsstattgebung anstrebt; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Nach der Geschäftsverteilung des Oberlandesgerichtes Linz ist dessen 12. Senat für die Entscheidung über die Berufung zuständig. Die diesem Senat vorsitzende Senatspräsidentin Dr. in C* zeigte ihre Befangenheit sowie den Anschein einer Befangenheit an, weil sie die Klägerin seit mehr als 25 Jahren kenne, da die jeweiligen Söhne befreundet seien und gemeinsam die Schule besucht haben, wobei es auch jahrelang regelmäßig zu privaten Treffen und zu zahlreichen gemeinsamen Ausflügen mit beiden Familien gekommen sei. Diese Aktivitäten seien zwar beendet, seitdem die Söhne erwachsen geworden seien, allerdings treffe Dr. in C* die Klägerin nach wie vor immer wieder, da beide in der Nachbarschaft wohnen. Da man sich anlässlich dieser zufälligen Zusammentreffen über die jeweilige Situation betreffend Familie und Arbeitsplatz austausche, wisse Dr. in C* daher auch zumindest teilweise um die gesundheitlichen Einschränkungen der Klägerin Bescheid, welche letztlich zu den Problemen mit der beklagten Arbeitgeberin geführt hätten. Aus diesem Grund sehe sich Dr. in C* nicht in der Lage, mit der gebotenen Objektivität als Rechtsmittelrichterin über die nunmehr zur Entscheidung stehenden Fragen mitzuentscheiden.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 19 JN kann ein Richter in bürgerlichen Rechtssachen abgelehnt werden oder eine Selbstanzeige gemäß § 22 GOG erstatten, wenn er im gegebenen Fall nach dem Gesetz von der Ausübung richterlicher Geschäfte ausgeschlossen ist (Z 1 leg cit) oder wenn ein zureichender Grund vorliegt, seine Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Befangen ist ein Richter, der nicht unparteiisch entscheidet, sondern sich von unsachlichen psychologischen Motiven leiten lässt (RIS-Justiz RS0046024 [T3]). Das Wesen der Befangenheit besteht in der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive (RS0045975).

Als Befangenheitsgründe kommen in erster Linie private persönliche Beziehungen zu einer der Prozessparteien in Frage ( Mayr in Rechberger/Klicka, ZPO 5§ 19 JN Rz 6 mwN). Im Interesse des Ansehens der Justiz ist bei der Beurteilung, ob Befangenheit vorliegt, ein strenger Maßstab anzuwenden (RIS-Justiz RS0045949). Es genügt, dass eine Befangenheit mit Grund befürchtet werden muss oder dass bei objektiver Betrachtungsweise auch nur der Anschein einer Voreingenommenheit entstehen könnte. Der Anschein, der Richter lasse sich bei der Entscheidung von anderen als rein sachlichen Gesichtspunkten leiten, soll jedenfalls vermieden werden (RS0045949 [T2, T5]; RS0046052 [T12]; RS0109379 [T7]; 1 Ob 113/22g).

Es ist im Allgemeinen ein Befangenheitsgrund anzunehmen, wenn ein Richter selbst seine Befangenheit anzeigt (RIS-Justiz RS0046053). Letztlich liefe es nämlich dem Interesse der Parteien an einem objektiven Verfahren zuwider, wenn ihre Angelegenheit von einem Richter entschieden würde, der selbst Bedenken dagegen äußert, eine unvoreingenommene Entscheidung treffen zu können (RS0046053 [T5]). Von einem Befangenheitsgrund ist grundsätzlich auch dann auszugehen, wenn der anzeigende Richter bloß die Möglichkeit des objektiven Anscheins für gegeben erachtet (RIS-Justiz RS0046053 [T6]). Nur ausnahmsweise wird bei Selbstmeldung eines Richters eine Befangenheit nicht gegeben sein, etwa bei Missbrauch oder wenn die angegebenen Umstände ihrer Natur nach nicht geeignet sind, eine Befangenheit zu begründen (RS0046053 [T4]).

Bereits der von Dr. in C* aufgezeigte Umstand, dass die Klägerin ihr die eigenen gesundheitlichen Einschränkungen - sohin die Gesundheitssphäre und damit ihren höchstpersönlichen Lebensbereich betreffende Umstände - offenbart hat, welche sich nachteilig auf das Dienstverhältnis zur Beklagten ausgewirkt haben, manifestiert gerade auch vor dem Hintergrund der bereits mehr als 25-jährigen Bekanntschaft samt seinerzeit auch jahrelang gemeinsam unternommenen Familienaktivitäten in begreiflicher Weise das Bestehen eines durch eine keineswegs unbeträchtliche persönliche Vertrautheit geprägten Verhältnisses. Es ist daher ohne weiteres nachvollziehbar, dass sich Dr. in C* angesichts des zwischen ihr und der Klägerin in diesem Sinne bestehenden Vertrauensverhältnisses subjektiv darin gehemmt sieht, an der Beurteilung der für die Entscheidung in der gegenständlichen Arbeitsrechtssache maßgeblichen Fragen unvoreingenommen mitzuwirken. In diesem Sinne gab Dr. in C* auch ausdrücklich bekannt, dass sie sich nicht mit der gebotenen Objektivität zu einer solchen Mitwirkung in der Lage sieht.

Zumal weder irgendwelche Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Geltendmachung der Befangenheit vorliegen noch die angegebenen Umstände ihrer Natur nach zur Begründung einer Befangenheit ungeeignet sind, ist die angezeigte Befangenheit somit gegeben.