2R92/25z – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, IT-Techniker, **-Straße **, **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die beklagte Partei B* Limited, **, **, **/Malta, vertreten durch die Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, wegen EUR 23.125,21 sA, über die Unterbrechungsanträge sowie über die Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28. Mai 2025, Cg*-19 jeweils der beklagten Partei, in nichtöffentlicher Sitzung
Spruch
I. beschlossen:
Die Anträge der beklagten Partei auf Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH in den Rechtssachen C-9/25 und C-440/23 werden abgewiesen.
Die Berufung wegen Nichtigkeit wird verworfen.
II. zu Recht erkannt:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger die mit EUR 2.482,62 (darin EUR 413,77 USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei ist eine Limited nach maltesischem Recht mit Sitz in Malta und verfügt über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority für Online-Glücksspiele. Eine Konzession für ihre Tätigkeiten in Österreich iSd § 12a GSpG für elektronische Lotterien hat sie nicht.
Der Kläger begehrt die Rückzahlung seines Spielverlustes. Ihm komme ein bereicherungs- und schadenersatzrechtlicher Anspruch wegen fehlender österreichischer Lizenz der beklagten Partei zu. Das angerufene Landesgericht Salzburg sei international zuständig und es sei auch österreichisches Recht anzuwenden. Die Beklagte betreibe „die Website C*, D* und E*“. Die „Website“ sei auf den gesamten europäischen Markt (auch auf Österreich) ausgerichtet. Insbesondere sei „die Website“ in verschiedenen Sprachen zugänglich, somit bestehe jedenfalls ein internationaler Charakter der „Website“. Zudem finde sich auf „der Website“ auch eine internationale Vorwahl bei der Angabe der Telefonnummer der Beklagten. Die Beklagte sei bereit gewesen, Verträge mit Österreichern abzuschließen. Da er selbst Verbraucher sei, sei auch österreichisches Recht anzuwenden.
Die beklagte Partei erhob die Einrede der internationalen Unzuständigkeit, bestritt im Übrigen, beantragte Klagsabweisung, verlangte die Anwendung maltesischen Rechts neben anderen, der nachfolgenden Begründung zu entnehmenden Einwendungen und berief sich darauf, dass das österreichische Glücksspielmonopol mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit nicht vereinbar und daher das Anbieten von Glücksspielen aufgrund ihrer maltesischen Glücksspielkonzession rechtmäßig sei.
Mit dem in das angefochtene Urteilaufgenommenen Beschluss verwarf das Erstgericht den Einwand der mangelnden internationalen und mangelnden örtlichen Zuständigkeit des Landesgerichtes Salzburg und wies den Antrag der beklagten Partei, das Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH in den Rechtssachen Rs C-9/25 und Rs C-440/23 zu unterbrechen, ab. In der Sache selbst gab es der Klage statt und verpflichtete die beklagte Partei zur Zahlung von EUR 23.125,21 samt 4% ab 31.05.2024 sowie zum Ersatz der Prozesskosten. Seiner Entscheidung legte es die auf den Seiten 2 sowie 5f seines Urteils ersichtlichen Feststellungen zugrunde, die teilweise eingangs wiedergegeben wurden und auf die im Übrigen gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Folgende sind hervorzuheben:
„[…] bietet aber über mehrere von ihr betriebene Websites auch in Österreich Internet-Glücksspiel an. Österreichische Kunden können die Website der beklagten Partei in Anspruch nehmen.
[…] Der Kläger spielte auf den von der beklagten Partei betriebenen Websites C*, D* und E*. Die Webseiten sind in verschiedenen Sprachen zugänglich, auf der jeweiligen Website findet sich eine internationale Vorwahl bei der Angabe der Telefonnummer der beklagten Partei. Die beklagte Partei verwendet einen anderen Domainnamen als in ihrem Sitzland Malta. Der Kläger wurde auf eine deutschsprachige Homepage der beklagten Partei weitergeleitet. Bei der Registrierung des Online-Accounts gab die beklagte Partei in der Länderauswahl ausdrücklich auch Österreich an. Der Kläger musste seine Telefonnummer mit der Vorwahl für Österreich – 0043 – hinzufügen. […]
Der Kläger tätigte im Zeitraum 13.09.2019 bis 30.05.2024 insgesamt Einzahlungen von EUR 79.814,00, erhielt Auszahlungen von EUR 56.688,79, sohin zahlte er um EUR 23.125,21 mehr ein als er ausgezahlt erhielt. Die Transaktionsübersicht wurde vom Klagevertreter bei der beklagten Partei angefordert und von dieser zur Verfügung gestellt.
Der Kläger spielte, weil er der Meinung war, er könne sich durch Glücksspiel etwas Geld dazuverdienen. Er übte seinen Beruf als IT-Techniker unverändert weiter aus. Ihm war bewusst, dass man beim Glücksspiel auch verlieren kann. Während der Spielzeit wusste der Kläger nicht, dass die beklagte Partei in Österreich Glücksspiele nicht mehr anbieten darf. Die Geschäftsbedingungen der beklagten Partei las er nicht. Er wusste daher auch nicht, über welche Lizenz die beklagte Partei verfügt. Der Kläger spielte nur bei den oben angeführten Plattformen der beklagten Partei, bei anderen Anbietern nicht. Er hatte zuvor keine Erfahrung mit Glücksspielen. […]“
In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Erstgericht von seiner internationalen Zuständigkeit, begründet durch den Verbrauchergerichtsstand gemäß Art 17 Abs 1 lit c EuGVVO aus. Die Beklagte habe ihre Tätigkeit durch die Abrufbarkeit ihrer Webseiten auf den Wohnsitzstaat des Klägers ausgerichtet und habe der Kläger als Verbraucher gehandelt. Nur Verträge, die eine Einzelperson ohne Bezug zu einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit oder Zielsetzung und unabhängig von einer solchen allein zu dem Zweck schließe, deren Eigenbedarf beim privaten Verbrauch zu decken, fielen unter den Verbraucherschutz. Die Verbrauchereigenschaft gehe nicht dadurch verloren, denn beispielsweise Online-Pokerspieler über besondere Kenntnisse im Pokerspiel verfügten und dabei erhebliche Gewinne erzielten, mit denen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Auch der Kläger habe einzig und allein – so wie wohl alle Spieler – neben seinem Erwerbseinkommen als IT-Techniker etwas dazuverdienen wollen. Er habe sich so wie die anderen Unzähligen, die vom großen Glück träumten, verhalten und habe für die beklagte Partei nicht den Eindruck erweckt, zu beruflich-gewerblichen Zwecken zu handeln. Von den Bestimmungen der Art 17f EuGVVO seien auch Streitigkeiten über das Zustandekommen eines Vertrags sowie vertragliche Rückabwicklungsansprüche erfasst. Die Verträge über das Online-Glücksspiel zwischen dem Kläger und der beklagten Partei seien gemäß Art 6 Abs 1 lit b Rom I – VO Verbraucherverträge, die dem Recht des Staates unterliegen würden, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe; die Beklagte habe nämlich als Unternehmerin ihre gewerbliche Tätigkeit unstrittig auch auf diesen Staat ausgerichtet. Eine allfällige Rechtswahl könne nicht zum Entzug der Verbraucherschutzbestimmungen zugunsten des Klägers führen. Nach ständiger Rechtsprechung sei die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols zu bejahen. Das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspielen sei in Österreich nach dem GSpG verboten und Verträge, die zur Durchführung eines verbotenen Glücksspiels abgeschlossen worden seien, absolut nichtig. Es könnten daher Spieleinsätze aus einem verbotenen Glücksspiel abzüglich der Auszahlung zurückgefordert werden. Der Kläger habe nicht gewusst, dass die beklagte Partei in Österreich keine Online-Glücksspiele anbieten dürfe. Ein Belassen der Zahlung oder die Anwendung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder des § 1432 ABGB widerspeche dem Verbotszweck der §§ 2 Abs 1 und 4 iVm § 4 Abs 1 GSpG. Die Rückforderung der Spielverluste sei auch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht ausgeschlossen. Die Möglichkeit, das zum Zweck des verbotenen Glücksspiels Hingegebene zurückzufordern, diene nicht nur dem Schutz des Spielers, sondern auch der Durchsetzung des Zwecks des Glücksspielverbotes. Die Beklagte habe daher dem Kläger die festgestellten Verluste zurückzuzahlen. Aufgrund dieser bereicherungsrechtlichen Ansprüche könnten schadenersatzrechtliche Überlegungen entfallen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der beklagten Partei wegen Nichtigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel. Weiters beantragt die beklagte Partei die Unterbrechung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über die Verfahren C-9/25 und C-440/23 und regt auch die Einleitung eines weiteren Vorabentscheidungsverfahrens zur Vorlage beigefügter Fragen an. Die Berufungsanträge lauten, das angefochtene Urteil und das Verfahren erster Instanz als nichtig aufzuheben und das Klagebegehren zurückzuweisen, hilfsweise die Klage im Sinne einer Abänderung vollinhaltlich abzuweisen, dazu in eventu wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung die Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Die Unterbrechungsanträge sind ebenso wie die Berufung nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der von der Beklagten beantragten Unterbrechung des Berufungsverfahrens bis zur Entscheidung des EuGH über die bei ihm zu C-9/25 und C-440/23 registrierten Vorabentscheidungsersuchen bedarf es nicht, weil die dort zu klärenden unionsrechtlichen Fragen – soweit sie nicht ohnehin die spezifisch deutsche Situation betreffen – im Hinblick auf die Entscheidungen des EuGH zu C-390/12, C-79/17 und C-545/18 bereits geklärt sind (8 Ob 80/25k).
Die Nichtigkeit des Verfahrens erblickt die beklagte Partei in der fehlenden internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts. Die Berufungswerberin führt dazu ins Treffen, dass sie die Verbrauchereigenschaft des Klägers bestritten habe und dass neben dem dazu erstatteten Vorbringen sich der Ausschluss der Verbrauchereigenschaft des Klägers auch daraus ergebe, als dieser aufgrund seiner vermehrten und wiederholten Spieltätigkeit auf den verfahrensgegenständlichen Websites nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen gehandelt habe. Dies ergebe sich bereits aus der vom Kläger selbst vorgelegten Urkunde ./C. Auch habe der Kläger in seiner Einvernahme selbst explizit angegeben, nicht als Hobby gespielt zu haben, sondern vorgehabt, durch das Konsumieren der Online-Glücksspiele auf den Websites Geld zu verdienen. Er könne sich daher nicht auf den Verbrauchergerichtsstand Art 17 und Art 18 EuGVVO stützen. Auch habe sie vorgebracht, dass der Kläger nicht darlegen könne, dass die verfahrensgegenständlichen Websites auf Österreich ausgerichtet seien. Der Kläger habe lediglich die Beilagen ./A und ./B vorgelegt, welche sich jedoch nur auf eine vom Kläger erwähnte Website und nicht auf sämtliche drei Webseiten, für die der Kläger eine Spieltätigkeit und einen Spielverlust behaupte, bezögen. Der Kläger sei daher hinsichtlich des Vorbringens, alle drei verfahrensgegenständlichen Websites seien auf Österreich ausgerichtet gewesen, seiner Behauptungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Zudem habe die vorliegende Klage keinen Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag zum Gegenstand.
Auch in ihrer Tatsachenrüge thematisiert die Berufungswerberin neuerlich die ihrer Ansicht nach nicht gegebene internationale Zuständigkeit und bekämpft die schon oben hervorgehobenen Feststellungen:
„[…] bietet aber über mehrere von ihr betriebenen Websites auch in Österreich Internet-Glücksspiel an. Österreichische Kunden können die Websites der beklagten Partei in Anspruch nehmen. […]
Der Kläger spielte auf den von der beklagten Partei betriebenen Websites C*, D* und E*. Die Webseiten sind auf verschiedenen Sprachen zugänglich, auf der jeweiligen Website findet sich eine internationale Vorwahl bei der Angabe der Telefonnummer der beklagten Partei. Die beklagte Partei verwendet einen anderen Domainnamen als ihren im Sitzland Malta. Der Kläger wurde auf eine deutschsprachige Homepage der beklagten Partei weitergeleitet. Bei der Registrierung des Online-Accounts gab die beklagte Partei in der Länderauswahl ausdrücklich auch Österreich an. Der Kläger musste seine Telefonnummer mit der Vorwahl für Österreich – 0043 – hinzufügen.“
Anstelle der bekämpften Feststellung begehrt die Berufungswerberin folgende Ersatzfeststellung:
„Es kann nicht festgestellt werden, dass sämtliche verfahrensgegenständliche Websites im verfahrensgegenständlichen Spielzeitraum auf Deutsch abrufbar gewesen seien und im Registrierungsprozess die Möglichkeit bestanden habe, das Land „Österreich“ in der Länderauswahl anzugeben. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass im verfahrensgegenständlichen Spielzeitraum alle drei verfahrensgegenständlichen Websites im verfahrensgegenständlichen Spielzeitraum auf Österreich ausgerichtet gewesen seien bzw dass die beklagte Partei im verfahrensgegenständlichen Spielzeitraum eine Tätigkeit auf Österreich auf all diesen Websites ausgeübt habe.“
Es sei unrichtig, dass die auf Urteilsseite 1 aufzufindende Feststellung unstrittig sei. Sie habe nämlich vorgebracht, dass der Kläger nicht darlegen könne, dass die Websites auf Österreich ausgerichtet seien. Die vom Kläger vorgelegten Beilagen ./A und ./B bezögen sich nur auf eine Website und nicht auf sämtliche drei Webseiten, für die der Kläger eine Spieltätigkeit und einen Spielverlust behaupte. Auch aus den Angaben des Klägers in seiner Einvernahme sei nicht ersichtlich, ob sich seine Aussage dahingehend, die Sprache Deutsch hätte ausgewählt werden können und er habe auch eine Telefonnummer mit der Vorwahl für Österreich angeben müssen, auf alle drei Websites beziehe oder nicht. Es hätte daher keine Feststellung hinsichtlich des Vorbringens des Klägers, alle drei verfahrensgegenständliche Websites seien auf Österreich ausgerichtet gewesen, getroffen werden dürfen bzw lediglich eine Negativfeststellung.
Dieser Kritik ist nicht zu folgen: Die Berufungswerberin beruft sich selbst mehrmals auf das klägerische Vorbringen, wonach alle drei in Frage kommenden Websites auf Österreich ausgerichtet (gewesen) seien und übersieht dabei, dass es sich bei dem zuständigkeitsbegründenden Tatbestand des „Ausrichtens“ um eine sogenannte doppelrelevante Tatsache handelt. Bei jener, aus der sowohl die internationale Zuständigkeit als auch die Begründetheit des Anspruchs erfolgt, muss die Schlüssigkeit des Klagevorbringens ausreichen, um nicht die Zuständigkeitsprüfung mit einer weitgehenden Sachprüfung zu belasten (RIS-Justiz RS0116404; Fucik/Klauser/Kloiber, ZPO 13 Art 7 EuGVVO 2012). Doppelrelevant ist der Umstand des Ausrichtens der Tätigkeit der Beklagten auf Österreich insofern, als auch Art 6 Abs 1 Rom I-VO bei der Frage der Anwendbarkeit des materiellen Rechts darauf abstellt. Ein fehlendes Ausrichten der Tätigkeit der Beklagten auf Österreich führte zur Anwendbarkeit maltesischen Rechts und wohl weiter zur Klagsabweisung.
Bei der Beurteilung der internationalen Zuständigkeit nach Art 17f EuGVVO 2012 sind daher das Vorbringen der beklagten Partei sowie die dazu getroffenen Feststellungen außer Betracht zu lassen; auch die von der Berufungswerberin ins Treffen geführte Parteienaussage des Klägers bleibt unberücksichtigt. Die zur Frage der internationalen Zuständigkeit erhobene Tatsachenrüge geht insofern ins Leere und braucht schon deswegen darauf nicht eingegangen werden. Abgesehen davon würde die von der Tatsachenrüge begehrte Negativfeststellung nichts an der rechtlichen Beurteilung ändern, weil auch ein „Non-liquet“ grundsätzlich zu Lasten des Vertragspartners des Verbrauchers geht (vgl Simotta in Fasching/Konecny 3 V/1 Art 17 EuGVVO 2012).
Wie bereits vom Erstgericht zutreffend erwähnt, sind die auf den Verbraucher abstellenden Zuständigkeitsvorschriften grundsätzlich nur dann anwendbar, wenn der Zweck des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrags nicht in der beruflichen oder gewerblichen Verwendung des Gegenstands oder der Dienstleistung besteht, auf die sich der Vertrag bezieht. Der Begriff „Verbraucher“, deren Abgrenzung zu dem des „Unternehmers“ definiert wird, hat einen objektiven Charakter und ist unabhängig von den Kenntnissen und Informationen, über die die betreffende Partei tatsächlich verfügt. Der Einzelne verliert auch nicht aufgrund besonderer Kenntnisse auf dem den Vertrag betreffenden Gebiet die Eigenschaft eines „Verbrauchers“ (C-774/19 EuGH). Die beklagte Partei übersieht bei ihrer Kritik am Verbraucherstatus des Klägers, dass dieser seinen Beruf als IT-Techniker unverändert weiter ausübte und durch Glücksspiel nur etwas Geld dazu verdienen wollte. Diese Umstände reichen nicht aus, dem Kläger die Verbrauchereigenschaft abzusprechen. Selbst wenn man hier zugunsten der Beklagten nicht nur auf das klägerische Vorbringen, sondern auch auf die getroffenen Feststellungen abstellte (vgl jedoch die obigen Ausführungen zu den doppelrelevanten Tatsachen), ist dennoch das Vorliegen der die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts begründenden Voraussetzungen zu bejahen.
Von den Regelungen der Artikel 17 ff EuGVVO 2012 sind auch Streitigkeiten über das Zustandekommen eines Vertrags sowie vertragliche (Rückabwicklungs-)Ansprüche erfasst. Untrennbar mit einem Verbrauchervertrag sind aber auch die vom Verbraucher der Rückabwicklung eines unwirksamen (nichtigen) Vertrags dienenden bereicherungsrechtlichen Ansprüche verbunden. Sie unterfallen daher jedenfalls den Artikel 17 ff EuGVVO 2012. Damit ist auch die vom EuGH in der Entscheidung C-500/18 betonte notwendige Kohärenz von anwendbaren Recht und Gerichtsstand gegeben (9 Ob 75/22b zur Rückabwicklung eines nichtigen Glücksspielvertrags).
Der behauptete Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs 1 Z 3 ZPO liegt daher nicht vor. Die Berufung wegen Nichtigkeit war daher zu verwerfen.
Mangelhaft soll das Verfahren sein, weil für die Feststellung zu den Spielverlusten eine nachvollziehbare Begründung fehle und das Erstgericht die vom Kläger vorgelegte englischsprachige Beilage ./C verwertet habe, obwohl dieser keine beglaubigte Übersetzung angeschlossen sei.
Das Erstgericht begründete die Feststellung zu den Spielverlusten mit der Echtheit der Beilage ./C1, deren Echtheit nicht bestritten wurde; der Kläger habe diese Ein- und Auszahlungen in der dort angeführten Höhe bestätigt. Diese Beweiswürdigung ist ausreichend genug, um die Plausibilität derr von der beklagten Partei bekämpften Feststellung überprüfen zu können. Im Übrigen ist schon jetzt auf die Ausführungen der gegen die Feststellung der Spielverluste erhobenen Tatsachenrüge zu verweisen; dabei ist zu betonen, dass die Angaben des Klägers gerade auf den Auflistungen der Beklagten selbst beruhen.
Auf den Vorwurf der fehlenden beglaubigten Übersetzung der Beilage ./C ist schon deswegen nicht näher einzugehen, weil die Mängelrüge nicht darzustellen vermag, was der Anschluss einer Übersetzung der Beilage ./C am Verfahrensergebnis geändert hätte. Insofern wird die Mängelrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt. Abgesehen davon stammt die Beilage ./C, wie dieser selbst zu entnehmen ist, von der beklagten Partei und ist ihr zuzumuten, dass sie ihre eigenen englischsprachigen Ausdrücke versteht. Dass diese vom Erstgericht missverstanden worden seien, macht sie nicht geltend. Damit bleibt die Mängelrüge erfolglos (ausführlich OLG Linz 3 R 122/22i).
Die Berufungswerberin bekämpft in ihrer Tatsachenrüge die Feststellung zu den Spielverlusten. Anstelle dessen wird eine Negativfeststellung begehrt. Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes sei davon auszugehen, dass dem Kläger auf Basis der vorgelegten Urkunde Beilage ./C und seiner Parteienvernehmung der Beweis eines Spielverlustes nicht gelungen sei.
Die Beweiswürdigung des Erstgerichtes bleibt unbedenklich. Es wäre an der Beklagten gelegen gewesen, konkret darzulegen, was an der Aufstellung des Klägers unrichtig sein soll, zumal sie über Daten und Informationen über die relevanten Geldflüsse zum Spielkonto des Klägers verfügt. Weder im Verfahren erster Instanz noch in der Berufung vermag die Beklagte die Angaben des Klägers, die ja gerade auf ihren eigenen Auflistungen beruhen, zu erschüttern. Die Tatsachenrüge bleibt erfolglos .
Die Rechtsrüge erweist sich zur Frage der Kohärenzdes GSpG als nicht stichhaltig, sodass gemäß § 500a ZPO auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Erstgerichts verwiesen werden kann. Ergänzend ist zu betonen, dass auch nach jüngster Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Frage der Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols abschließend beantwortet ist (zuletzt 7 Ob 86/24h). Eine zu dieser Frage erhobene außerordentliche Revision einer maltesischen Onlineglücksspielanbieterin wurde trotz Nichtbehandlung der behaupteten Stoffsammlungsmängel und sekundärer Feststellungsmängel durch das Berufungsgericht vom OGH zurückgewiesen (8 Ob 138/22k). Es wurde auch die Anregung auf neuerliche Befassung des Europäischen Gerichtshofs abgelehnt (7 Ob 86/24h). Aus der Entscheidung des EuGH C-920/19 „ Fluctus“ergibt sich kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen (2 Ob 146/22t). Die letzte Beurteilung der Kohärenz bezog sich auf den Spielzeitraum bis 26.7.2023, der Klagszeitraum ist davon weitgehend erfasst.
Sämtliche dazu begehrten ergänzenden Feststellungenerweisen sich daher als rechtlich nicht relevant (7 Ob 168/22i). Eine neuerliche Befassung des EuGHkommt nicht in Betracht, weil die unionsrechtlichen Grundsätze geklärt sind (7 Ob 168/22i). Zutreffenderweise hat daher auch das Erstgericht die Anregung auf neuerliche Befassung des EuGH nicht aufgegriffen.
Entgegen der Ansicht der Berufungswerberin ist das Klagsvorbringen nicht unschlüssig: Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516). Es ist zwar richtig, dass bei mehreren in einer Klage geltend gemachten Schadenersatzansprüchen jeder einzelne von ihnen ziffernmäßig bestimmt und individualisiert sein muss. Setzt sich aber – wie hier – ein auf einen einheitlichen Anspruchsgrund gestütztes Begehren aus zahlreichen Einzelforderungen zusammen, die während eines längeren Zeitraums aufgelaufen sind, so würde das Gebot nach einer Präzisierung des Vorbringens überspannt, würde man für jeden einzelnen von unter Umständen 100en Fällen ein gesondertes detailliertes Vorbringen fordern. Die mangelnde Aufgliederung in einzelne Posten oder Zeiträume nimmt dem diesbezüglichen Vorbringen daher nicht die Schlüssigkeit. Die Rechtsprechung stellt auf die Zumutbarkeit einer Aufgliederung ab. In solchen Fällen reicht daher auch ein Verweis im Vorbringen auf die vorgelegten Urkunden; die einzelnen Positionen und die ihnen zugeordneten Beträge müssen also nicht in der Klageerzählung ziffernmäßig angeführt werden (5 Ob 177/21x [Punkt 1.2.]). Das Klagsvorbringen erfüllt diese Voraussetzungen; das Vorbringen ist ausreichend schlüssig. Auch dieser Punkt der Rechtsrüge bleibt erfolglos.
Es ist österreichisches Rechtanzuwenden: Wenn sich wie hier ein ausländischer Dienstleister im Bereich des Glücksspiels über das Internet auf den österreichischen Markt ausrichtet, sind grundsätzlich alle vertragsrechtlichen Fragen nach dem einheitlichen Verbraucherstatut zu beurteilen (Art 6, Art 12 Abs 1 Rom I-VO). Auch die Rückabwicklung eines nichtigen Vertrags (Art 12 Abs 1 lit e Rom I-VO) richtet sich somit nach österreichischem Recht (7 Ob 44/23f). Der Ausnahmetatbestand des Artikel 6 Abs 4 lit a Rom I-VO liegt nicht vor: Eine Dienstleistung wird nur dann im Sinne dieses Ausnahmetatbestands (ausschließlich) außerhalb des Mitgliedstaats erbracht, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, wenn dieser keine Möglichkeit hat, sie in seinem Aufenthaltsstaat in Anspruch zu nehmen und sich zu diesem Zweck ins Ausland begeben muss. Diese Voraussetzung liegt hier nicht vor. Der EuGH hat auch bereits klargestellt, dass im Verbrauchergeschäft eine nicht im Einzelnen ausgehandelte Rechtswahlklausel, die den Verbraucher wie hier nicht über die von Art 6 Abs 2 Rom I-VO vorgesehene Weitergeltung der zwingenden Verbraucherschutzbestimmungen seines Heimatrechts aufklärt, missbräuchlich iSd des Art 3 Abs 1 der Klausel-Richtlinie ist (7 Ob 213/21f). Die von der Berufungswerberin ins Treffen geführte Entscheidung 10 Ob 56/22s betrifft an eine Nichtverbraucherin abgetretene Spielverluste).
Auch der Hinweis auf die Aufhebung von Teilen des§ 25 Abs 3 GSpGdurch den Verfassungsgerichtshof (G 259/2022) ändert an dieser Beurteilung nichts. Mag der Gesetzgeber durch das (primäre) Abstellen (nur) auf die Einholung einer Bonitätsauskunft den unionsrechtlich gebotenen Spielerschutz von Spielbankbesuchern auch nicht in einer dem Sachlichkeitsgebot entsprechenden Weise verwirklicht haben, bedeutet dies noch nicht, dass dieses Anliegen im Glücksspielrecht als Ganzem nicht in kohärenter Weise verfolgt würde. Aus der teilweisen Verfassungswidrigkeit bloß einer Einzelregelung zum Spielerschutz im Bereich der Spielbanken kann nicht abgeleitet werden, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen - entgegen der bisher ständigen Rechtsprechung - unionsrechtswidrig wäre (2 Ob 23/23f, 1 Ob 25/23t; 7 Ob 44/23f; 3 Ob 69/23b).
Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem (bereicherungsrechtlichen) Rückforderungsanspruchhinsichtlich der Spieleinsätze für ein (verbotenes) Online-Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um am Spiel teilzunehmen. Damit ist § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB schon seinem Wortlaut nach nicht anwendbar. Darauf, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel (selbst) einen Verwaltungsstraftatbestand erfüllt, konkret § 52 Abs 5 GSpG, kommt es daher nicht an (10 Ob 10/23b mwN). Gegenteiliges kann auch aus der Entscheidung 5 Ob 506/96 nicht abgeleitet werden (2 Ob 221/22x, 1 Ob 171/22m jeweils mwN; zuletzt 2 Ob 23/23f, 7 Ob 9/23h, 1 Ob 25/23t).
Verbotene Spiele erzeugen nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Wett- oder Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünde, weil die Leistung nicht "zur Bewirkung" der unerlaubten Handlung, sondern als "Einsatz" erbracht wurde. Den Rückforde rungsanspruch zu verweigern, widerspräche dem Zweck der Glücksspielverbote (RS0025607 [T1]; vgl auch RS0016325 [T15]; 6 Ob 229/21a; 9 Ob 15/22d; 9 Ob 54/22i; 2 Ob 171/22v; 7 Ob 102/22h; 10 Ob 10/23b uva).
Der von der Beklagten relevierte nemo-auditur-Grundsatz(nemo auditur turpitudinem suam allegans), wonach sich niemand auf sein eigenes rechtswidriges Handeln berufen können soll bzw niemand aus seiner Unredlichkeit einen Vorteil ziehen darf (vgl 4 Ob 55/21y), spricht gerade gegen die Beklagte, denn sie ist es, die illegal in Österreich Online-Glücksspiel angeboten hat. Daraus und aus dem von ihr erblickten Verstoß des Klägers gegen Treu und Glauben lässt sich für sie nichts gewinnen.
Der Rückforderungsanspruch besteht nämlich entgegen der allgemeinen Regel (§§ 1431f ABGB) sogar dann, wenn die Ungültigkeit der Verpflichtung beziehungsweise Leistung bekannt war(RS0025607 [T2]; jüngst 6 Ob 200/22p). Feststellungsmängel zur Kenntnis der Klägerin von der fehlenden österreichischen Konzession der Beklagten und dem Bewusstsein der Möglichkeit, Verluste zurückzufordern, liegen daher nicht vor. Im Übrigen geht die Beklagte dazu - in nicht gesetzmäßiger Ausführung der Rechtsrüge - nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, hatte doch der Kläger keine Kenntnis von der fehlenden Konzession der beklagten Partei.
Ob der Klägerin neben der Kondiktion auch ein Schadenersatzanspruch zusteht, kann dahingestellt bleiben, sodass auf die diesbezüglichen Berufungsausführungen nicht näher einzugehen ist.
Dass deutsche Amts- und Landgerichteunter Zugrundelegung der deutschen Rechtslage (§ 817 Satz 2 BGB) allenfalls eine Rückforderung ausgeschlossen haben, bietet nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine Grundlage dafür, von der ständigen Rechtsprechung zur österreichischen Rechtslage abzugehen (5 Ob 155/23i).
Insgesamt muss der Berufung daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50 und 41 ZPO.
Die ordentliche Revision gemäß § 502 Abs 1 ZPO war nicht zuzulassen, weil von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht abgewichen wurde.