JudikaturOLG Linz

7Bs150/24v – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
28. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterin Mag. Reinberg als Vorsitzende, die Richterin Mag. Kuranda und den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A* B*wegen des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des B* gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 8. November 2024, Hv*-53, in nichtöffentlicher Sitzung entschieden:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390a Abs 2 StPO fallen dem Beschwerdeführer die durch sein erfolgloses Begehren auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens verursachten Kosten zur Last.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 16. September 2022 wurde A* B* – soweit hier von Bedeutung – des Vergehens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 30. September 2020 in C* mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Täuschung über Tatsachen unter Verwendung einer verfälschten Urkunde Mitarbeiter der Besoldungsstelle des Landes Salzburg zu Handlungen, nämlich zur Überweisung überhöhter Gehaltszahlungen für Juli 2020 bis April 2021, verleitet, die die Gemeinde C* in dem EUR 5.000,00 übersteigenden Betrag von EUR 6.306,69 am Vermögen schädigten, indem er einen durch ihn verfälschten Nachtrag zum Dienstvertrag vom 30. März 2020, nach dem er in die Entlohnungsgruppe b, Entlohnungsstufe VII/1, eingestuft wurde, übermittelte, wobei er wusste, dass dieser Nachtrag von der Salzburger Landesregierung als Aufsichtsbehörde nicht genehmigt worden war (ON 35).

Seine dagegen erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 23. März 2023, 12 Os 10/23x-4, zurückgewiesen (ON 39).

Am 17. September 2024 beantragte er unter Hinweis auf das Anerkenntnisurteil des Landesgerichts Salzburg vom 8. Februar 2024, Cga*-26, die Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 353 (Z 2) StPO. In der genannten Arbeitsrechtssache habe er die Gemeinde C* als seine ehemalige Arbeitgeberin auf Nachzahlung von Lohnansprüchen im Ausmaß von (brutto) EUR 4.839,47 – die sich aus der Differenz des im aufsichtsbehördlich genehmigten Dienstvertrag festgeschriebenen Gehalts (Entlohnungsgruppe b, Entlohnungsstufe VI/3) und des ihm aufgrund seiner Vordienstzeiten und Qualifikation tatsächlich zustehenden Gehalts (Entlohnungsgruppe b, Entlohnungsstufe VII/1) ergeben – sowie (infolge einer Klagsausdehnung) auf Abgeltung von Über- und Mehrleistungsstunden im Ausmaß von (brutto) EUR 10.160,53 geklagt. Die Beklagte habe im Zuge der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 8. Februar 2024 die gesamte Klagsforderung (EUR 15.000,00) vorbehaltslos anerkannt, woraufhin das erwähnte Anerkenntnisurteil ergangen sei. Diese Prozesserklärung umfasse die von ihm vorgebrachten rechtserzeugenden Tatsachen, wonach ihm ab 1. Juli 2020 tatsächlich ein Bruttomonatsgehalt entsprechend der Entlohnungsgruppe b, Entlohnungsstufe VII/1, zugestanden sei, wie es die Gemeindevorstehung in ihrer Sitzung vom 13. August 2020 auch (rückwirkend) beschlossen gehabt habe, und er Über- und Mehrleistungsstunden in beträchtlichem Ausmaß erbracht habe. Damit stehe nun fest, dass er nicht nur seinerzeit schon einen Rechtsanspruch auf die im Urteilsspruch als Betrugsschaden bezeichneten EUR 6.306,69 gehabt habe, sondern vielmehr sogar berechtigt gewesen gewesen wäre, einen deutlich höheren Bezug von zumindest EUR 15.000,00 zu verlangen. Das Anerkenntnis der Beklagten als Tatsachengeständnis sowie das darauf beruhende Urteil seien neue Tatsachen, die zur Erschütterung der dem Urteil vom 16. September 2022 zugrunde liegenden Tatsachen geeignet seien. Wäre nämlich damals bereits bekannt gewesen, dass die Gemeinde C* die Lohnansprüche des Wiederaufnahmewerbers anerkennt, hätte dies zwingend zur Verneinung des objektiven Schadenseintritts sowie des Bereicherungs- und des Schädigungsvorsatzes führen müssen. Zumindest hätte es die (nach dem Antragsvorbringen:) teils rechtlichen Würdigungen der Zeugin MMag. D*, auf welche sich die Sachverhaltsannahmen des Urteilsgerichts ausschließlich stützen, erheblich in Frage gestellt. Zusammenfassend wäre er richtigerweise nicht wegen schweren Betrugs sondern entsprechend seinem Geständnis wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 (Abs 2) StGB zu verurteilen gewesen (ON 49).

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht den Antrag kostenpflichtig ab. Dem Anerkenntnis der Gemeinde C* und dem darauf fußenden Urteil vom 8. Februar 2024 fehle es an der Eignung, die Tatsachengrundlage des Urteils im Strafverfahren zu erschüttern. Dieses sei nämlich (entscheidungswesentlich) davon ausgegangen, dass dem Wiederaufnahmewerber im Tatzeitraum – entgegen seiner persönlichen Überzeugung – nur ein Gehalt auf Basis des aufsichtsbehördlich genehmigten Dienstvertrags ausbezahlt hätte werden dürfen und er das auch gewusst habe, als er eine verfälschte Urkunde an die (für die Lohnauszahlung zuständige) Besoldungsstelle des Landes Salzburg übermittelt habe. Der nachträglich eingetretene Leistungsanspruch auf Basis des Anerkenntnisurteils ändere nichts an dem Eintritt eines zumindest vorübergehenden Vermögensschadens im Tatzeitraum (ON 53).

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Wiederaufnahmewerbers, mit der er (unter weitgehender Wiederholung des Antragsvorbringens) die Kassation des bekämpften Beschlusses und die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens anstrebt. Der aufsichtsbehördlich genehmigte Nachtrag zum Dienstvertrag habe zwingenden gesetzlichen Bestimmungen widersprochen, sei damit als absolut nichtig im Sinne von § 879 ABGB anzusehen und rechtsunwirksam. Demgemäß sei „die Erfüllung des Betrugstatbestandes schon in rechtlicher Hinsicht denkunmöglich, zumal es an einer vertraglichen Rechtsgrundlage für den zu Unrecht festgestellten Schadeneintritt“ mangle. Eine auch nur vorübergehende Vermögensverringerung sei vor diesem Hintergrund ausgeschlossen (ON 54).

Dem Rechtsmittel – zu dem sich die Oberstaatsanwaltschaft nicht geäußert hat – kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 353 Z 2 StPO (die in Z 1 und 3 leg cit angeführten Gründe [als Spezialfälle der Z 2, vgl Lewisch in WK-StPO § 353 Rz 1] stehen hier unzweifelhaft nicht zur Diskussion) kann der rechtskräftig Verurteilte die Wiederaufnahme des Strafverfahrens selbst nach vollzogener Strafe verlangen, wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen.

Aufgabe der Wiederaufnahme ist es, dem Verurteilten die Möglichkeit zu geben, auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel, die eine andere Beurteilung der Beweisfrage in Hinblick auf wiederaufnahmeerhebliche Merkmale möglich erscheinen lassen, das gegen ihn ergangene rechtskräftige Strafurteil zu beseitigen ( Lewisch aaO § 353 Rz 5). Tatsachen oder Beweismittel sind neu, wenn das Gericht von ihnen nicht zu einem Zeitpunkt Kenntnis erlangt hat, zu dem ihre Verwertung noch möglich war ( Lewisch aaO § 353 Rz 24; Soyerin LiK-StPO § 353 Rz 8; in RIS-Justiz RS0101229). Sie dürfen demnach in der Hauptverhandlung nicht vorgekommen sein ( Lewisch aaO § 353 Rz 30). Andernfalls gelten sie nicht mehr als neu (vgl Rohregger in Kier/Wess , HB Strafverteidigung 2 Rz 19.29).

Tatsachen im Sinne des § 353 Z 2 StPO bezeichnen strafbarkeitsrelevante reale Umstände ( Lewisch aaO § 353 Rz 34). Beweismittel ist alles, was die Wahrheit im Strafprozess zu ergründen geeignet ist. Es gilt der allgemeine strafprozessuale Beweismittelbegriff ( Lewisch aaO § 353 Rz 47).

Urteile in Zivilsachen können neue Tatsachen sein, wenn sie über Vorfragen (mit erweiterter Rechtskraftwirkung und daher auch in einer für die Strafgerichte bindenden Weise) ex tunc verbindlich absprechen, was insbesondere für Statusurteile gilt (vgl dazu die Aufzählung bei Brenn in Höllwerth/Ziehensack , ZPO-TaKom § 411 Rz 41). Im Übrigen sind sie als solche kein Grund für eine Wiederaufnahme, sondern nur die darin (allenfalls) verarbeiteten neuen Beweismittel ( Lewisch aaO § 353 Rz 40 und 43; Soyer aaO § 353 Rz 11; RohreggeraaO Rz 19.18; RIS-Justiz RS0124543). Außerdem bleibt das prozessuale Anerkenntnis eine auf die Gestaltung des Prozessrechtsverhältnisses gerichtete Prozesserklärung (9 Ob 56/09i; vgl auch Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka, ZPO 5 § 395 Rz 1, Rechberger/Simotta , Zivilprozessrecht 9Rz 700). Es entzieht zwar den Streitgegenstand (vgl RIS-Justiz RS0040064) dem Parteienstreit und (zu ergänzen: in diesem) der richterlichen Prüfung ( Rechberger/SimottaaaO Rz 699 und 702). Bindungswirkung entfaltet ein darauf beruhendes Urteil jedoch nur zwischen denselben Parteien in Bezug auf denselben Anspruch (9 ObA 205/98g, RIS-Justiz RS0041118).

Mit dem hier ins Treffen geführten arbeitsgerichtlichen Anerkenntnisurteil vom 8. Februar 2024 wurde über ein Leistungsbegehren abgesprochen. Erweiterte Rechtskraftwirkung kommt ihm nicht zu, weshalb das Urteil als solches als Wiederaufnahmegrund ausscheidet.

Damit bleibt die Frage zu prüfen, ob die Tatsache des Anerkenntnisses durch die Gemeinde C* an sich ein neues Beweismittel ist, aus dem sich die Pflicht zur Wiederaufnahme des Strafverfahrens ergibt. Das ist jedoch nicht der Fall.

Soweit es sich auf die Einstufung in die Entlohnungsgruppe b, Entlohnungsstufe VII/1 bezieht, handelt es sich nicht einmal um eine Neuerung. Denn der Umstand, dass die Gemeinde und insbesondere der diese (auch im arbeitsrechtlichen Verfahren) vertretende (§ 44 Abs 1 Z 8 der Salzburger Gemeindeordnung 2019 [GdO 2019]) damalige Bürgermeister (vgl ON 34, 3 f) bereit waren, den Beschwerdeführer zumindest nach dieser Stufe zu entlohnen, ergibt sich bereits aus dem im Wiederaufnahmeantrag zitierten (ON 49, 5) Beschluss der Gemeindevorstehung (vgl zu deren Zuständigkeit: § 43 Abs 1 Z 1 lit h GdO 2019) vom 13. August 2020. In der ursprünglichen Version des Protokolls dieser Sitzung wurde ihm sogar eine Einstufung in Entlohnungsstufe VII/2 zugebilligt (ON 14, 17v [wenn auch das angeführte Bruttomonatsgehalt um EUR 1.000,00 zu niedrig protokolliert worden war, richtigerweise hätten sich EUR 5.828,00 ergeben, vgl ON 5, 3v]) und in einer weiteren (möglicherweise [ebenfalls] verfälschten [ON 14, 7v, und ON 17, 13]) Version zumindest eine Einstufung in die Entlohnungsstufe VII/1 (mit einem Bruttomonatsgehalt von EUR 5.636,40 [ON 17, 125 f], welcher Betrag mit dem dem nunmehrigen Anerkenntnis zugrundeliegenden [EUR 5.636,98] nahezu ident ist). Beide Protokolle wurden im Rahmen der Hauptverhandlung verlesen (ON 34, 24), weshalb die durch das Anerkenntnis (lediglich) erneut dokumentierte Bereitschaft der Gemeinde zu einer Entlohnung nach dieser Einstufung kein neues Beweismittel darstellt und schon deswegen als Wiederaufnahmegrund ausscheidet.

Aber selbst wenn man von einer Neuerung ausgehen würde, trifft die Begründung des Erstgerichts zu. Für den Schuldspruch entscheidend ( Ratzin WK-StPO § 281 Rz 399) war das Wissen des Beschwerdeführers darum, dass ihm aufgrund des allseits unterfertigten und aufsichtsbehördlich genehmigten (vgl dazu: § 126 Abs 2 Sbg Gem-VBG) Nachtrags zum Dienstvertrag entgegen seiner persönlichen Einschätzung (einer dieser entsprechenden Einstufung hatte die Aufsichtsbehörde ausdrücklich die Genehmigung versagt) bloß ein Gehalt nach Entlohnungsgruppe b, Entlohnungsstufe VI/3 ausbezahlt hätte werden dürfen, und er durch Übermittlung einer verfälschten Urkunde die Auszahlung einer höheren Summe veranlasst hatte. Nachdem beim Betrug bereits eine nur vorübergehende Vermögensverringerung für einen wirtschaftlich nicht ganz bedeutungslosen Zeitraum zum Schadenseintritt führt (vgl [auf dieses Verfahren bezogen] 12 Os 10/23x = ON 39), kann das nachträgliche Anerkenntnis des der höheren Summe entsprechenden Gehaltsanspruch nichts an der (sogar:) Deliktsvollendung im Tatzeitraum ändern.

Soweit erstmals die Beschwerde argumentiert, der aufsichtsbehördlich genehmigte Nachtrag zum Dienstvertrag widerspreche gesetzlichen Bestimmungen, sei daher nichtig im Sinne von § 879 ABGB und demgemäß von Beginn an wirkungslos, spricht sie die Rechtsfrage an, ob zwingende gesetzliche Bestimmungen der im Nachtrag zum Dienstvertrag festgehaltenen Vereinbarung entgegenstehen. Dabei übersieht sie jedoch, dass Grundlagen einer Wiederaufnahme immer nur Änderungen im Tatsachenbereich sein können ( Lewisch aaO § 353 Rz 4). Was nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme sein kann, vermag auch eine Wiederaufnahme nicht zu tragen ( Lewisch aaO Vor §§ 352–363 Rz 63). Zur Korrektur von (verfahrensrechtlichen oder) materiellrechtlichen Fehlern steht dieses Instrument nämlich gerade nicht offen ( Kirchbacher, StPO 15 Vor § 352 Rz 6; Lewisch aaO Vor §§ 352–363 Rz 63; Soyer aaO Vor §§ 352 bis 363 Rz 17 f; Rohregger aaO Rz 19.7).

Tatsachen oder Beweismittel, die (dem Standpunkt des Beschwerdeführers entsprechend) den Schluss nahelegen würden, seine Einstufung in die Entlohnungsgruppe b, Entlohnungsstufe VI/3 habe im Tatzeitraum – ihn benachteiligend – dem Sbg Gem-VBG widersprochen (zur möglichen Konsequenz: RIS-Justiz RS0081810; vgl auch RIS-Justiz RS0082007 und RS0081501), lassen sich aber weder dem Wiederaufnahmeantrag noch der Beschwerde entnehmen. Denn ungeachtet des (nachträglichen) Zugestehens eines weiteren Lohnanspruchs durch die Gemeinde enthält auch das Klagsvorbringen in der Arbeitsrechtssache (abgesehen von entsprechenden Behauptungen des Beschwerdeführers) keine solchen.

Soweit von dem – als Neuerung präsentierten – Anerkenntnis (infolge der Klagsausdehnung) auch die Abgeltung von Über- und Mehrleistungsstunden umfasst ist, reicht ein Hinweis auf die darauf bezogenen Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in diesem Verfahren, wonach derartige Ansprüche überhaupt nur dann von Relevanz sein könnten, wenn der Beschwerdeführer von vornherein einen Aufrechnungswillen gehabt und diesen auch sogleich bekanntgegeben hätte. Das bloße Gegenüberstehen von Forderungen genügt insoweit nicht (ON 39 [Rz 6]).

Der Beschwerde ist daher ein Erfolg zu versagen, was die Ersatzpflicht des Beschwerdeführers auch für die Kosten dieses Rechtsmittelverfahrens zur Folge hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).