JudikaturOLG Linz

6R176/24f – OLG Linz Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
20. Februar 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Mag. Hermann Holzweber und Dr. Karin Gusenleitner-Helm in der Rechtssache der Klägerin A* GmbH , FN **, **straße **, **, vertreten durch Mag. Anatol Schürer, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Beklagte B* , KRS **, **, **, Polen, vertreten durch Burgstaller Partner Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 60.802,50 sA , über den Rekurs der Klägerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz vom 11. November 2024, Cg*-28, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten binnen 14 Tagen die mit EUR 1.878,20 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Der ordentliche Revisionrekurs ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

Die Klägerin hat ihren Sitz in C*. Sie bietet „Bausteine“ für Online-Spiele als Dienstleistungen an. Die Beklagte hat ihren Sitz in D*, Polen. Sie bietet Online-Spiele an.

Die Beklagte wollte ein Angel-Simulations-Spiel erstellen und trat daher mit der Klägerin in Kontakt. Die Klägerin wurde beauftragt, entsprechende Spiel-Bausteine zu liefern. Am 22.06.2023 legte die Klägerin ihr Angebot. In diesem Angebot hielt sie fest, dass dem gegenständlichen Vertrag ihre AGB zu Grunde gelegt werden, welche für den Fall von Streitigkeiten ausdrücklich die örtliche Zuständigkeit des sachlich zuständigen Gerichtes für den Geschäftssitz der Klägerin, sowie die Geltung österreichischen Rechts vorsehen. Die AGB können aber weder dem Angebot entnommen werden, noch beinhaltet der Mailverkehr oder das Angebot selbst einen Hinweis, wo diese abgerufen werden können. Auch gibt es keinen Nachweis, dass sie von der Beklagten abgerufen worden wären, was auch tatsächlich nicht erfolgte. Am 23.06.2023 bestätigte die Beklagte lediglich den Auftrag. Dass sie auch den AGB, auf welche im Angebot lediglich hingewiesen wurde, diesem aber nicht beigefügt waren, insbesondere einer darin enthaltenen Gerichtsstandskausel zugestimmt hätte, kann nicht festgestellt werden.

Die Beklagte hat den vereinbarten reinen Werklohn von EUR 220.000,00 bezahlt. Im Zuge der Vertragsabwicklung monierte die Beklagte mehrere Mängel und sie urgierte Verbesserung. Die Klägerin stellte der Beklagten für Zusatzleistungen einen Betrag in Höhe von EUR 60.802,50 in Rechnung, welchen sie außergerichtlich erfolglos einforderte.

Mit Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehlsvom 27.11.2023 begehrte die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von EUR 60.802,50 s.A. und brachte – soweit für das Rekursverfahren relevant – zusammengefasst vor, im Anbot sei auf Seite 3, dritter Absatz ausdrücklich festgehalten, dass die Klägerin ausschließlich zu ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen tätig werde. Da die Beklagte dem niemals widersprochen habe, seien die AGB der Klägerin Vertragsinhalt geworden. Die AGB der Klägerin seien auf ihrer Homepage unter ** sowohl in Deutsch, als auch in Englisch für jedermann einseh- und abrufbar. Da die AGB der Klägerin für den Fall von Streitigkeiten ausdrücklich die örtliche Zuständigkeit des sachlich zuständigen Gerichtes für den Geschäftssitz der Klägerin vorsähen, sei die Zuständigkeit des Landesgerichtes Linz vereinbart worden. Es seien sämtliche Voraussetzungen des Art 25 Abs 1 EuGVVO erfüllt. Die Vereinbarung sei schriftlich zustande gekommen (lit a), die Form entspräche den Gepflogenheiten, die zwischen den Parteien zustande gekommen seien (lit b) und es entspräche den Gepflogenheiten in der Softwarebranche, dass ausschließlich unter Zugrundelegung der AGB kontrahiert werde (lit c), was der Beklagten bekannt sei. Sie hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, der Klausel, wonach die AGB der Klägerin Vertragsinhalt seien, zu widersprechen. Zudem sei der Auftrag am Sitz der Klägerin im Sinne des § 905 Abs 1 ABGB, sowie im Sinne des Art 7 Z 1 lit b zweiter Absatz EuGVVO erfüllt worden.

Gegen den europäischen Zahlungsbefehl erhob die Beklagte rechtzeitig Einspruch. Im anschließenden Verfahren vor dem Erstgericht brachte die Beklagte zusammengefasst vor, sie schulde der Klägerin nichts, da die eingeforderten Leistungen noch Bestandteil des abgeschlossenen (Haupt)-Vertrages gewesen seien. Da die im Angebot erwähnten AGB der Klägerin nicht Vertragsinhalt geworden seien, sei auch das Landesgericht Linz international unzuständig. Das Angebot vom 22.06.2022 habe zwar einen allgemeinen Verweis auf die AGB der Klägerin enthalten; die AGB selbst seien aber nie vorgelegt worden. Das Angebot enthalte keinen Verweis darauf, wo die AGB abrufbar seien. Als Erfüllungsort bei Distanzdienstleistungen sei der Ort maßgeblich, für den die Dienstleistung erbracht worden sei bzw. wo sie die Gläubigerin erreiche. Das sei hier D*, Polen, und nicht C*.

Mit dem angefochtenen Beschluss sprach das Erstgericht seine internationale Unzuständigkeit aus und wies die Klage zurück.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalthinaus, legte das Erstgericht seiner Entscheidung noch weitere, auf Seite 3 der Beschlussausfertigung ersichtliche Feststellungen zu Grunde, auf welche gemäß den §§ 500a, 526 Abs 3 ZPO verwiesen wird.

In seiner rechtlichen Beurteilung setzte sich das Erstgericht ausführlich mit den einschlägigen Bestimmungen der EuGVVO samt dazu veröffentlichter Literatur und ergangener Judikatur auseinander. Es kam zum Schluss, dass einerseits die AGB der Klägerin und die darin enthaltene Gerichtsstandsklausel zwischen den Streitteilen nicht rechtswirksam vereinbart worden seien, und andererseits der Erfüllungsort in Polen liege. Die Rechtssache sei daher der inländischen Gerichtsbarkeit entzogen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Klägerin aus den Rekursgründen der unrichtigen Tatsachenfeststellung aufgrund unrichtiger Beweiswürdigung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass die Einrede der internationalen Unzuständigkeit verworfen werde; hilfsweise wird einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

In ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Beklagte, dem Rekurs der Klägerin keine Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin vertritt die Ansicht, die Beklagte hätte bereits im Einspruch im EU-Mahnverfahren die internationale Unzuständigkeit einzuwenden gehabt; da sie dies nicht gemacht habe, habe sie sich rügelos in den Streit eingelassen, wodurch die Zuständigkeit des Erstgerichts begründet worden sei.

Dabei übersieht sie, dass der Europäische Gerichtshof bereits mit Urteil vom 13. Juni 2013, C-144/12, ausgesprochen hat, dass Art 6 iVm Art 17 EuMahnVO dahin auszulegen ist, dass der Einspruch gegen den europäischen Zahlungsbefehl, in dem der Mangel der Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedsstaats nicht geltend gemacht wird, nicht als Einlassung im Sinn des Art 24 EuGVVO angesehen werden kann. Eine Begründung der Zuständigkeit des Erstgerichts durch eine rügelose Streiteinlassung der Beklagten liegt daher hier nicht vor.

2.1. Voraussetzung für das Zustandekommen einer Gerichtsstandsvereinbarung iSd Art 25 EuGVVO ist, dass die zuständigkeitsbegründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist; es soll gewährleistet sein, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht. Einer Klausel, die von den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften abweicht, müssen die Parteien tatsächlich zugestimmt haben. Die Willenseinigung ist von der Partei zu beweisen, die sich – wie hier die Klägerin – auf die zuständigkeitsbegründende Klausel beruft. Art 25 Abs 1 EuGVVO normiert Mindesterfordernisse an die vertragliche Vereinbarung, die keine Beweisregeln, sondern Wirksamkeitsvoraussetzungen darstellen. Die Voraussetzungen für die Gültigkeit von Gerichtsstandsvereinbarungen sind eng auszulegen, weil nach der Zielsetzung des Art 25 EuGVVO Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden sollen (vgl 6 Ob 120/19v mwN).

2.2. Die Klägerin – die in ihrem Rechtsmittel auf den Tatbestand des Art 25 Abs 1 lit a EuGVVO nicht mehr zurückkommt – kritisiert zwar, dass sich das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung nicht mit Art 25 Abs 1 lit b EuGVVO auseinandergesetzt habe, vermag aber nicht einmal im Rekursverfahren darzulegen, welche den Abschluss von (Gerichtsstands)Vereinbarungen betreffenden Gepflogenheiten zwischen den Streitteilen entstanden sein sollen.

2.3. Nach Art 25 Abs 1 lit c EuGVVVO kann eine Gerichtsstands vereinbarung im internationalen Handel auch in einer Form , die einem Handelsbrauch entspricht , den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten, geschlossen werden.

2.4. Die Klägerin verweist dazu darauf, dass sie in erster Instanz vorgebracht habe, dass es den Gepflogenheiten in der Softwarebranche entspreche, dass ausschließlich unter Zugrundelegung der AGB kontrahiert werde, und die Beklagte, der dies bekannt gewesen sei, jederzeit die Möglichkeit gehabt hätte, der Klausel, wonach die AGB der Klägerin Vertragsinhalt seien, zu widersprechen. Hätte das Erstgericht entsprechende Feststellungen – deren Fehlen sie als sekundären Feststellungsmangel rügt – getroffen, hätte es seine Zuständigkeit bejahen müssen, weil die in den AGB der Klägerin enthaltene Gerichtsstandsklausel Vertragsinhalt im Sinne des Art 25 Abs 1 lit c EuGVVO geworden sei.

2.5. Bei ihren Ausführungen übersieht die Klägerin jedoch, dass der behauptete Umstand, es entspräche den Gepflogenheiten in der (gemeint wohl: internationalen) Softwarebranche, dass ausschließlich unter Zugrundelegung der AGB kontrahiert werde, den Tatbestand des Art 25 Abs 1 lit c EuGVVO von vornherein nicht zu erfüllen vermag. Das von ihr erstattete Vorbringen sagt nämlich nichts darüber aus, in welcher einem internationalen Handelsbrauch entsprechenden Form in der internationalen Softwarebranche Gerichtsstandsklauseln geschlossen werden würden. Abgesehen davon hat die Klägerin nicht einmal behauptet, dass in der internationalen Softwarebranche regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet werden würden, in denen der Sitz des Dienstleisters als Gerichtsstand ausbedungen werde. Das Vorliegen einer gemäß Art 25 Abs 1 lit c EuGVVO geschlossenen Gerichtsstandsvereinbarung ist daher ebenfalls zu verneinen.

3. Weiters meint die Klägerin, der Erfüllungsort nach Art 7 EuGVVO sei hier der Sitz der Klägerin, da dort die einzelnen Softwareteile zusammengestellt worden seien. Der EuGH hat allerdings mit Urteil vom 28. Februar 2024, C-526/23, VariusSystems digital solutions GmbH gegen GR, Inhaberin des Unternehmens B G, ausgesprochen, dass Art 7 Abs 1 lit b zweiter Gedankenstrich der EuGVVO dahin auszulegen ist, dass „Erfüllungsort“ eines Vertrags über die Entwicklung und den anschließenden Betrieb einer Software, die auf die Bedürfnisse eines Bestellers ausgerichtet ist, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist als das für die Schöpfung, Erstellung und Programmierung dieser Software verantwortliche Unternehmen der Ort ist, an dem die Software den Bestellererreicht, also abgerufen und eingesetzt wird (vgl auch OGH 17.12.2024, 3 Ob 18/24d). Erfüllungsort im Sinne des Art 7 EuGVVO ist hier daher der Sitz der Beklagten in D*, Polen.

4.Soweit sich das Rechtsmittel schließlich mit den unter der bloß hypothetischen Annahme, die AGB der Klägerin würden gelten, gemachten Ausführungen des Erstgerichts beschäftigt, erübrigt sich von vornherein eine Auseinandersetzung mit den Rekursausführungen, da es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (vgl RS0002495). Daher ist lediglich der Vollständigkeit halber zur damit in Zusammenhang stehenden Tatsachenrüge anzumerken, dass sich aus dem Kontext der erstgerichtlichen Feststellungen ohnehin ergibt, dass die Beklagte am 23.6.2022 das Angebot der Klägerin angenommen hat; mit der Formulierung „Am 23.6.2023 bestätigte die beklagte Partei lediglich den Auftrag.“ wollte das Erstgericht nämlich – wenn auch sprachlich etwas unglücklich – bloß klarstellen, dass die Beklagte mit ihrer E-Mail vom genannten Tag nur dem übermittelten Anbot, nicht aber auch den dieser nicht beigefügten AGB zugestimmt hat. Auch missversteht die Klägerin die erstgerichtlichen Feststellungen, wenn sie meint, dass Erstgericht sei der Ansicht, bereits das Unterbreiten eines Anbots mache den Offerenten zum Auftragnehmer. Soweit die Klägerin die (ergänzende) Ersatzfeststellung begehrt, es sei ein Auftragsverhältnis unter Zugrundelegung der AGB der Klägerin entstanden, übersieht sie zudem, dass es sich bei der Frage, ob ein Vertrag unter Zugrundlegung von AGB zustande gekommen ist, um keine Tat- sondern um eine Rechtsfrage handelt.

5. Da sich die Rekursausführungen insgesamt als nicht stichhaltig erweisen, war dem Rekurs keine Folge zu geben.

6.Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Leistungen eines österreichischen Rechtsanwalts für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer kann nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (§ 54 Abs 1 ZPO) oder die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes allgemein bekannt ist, was aber im Falle von Polen nicht der Fall ist (vgl RS0114955). Hier hat die Beklagte zwar einen Umsatzsteuersatz von 23 % verzeichnet, ist aber eine diesbezügliche Bescheinigung schuldig geblieben. Ein Ersatz der von der Beklagten verzeichneten Umsatzsteuer kommt daher nicht in Betracht.

7.Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses liegen nicht vor, weil die Entscheidung des Rekursgerichts nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO abhing.