JudikaturOLG Linz

9Bs142/25h – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch den Einzelrichter Mag. Huemer-Steiner in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der Weitergabe und des Besitzes nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 Z 2 StGB über deren Beschwerde gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz vom 5. Juni 2025, Hv*-16, entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit (gekürzt ausgefertigtem) Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichts Linz vom 14. Mai 2025, Hv* (ON 13), wurde A* von dem wider sie mit Strafantrag der Anklagebehörde vom 11. April 2025 (ON 3) erhobenen Vorwurf, am 1. Februar 2025 in ** durch einen Bezahlversuch mit einer total gefälschten EUR 50,-- Banknote das Verbrechen der Weitergabe und des Besitzes nachgemachten oder verfälschten Geldes nach § 233 Abs 1 Z 2 StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Mit Eingabe vom 2. Juni 2025 (ON 15) beantragte die Freigesprochene im Wege ihres Wahlverteidigers – unter Anschluss einer Leistungsaufstellung in Höhe von insgesamt EUR 5.884,60 (darin enthalten ua Druckkosten im Rahmen der elektronischen Akteneinsicht, Entlohnung für die Vornahme von Geschäften außerhalb der Rechtsanwaltskanzlei nach TP 7/2, 50 % Erfolgszuschlag und 12 % Zuschlag nach § 6 Abs 3a AHK sowie USt) – einen Beitrag zu den Kosten ihrer Verteidigung gemäß § 393a StPO.

Das Erstgericht bestimmte mit dem angefochtenen Beschluss (ON 16) den Verteidigungskostenbeitrag mit einem Betrag von EUR 2.000,-- und begründete dies im Wesentlichen mit dem im Vergleich zu einem „Standardverfahren“ vor dem Einzelrichter deutlich unterdurchschnittlichen Verteidigungsaufwand.

Dagegen richtet sich die Beschwerde (ON 17) der Freigesprochenen, welche aus dem Beschwerdegrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung primär auf eine Anhebung des Verteidigungskostenbeitrags abzielt und eventualiter auch ein Kassationsbegehren enthält.

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft Linz nicht geäußert hat, ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Wird ein im Offizialverfahren Angeklagter freigesprochen, so hat ihm der Bund auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten; im Verfahren vor dem Einzelrichter darf dieser Beitrag – vorbehaltlich der in den §§ 221 Abs 4 und 285 Abs 2 StPO genannten, hier nicht in Betracht zu ziehenden Fälle – die Grenze von EUR 13.000,00 nicht übersteigen (§ 393a Abs 1 und Abs 2 Z 2 StPO). Das Erstgericht stellte im angefochtenen Beschluss die rechtlichen Bestimmungen und die erläuternden Bemerkungen dazu korrekt dar, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen darauf verwiesen wird (zur Zulässigkeit vgl RIS-Justiz RS0124017 [T2, T3, T4, T6]).

Je nach Umfang der Ermittlungen und Verfahrenshandlungen sowie Komplexität der zu lösenden Tat- und Rechtsfragen kann sich der Beitrag gemäß § 393a StPO dem im Gesetz vorgesehenen Höchstmaß annähern bzw sich von diesem weiter entfernen (EBRV 2557 BlgNR 27. GP 8; Erlass des Bundesministeriums für Justiz vom 31. Juli 2024, GZ 2024-0.561.623, 9 f). Unter Heranziehung der Ansätze nach den AHK (Allgemeine Honorar-Kriterien) – sowie Berücksichtigung des Einheitssatzes, jedoch ohne [Erfolgs- oder Erschwernis]Zuschläge – werden hiefür nach den Gesetzesmaterialien durchschnittliche Verteidigungskosten in einem „Standardverfahren“ vor dem Einzelrichter mit EUR 6.500,00 veranschlagt (EBRV 2557 BlgNR 27. GP 8). Ein solches Standardverfahren umfasst demnach an Verteidigungsaufwand die Vertretung im Ermittlungsverfahren (Besprechung mit dem Mandanten, Vollmachtsbekanntgabe bzw Antrag auf Akteneinsicht, Aktenstudium bzw Vorbereitung und Teilnahme an einer zweistündigen Vernehmung), die Teilnahme an einer Hauptverhandlung in der Dauer von fünf Stunden und die Einbringung eines prozessrelevanten Schriftsatzes(vgl EBRV 2557 BlgNR 27. GP 8). Dieser Durchschnittsbetrag dient als Ausgangsbasis für die Bemessung des Verteidigerkostenbeitrags (OLG Linz 9 Bs 77/25z uva; Öner, Die im Jahr 2024 in Kraft getretenen Änderungen der StPO, JAP 2024/2025, 79). Dabei ist die Bandbreite der Verfahren, die in Stufe 1 fallen, zu berücksichtigen, die von ganz einfachen Verteidigungsfällen bis hin zu komplexen Wirtschaftsstrafsachen reichen können. Die konkrete Bemessung im Einzelfall steht stets unter der Prämisse der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung (EBRV 2557 BlgNR 27. GP 7; Tipold , Neuregelung des Beitrages zu den Verteidigungskosten, JSt 2024, 475).

Da die Beschwerdeführerin im Ermittlungsverfahren anwaltlich unvertreten war und auch kein Rechtsmittelverfahren stattfand, beschränkt sich der Verteidigungsaufwand ausschließlich auf das Hauptverfahren. Insofern sind eine Vollmachtsbekanntgabe mitsamt Antrag auf Freischaltung der elektronischen Akteneinsicht (ON 6) sowie ein schriftlicher Beweisantrag (ON 12) zu berücksichtigen. Die Hauptverhandlung, in deren Rahmen neben der Angeklagten auch zwei Zeugen vernommen wurden, dauerte lediglich 35 Minuten (vgl ON 13).

Bei der Festsetzung des Beitrags zu den Kosten der Verteidigung ist insbesondere auf das Ausmaß des notwendigen oder zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers Bedacht zu nehmen (§ 393a Abs 2 StPO). Die Notwendigkeit ist nach den Umständen des Einzelfalls, aber am objektiven Maßstab einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung zu messen (12 Os 36/07x). Notwendig sind Vertretungshandlungen insbesondere dann, wenn sie durch die Prozesslage und die Verfahrensvorschriften erzwungen wurden (15 Os 88/20k). Zweckmäßig ist wiederum alles, was ein objektiven rechtlichen Gegebenheiten entsprechendes Maß an Erfolgschancen in sich birgt (8 Ob 61/81 = RIS-Justiz RS0035829). Mit Blick darauf, dass der Aktenlage nicht nur detaillierte Lichtbilder des nachgemachten Geldscheins (ON 2.11, 3 ff), sondern auch eine genaue Beschreibung der Fälschungsmerkmale (Befestigung eines silbernen Streifens mittels durchsichtigen Klebebandes anstelle des Hologramm-Streifens und des Fensterportraits; Fehlen des Sicherheitsfadens und Wasserzeichens, Nachahmung des Reliefs durch Einritzen von Linien mittels Kugelschreiber; fehlender Kippeffekt [ON 2.13, 3]) entnommen werden konnte, war die Inaugenscheinnahme des Falsifikats zur Erörterung der Sach- und Rechtslage und Verantwortungsstrategie vor der Hauptverhandlung weder notwendig noch zweckmäßig, zumal mit Blick auf die zahlreich vorhandenen Fälschungsmerkmale auch keine täuschend echte Haptik des falschen 50 Euro Scheins zu erwarten war.

Der Verweis des Erstgerichts, dass für eine elektronische Akteneinsicht (im Sinne des Studiums eigener Akten in der Kanzlei) im RATG kein Honoraranspruch vorgesehen sei und die Abgeltung im Rahmen des Einheitssatzes (§ 23 RATG) erfolge, greift allerdings insofern zu kurz, als – worauf die Beschwerde zutreffend hinweist – gemäß § 7 Abs 3 AHK die Einsichtnahme in den elektronischen Akt in der eigenen Kanzlei gegenüber dem Mandantensehr wohl gesondert nach TP 7/2 RATG verrechnet werden kann, wobei die Materialien in Bezug auf die relevanten Verteidigungskosten auch ein angemessenes Aktenstudium bzw Vorbereitungstätigkeit sowie gerade die Heranziehung der Kostenansätze der AHK ansprechen (EBRV 2557 BlgNR 27. GP 5 und 8).

Die als umsatzsteuerfreie Barauslagen geltend gemachten Druckkosten für 106 Seiten á EUR 0,70 stellen Sachaufwand des Rechtsanwalts dar und sind mit der für seine Leistungen gebührenden Verdienstsumme im Rahmen des Einheitssatzes mit abgegolten (RIS-Justiz RS0122433; OLG Linz 9 Bs 184/24h mwH). Im Übrigen handelt es sich hiebei auch nicht um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten (OLG Graz 10 Bs 28/25f; OLG Wien 21 Bs 403/24d; OLG Innsbruck 11 Bs 179/24x).

Mit Blick auf die ausschließlich die (rechtliche) Beurteilung einzelner Positionen des Leistungsverzeichnis relevierenden Beschwerdeausführungen ist zudem klarzustellen, dass auch § 393a StPO idF BGBl I 2024/96 am schon bisher bestehenden System der Bemessung in Form von Pauschalkostenbeiträgen festhält, welche in einem angemessenen Verhältnis zu den in notwendiger und zweckmäßiger Weise aufgelaufenen Kosten der Verteidigung stehen sollen. Als Bezugspunkt für die Angemessenheit der Relation dient jedoch nicht das Leistungsverzeichnis, sondern der typische Verteidigungsaufwand in einem einfachen Standardverfahren, welcher an konkrete Leistungen anknüpft, und Zuschläge außer Betracht lässt, was auch den Valorisierungszuschlag gemäß § 6 Abs 3a AHK umfasst. Insofern ist das Leistungsverzeichnis kein Antragserfordernis und für die Bemessung auch nicht maßgeblich (vgl OLG Wien 20 Bs 350/24b), wobei das Beschwerdegericht auch im Falle eines ziffernmäßig konkretisierten Begehrens in keine Richtung gebunden ist ( Tipold , Neuregelung des Beitrages zu den Verteidigungskosten, JSt 2024, 472 mwN).

Mit Blick auf die sowohl faktisch als auch rechtlich geringe Komplexität des Verfahrensgegenstandes, die Beschränkung des notwendigen und zweckmäßigen Einsatzes des Verteidigers auf das Hauptverfahren, welches sich nicht nur durch den überschaubaren Aktenumfang (zwölf Ordnungsnummern bis zur urteilsmäßigen Erledigung), sondern auch durch die Kürze der 35-minütigen Hauptverhandlung von einem „Standardverfahren“ deutlich (nach unten) distanziert, erweist sich anhand der dargestellten Kriterien der im angefochtenen Beschluss zuerkannte Beitrag zu den Kosten der Verteidigung von EUR 2.000,00 als angemessen und keiner Erhöhung zugänglich. Dieser Betrag entspricht ca. 30 % der Kosten eines Standardverfahrens, was dem weit unterdurchschnittlichen Hauptverfahren (ohne Verteidigungsaufwand im vorgelagerten Ermittlungsverfahren) mit einer einfach zu lösenden Tat- und Rechtsfrage gerecht wird.

Der Beschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenbestimmungsantrag selbst ist kostenmäßig nicht zu berücksichtigen ( Lendl , WK-StPO § 393a Rz 23), und demzufolge auch nicht die Kosten des bezughabenden Beschwerdeverfahrens (OLG Wien 22 Bs 143/25b; 30 Bs 123/25w ua; OLG Linz 9 Bs 187/10d), worauf die Beschwerdeführerin mit ihrem Antrag auf Festsetzung der Kosten für die gegenständliche Beschwerde sowie Berücksichtigung bei der Festsetzung des Verteidigungskostenbeitrages zu verweisen ist.

RECHTSMITTELBELEHRUNG:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).