10Bs28/25f – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Wieland als Einzelrichter in der Strafsache gegen A* wegen Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers Rechtsanwalt Mag. Henrik Gießauf gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16. Jänner 2025, GZ **-156, den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.
Text
BEGRÜNDUNG:
Der mit Bescheid vom 25. Juli 2024 (ON 35.3) bestellte Verfahrenshilfeverteidiger des rechtskräftig verurteilten A* (ON 143; ON 142.1,14) beantragte am 7. Jänner 2025 (ON 154), bei Gericht eingelangt am 10. Jänner 2025, die Vergütung von Barauslagen von insgesamt EUR 144,65, bestehend aus EUR 142,80 für 204 Seiten an Kopien, EUR 0,35 an ERV-Gebühren und EUR 1,50 an Porto.
Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 156) wies das Erstgericht den Antrag zur Gänze mit der (zusammengefassten) Begründung ab, dass in Folge der elektronischen Akteneinsicht eine Kostenerstattung für Aktenkopien nicht notwendig sei und die Druckkosten als Kanzleiaufwand zu betrachten wären.
Gegen die Abweisung der geltend gemachten Kosten richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verfahrenshilfeverteidigers (ON 164.2), mit der er den Zuspruch der begehrten Barauslagen in Höhe von EUR 144,65 anstrebt. Der Beschwerdeführer argumentiert dabei mit dem Hinweis auf eine notwendig gewesene Substitution der Haftprüfungsverhandlung am 16. August 2024 durch einen anderen Rechtsanwalt, der behördlichen Untersagung der Mitnahme von Handys, Tablets und Laptops in das Halbgesperre und der Notwendigkeit eines Papieraktes für die Prozessvorbereitung mit dem Mandaten und der anschließenden Hauptverhandlung.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 393 Abs 2 StPO sind einem nach § 61 Abs 2 StPO beigegebenen Verteidiger auf sein Verlangen die nötig gewesenen und wirklich bestrittenen baren Auslagen vom Bund zu vergüten. Welche Auslagen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Verfahren notwendig waren, hat das Gericht zu entscheiden ( Lendl , WK-StPO, § 393 Rz 9). Der Verfahrenshelfer hat gemäß § 52 Abs 2 Z 1 und Abs 3 StPO Anspruch darauf, dass ihm Kopien aus dem Akt kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Die Herstellung von Kopien für dritte Personen stellt keine notwendige Vertretungshandlung dar und wird nicht vergütet ( Lendl, aaO Rz 13). Dem Beschuldigten selbst steht das Recht auf Aktenabschrift nicht zu, soweit für ihn ein Verteidiger einschreitet (§ 52 Abs 1 erster Satz letzter Halbsatz StPO). Solcherart kommt es im Fall einer Vertretung durch einen Verteidiger auch zu keiner Verdoppelung des Rechts auf eine Aktenkopie ( Fabrizy/Kirchbacher , StPO 14 § 52 Rz 1). Vom Begriff „Kopien“ sind nicht nur Kopien im körperlich-technischen Sinn, wie Ablichtungen oder andere Wiedergaben des Akteninhalts, umfasst, sondern auch die elektronische Datenübertragung (EBRV 2402 BlgNR 24. GP 7; Kirchbacher , StPO 15 § 52 Rz 1/2). Das bedeutet für einen – wie hier – elektronisch geführten Akt, dass die „Ausfolgung von Kopien“ – zulässig und ausreichend – bereits mit einer Freischaltung im Aktensystem (hier mit 6. Juni 2024, ON 1.11) bewirkt ist. Ab diesem Zeitpunkt ist für den Verfahrenshilfeverteidiger die Möglichkeit der Einsicht in den Akt mithilfe eines geeigneten mobilen elektronischen Geräts unabhängig von Zeit und Ort gewährleistet, wobei die Verpflichtung der Verteidiger, für die zur Wahrung, Verfolgung und Durchsetzung der ihnen anvertrauten Interessen notwendigen Einrichtungen, speziell im Zusammenhang mit den Anforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs (§ 89a GOG), Sorge zu tragen, ausdrücklich in § 9 Abs 1a RAO statuiert ist. Ein Kostenersatz für einen zusätzlichen Ausdruck des elektronischen Aktes auf Papier würde einerseits der ständigen Rechtsprechung, wonach eine zweite Aktenkopie eines Papierakts, die der Verteidiger beispielsweise für den Verfahrensbeholfenen herstellt, nicht zu vergüten ist (vgl Lendl , aaO § 393 Rz 13), widersprechen, andererseits der Intention, durch (nunmehr) elektronisch geführte Akten „Papierberge“ und damit auch Kosten zu vermeiden, zuwiderlaufen (siehe auch OLG Graz, 8 Bs 60/24w).
Soweit der Beschwerdeführer argumentiert, dass eine Aktenkopie für die Substitution der Haftprüfungsverhandlung notwendig gewesen wäre, wird einerseits übersehen, dass nur die dem Substituten entstandenen Barauslagen zu ersetzen wären ( Lendl , aaO § 393 Rz 12) und andererseits sowohl eine Freischaltung zur elektronischen Akteneinsicht des Substituten bzw. ein Download des elektronischen Aktes möglich gewesen wäre, sodass es sich nicht um zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendige Kosten handelt (OLG Wien, 21 Bs 403/24d).
Dem weiteren Argument, dass auch Verteidiger gehalten wären, beim Besuch von in Untersuchungshaft gehaltenen Mandanten beim Eingang des Halbgesperres Geräte, die über Mobilkommunikationsmöglichkeiten verfügen würden, wie etwa Laptops, abzugeben, ist zu entgegnen, dass die Zulässigkeit der Mitnahme derartiger Geräte im Erlass des Leiters der Vollzugsdirektion vom 14. Februar 2014, BMJVD 43201/0001-VD 2014, ausdrücklich geregelt ist. Dass der Verteidiger im konkreten Fall auch tatsächlich daran gehindert war, unter Zuhilfenahme entsprechender Geräte eine elektronische Aktenkopie in die Justizanstalt mitzunehmen, wird zudem nicht einmal substantiiert behauptet (zu alldem OLG Wien, 31 Bs 25/22m, 22 Bs 123/22g, 21 Bs 120/22h).
Auch die weitere Argumentation des Beschwerdeführers, dass die Justiz gewissenhaft arbeitenden Verfahrenshelfern die Kosten für die Anfertigung von Aktenkopien aufbürden würde, reicht zur Rechtfertigung der Notwendigkeit eines zusätzlichen Papierausdrucks von elektronisch zur Verfügung gestellten Aktenteilen nicht aus und vermag keinen Anspruch auf Barauslagenersatz zu begründen. Denn dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, dass es sich bei den Kosten für das Ausdrucken von Aktenstücken zur Herstellung eines bloßen Arbeitsbehelfs oder kanzleiinternen Handakts (etwa Kosten für Toner, Tinte, etc) ebenso wie bei den Kosten der Verrechnungsstellen (Abfragekosten [siehe OLG Graz, 9 Bs 12/24v mwN]) doch um gewöhnlichen, nicht gesondert zu ersetzenden Kanzleiaufwand, den das Bundesministerium für Justiz dem österreichischen Rechtsanwaltskammertag nach § 47 RAO im Rahmen eines pauschalen Honoraransatzes für erbrachte Verfahrenshilfeleistungen jährlich vergütet, handelt ( Lendl , aaO § 393 Rz 8; neuerlich OLG Graz, 8 Bs 60/24w).
Auch die weiteren Argumente dringen nicht durch. Für eine pflichtgemäße Verteidigung genügt es in der Regel, dem Angeklagten den Akteninhalt zu erklären und ihm gegebenenfalls im Wege eines Computers/Laptops Einsicht in die dem Verfahrenshilfeverteidiger seitens der Justiz kostenlos zur Verfügung gestellten Aktenkopien zu ermöglichen (OLG Wien, 23 Bs 55/23s, OLG Innsbruck 11 Bs 76/22x). Die Herstellung einer Aktenkopie für den Beschuldigten begründet demnach keinen Anspruch auf Vergütung von Barauslagen nach § 393 Abs 2 StPO ( Mayerhofer , StPO 5 § 393 E 28a und E 28b). Die allenfalls leichtere Durchführbarkeit von Besprechungen, hier fernab vom Computerarbeitsplatz, und Verhandlungen begründet keine Barauslagenersatzpflicht (OLG Graz, 10 Bs 293/23y; OLG Wien, 19 Bs 107/23h). Dass der Verfahrenshilfeverteidiger im konkreten Fall auch tatsächlich daran gehindert gewesen wäre, in der Hauptverhandlung etwa unter Zuhilfenahme eines Laptops auf den elektronischen Akt zuzugreifen, wurde nicht substantiiert behauptet. Zudem ist es gerichtsnotorisch, dass die Verhandlungssäle des Landesgerichts für Strafsachen Graz mit entsprechenden Anschlussmöglichkeiten ausgestattet sind.
Der angefochtene Beschluss entspricht somit der geltenden Rechtslage, weswegen der Beschwerde nicht Folge zu geben ist.
Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 89 Abs 6 StPO.