9Bs184/24h – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Dr. Engljähringer als Einzelrichterin in der Maßnahmenvollzugssache des A* über die Beschwerde dessen Verteidigers DI Mag. B* gegen den (Kosten-)Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 3. Juli 2024, 2 BE 14/24d-22, entschieden:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Text
In dieser Maßnahmenvollzugssache schritt Rechtsanwalt DI Mag. B* als gemäß § 61 Abs 2 StPO beigegebener Verteidiger für den Betroffenen ein (ON 12).
In der Folge beantragte er Barauslagenvergütung nach § 393 Abs 2 StPO für Fahrtkosten (39 Euro), Einholung elektronischer Aktenkopien (3x 0,42 Euro) und Ausdrucke aus dem – elektronisch geführten – Akt (35,50 Euro).
Mit dem nun angefochtenen Beschluss (ON 22) bestimmte das Erstgericht die Barauslagen im Umfang der geltend gemachten Fahrtkosten mit 39 Euro und wies das Mehrbegehren auf Barauslagenersatz auch für Abfrage- und für Ausdruckkosten ab.
Dagegen wendet sich die (als Rekurs bezeichnete) Beschwerde des Verteidigers (ON 23), die jedoch ohne Erfolg ist.
Der gemäß § 61 Abs 2 StPO bestellte Verfahrenshilfeverteidiger hat keinen Honoraranspruch (EvBl-LS 2017/39, Anm Ratz ; Kirchbacher StPO 15 § 61 Rz 13); als Abgeltung für die von ihm erbrachten Leistungen erhält vielmehr der C* vom Bund jährlich eine durch Verordnung des BMJ (im Einvernehmen mit dem BMF und dem Hauptausschuss des Nationalrats) festgelegte Pauschalvergütung (§ 47 RAO). Dem Verfahrenshilfeverteidiger sind aber auf sein Verlangen die nötig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen vom Bund zu ersetzen (§ 393 Abs 2 erster Satz StPO). Welche Auslagen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren nötig waren, hat das Gericht zu entscheiden ( Lendl , WK-StPO § 393 Rz 8 f mwN; RIS-Justiz RS0101355).
Ob Abfragekosten für den Dokumenten-Download des elektronischen Akts im Rahmen des § 393 Abs 2 StPO zu vergüten sind, wird – vor dem Hintergrund der allgemein eher kasuistischen Abgrenzung zwischen ersatzfähigen Barauslagen und nicht ersatzfähigen Sowieso-Kosten und Fixkosten einer Anwaltskanzlei – bundesweit bislang nicht einheitlich judiziert.
Als (vom Gesetz nicht ausdrücklich definierte) Barauslagen zu verstehen sind echte Ausgaben (Gerichts- und sonstige Gebühren, Auslandsporti etc), also variable Kosten, die auftragsabhängig konkret als zusätzlicher Aufwand anfallen ( Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 3.30). Es handelt sich dabei um Ausgaben, die der eigenen Partei entstanden sind, oder die der Rechtsanwalt bei Erbringung seiner Leistungen vorgestreckt hat und an den Mandanten weiterverrechnet werden ( Hofer-Zeni Rechtsanwaltstarif Rz 68).
§ 16 RATG verankert das Prinzip des Barauslagenersatzes flankierend zu § 23 Abs 1 und Abs 3 RATG und thematisiert damit die Ersatztauglichkeit anwaltlicher Barauslagen neben der Abgeltung durch den Einheitssatz (welcher primär Kosten von Nebenleistungen abdecken soll, die bloß Klein- und Kleinstbeträge betreffen oder die der Kanzleiinfrastruktur zuzurechnen sind [ Ziehensack Kostenrecht Rz 1115 und Rz 1200; zahlreiche Rspr-Beispiele hierfür bei Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 3.11 Fn 2710]).
Der Passus „soweit § 23 nichts anderes bestimmt“ bedeutet zunächst, dass sämtliche, nicht in TP 5, TP 6 oder TP 8 RATG geregelten Kosten, also uU auch für Aktenkopien oder das Einscannen und Ausdrucken von Urkunden, gesondert zu vergüten wären. Demgegenüber können aber Sowieso-Kosten und Fixkosten des Anwalts begrifflich nie Barauslagen sein, wären doch sonst auch Kanzleimiete, Kosten der Arbeitskräfte, der EDV-Anlage und anderer technischer Geräte, Kammerbeiträge, Strom- und Internet-Kosten uam, die betriebswirtschaftlich echter Aufwand in beträchtlichem Ausmaß sind, Auslagen nach §§ 16, 23 Abs 3 RATG, was dem Gesetz keinesfalls zuzusinnen ist ( Thiele Anwaltskosten 4 § 16 RATG Rz 1 ff mN; Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 3.31; Hofer-Zeni Rechtsanwaltstarif Rz 86; Ziehensack Kostenrecht Rz 1138: „Kanzlei-Overhead“). Mit dem angeordneten Barauslagenersatz sollen vielmehr bloße „Durchlaufpositionen“ – was unstrittig etwa auch auf Fahrt- und Dolmetscherkosten ( Lendl , WK-StPO § 393 Rz 10 und Rz 14; Ziehensack Kostenrecht Rz 1117) sowie die Kosten verschiedener Online-Abfragen bei anderen Behörden (vgl Bsp bei Hofer-Zeni Rechtsanwaltstarif Rz 82 aE) zutrifft – erfasst werden. Dadurch solle aus dem Blickwinkel der beruflichen Parteienvertreter:innen nach Art eines „Null-Summen-Spiels“ im Ergebnis erreicht werden, dass den Betreffenden kein Schaden aus ihrer Tätigkeit entsteht, sie daraus aber auch kein gesondertes „Körberlgeld“ lukrieren; dies gelte es bei der Auslegung der Bestimmungen über den Auslagenersatz zu berücksichtigen ( Ziehensack Kostenrecht Rz 1116). Deshalb ist der Begriff „Auslagen“ in § 16 RATG grundsätzlich einschränkend zu interpretieren und erfasst nur Kosten, die nicht mit dem Kanzleiaufwand des Rechtsanwalts zusammenhängen (OLG Wien 15 R 144/21p; Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 3.30 mH).
So sind – vice versa in extensivem Verständnis des § 23 Abs 1 RATG ( Ziehensack Kostenrecht Rz 1117) – nach nunmehr überwiegender Rechtsprechung kanzleiinterne Kopier- und Druckkosten keine ersatztauglichen „anderen Auslagen“ iSd § 16 RATG, sondern Sachaufwand des Rechtsanwalts und mit der für seine Leistungen gebührenden Verdienstsumme im Rahmen des Einheitssatzes mit abgegolten (RIS-Justiz RS0122433; Thiele Anwaltskosten 4 § 16 RATG Rz 15 mzN und § 23 RATG Rz 2 aE; Hofer-Zeni Rechtsanwaltstarif Rz 86 ff; Ziehensack Kostenrecht Rz 1125 und Rz 1131; vgl zB auch OLG Wien 20 Bs 268/23t; OLG Graz 10 Bs 293/23y; OLG Linz 8 Bs 156/24h; OLG Innsbruck 11 Bs 201/19z; OLG Innsbruck 6 Bs 116/19p).
Gleichermaßen verneint wird inzwischen auch die Frage, ob für Telefonate und die Nutzung des Internets, zB das Versenden von Mails, neben den im RATG vorgesehenen Honoraren nach TP 5, TP 6 und TP 8 noch zusätzliche Barauslagen verrechnet werden können, zumal ein Internet-Anschluss längst zur Standardausrüstung einer Rechtsanwaltskanzlei gehört. Die frühere Praxis, zählbare Telefoneinheiten als Barauslagen dem Kunden vorzuschreiben, ist aufgrund der mittlerweile üblichen Telefon- und Internetpauschalen ohnehin kaum mehr möglich. Typischerweise mit der digitalen Kanzleikommunikation verbundene Aufwendungen (im Zusammenhang mit Telefaxsendungen oder Übermittlungen per elektronischer Mail, Telefon- und Fernsprechgebühren, Mobil- und Internettarife, ISDN-Anschluss, Internetbreitband-Verbindung, Internet-Acces-Gebühr, Internet-Datenvolumen, Kosten des webERV-Anschlusses etc) werden daher ganz überwiegend als nicht barauslagenersatzfähige, sondern von § 23 Abs 1 RATG abgedeckte Kanzlei-Fixkosten angesehen, die ebensowenig auf den einzelnen Klienten abwälzbar sind wie anteilige Aufwendungen für Mitarbeiter, Geräte, Strom, Druckerpapier, Toner uvm ( Hofer-Zeni Rechtsanwaltstarif Rz 83 f; Ziehensack Kostenrecht Rz 1117, Rz 1138 und Rz 1204).
Nichts anderes kann aber, wie das Erstgericht unter Hinweis auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Linz 9 Bs 4/24p (= RIS-Justiz RL0000246) bereits ausführte, nach der auch hier vertretenen Auffassung für die Abfragekosten des Rechtsmittelwerbers im Zusammenhang mit der Einsicht in den elektronisch geführten Akt gelten: Diese Aufwendungen der Anwaltskanzlei für den technischen Zugang zu den Justiz-Datenbanken und für die automationsunterstützte Datenübertragung resultieren – vergleichbar Telefongebühren – aus dem, mit einem privaten Unternehmen autonom vereinbarten Entgelt, dessen Höhe sich gängig etwa an der Anzahl der Suchergebnisse pro Geschäftsfall oder der Downloads pro Dokument orientiert, und können für jeden Rechtsanwalt, je nachdem, welcher Übermittlungs- und Verrechnungsstelle er sich bedient, variieren oder gar nicht anfallen (näher dazu OLG Linz 9 Bs 4/24p mwN; OLG Wien 22 Bs 278/22a). Daher sind solche Abfragekosten, mögen sie auch – ähnlich dem Einzelgesprächsnachweis in der Telefonie – intern separat ausgewiesen werden, schon ihrer Art nach keine ersatzfähigen Barauslagen iSd § 393 Abs 2 StPO, sondern im Rahmen des Einheitssatzes vergüteter Kanzlei- und Regieaufwand (so auch OLG Graz 9 Bs 12/24v; OLG Linz 8 Bs 156/24h; OLG Linz 9 Bs 179/24y; in diese Richtung bereits OLG Wien 19 Bs 348/22y). Der gegenteiligen Rechtsansicht (OLG Wien 17 Bs 173/24a; OLG Wien 18 Bs 21/24f; OLG Innsbruck 7 Bs 62/24m; OLG Graz 8 Bs 121/24s mN) bleibt überdies einzuwenden, dass auch der ERV-Zuschlag nach § 23a RATG, der als Beitrag zur Kostenamortisation für die ERV-Einrichtung auf Anwaltsseite geschaffen wurde ( Ziehensack Kostenrecht Rz 1265), ebenfalls nicht als Barauslagenvergütung, sondern – ungeachtet seiner verrechnungstechnisch transparenten Zuordnung zum einzelnen Auftrag – ganz im Sinn der hier vertretenen Einschätzung explizit als Honorarbestandteil konzipiert ist (RIS-Justiz RS0126594 [T2]; Obermaier Kostenhandbuch 4 Rz 3.29; mit demselben Ergebnis Hofer-Zeni Rechtsanwaltstarif Rz 578).
Was schließlich den begehrten Ersatz von Kosten für Aktenausdrucke in der eigenen Kanzlei des Rechtsmittelwerbers angeht, wird auf die umfassend zutreffende Argumentation des Erstgerichts verwiesen. Dass dem Beschwerdeführer im Vorfeld der Anhörung am 1. Juli 2024 im D* (im Licht der für Justizanstalten seit dem Erlass des Leiters der Vollzugsdirektion vom 14. Februar 2014, AZ BMJ-VD43201/0001-VD/2014, geltenden Regelung, die Verteidigern unter näher normierten [Formal-]Voraussetzungen die Mitnahme eines tragbaren Personalcomputers zu Besprechungen im Halbgesperre gestatten) tatsächlich die Verwendung eines Notebooks/Laptos verwehrt worden wäre – was im Übrigen auch der forensischen Erfahrung dieses Beschwerdegerichts widerspräche, trägt er selbst gar nicht vor. Eine weitere Vergütungspflicht nach § 393 Abs 2 StPO wurde daher nicht ausgelöst (so bereits OLG Wien 31 Bs 25/22m; OLG Wien 22 Bs 123/22g; OLG Linz 10 Bs 234/22s uva).
Rechtsmittelbelehrung:
Rechtliche Beurteilung
BEGRÜNDUNG: