6R17/25z – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Senatspräsidentin Mag. Edeltraud Kraupa als Vorsitzende sowie Dr. Karin Gusenleitner-Helm und Mag. Hermann Holzweber in der Außerstreitsache der im Firmenbuch des Landesgerichtes Salzburg zu FN ** eingetragenen A* B* GmbH , **straße **, **, wegen Bestellung eines Notgeschäftsführers , über den Rekurs der Antragstellerin C* A* , geboren am **, **straße **, **, Deutschland, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 2. Dezember 2024, Fr1*-6, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.
Text
Begründung:
Die Gesellschaft wurde am 16. März 2013 im Firmenbuch eingetragen. Als Alleingesellschafter ist seither D* A* eingetragen. Dieser fungierte zunächst auch als Geschäftsführer. Seine Funktion ist aber seit 26. März 2022 gelöscht. Am 30. August 2024 ist D* A* verstorben. Derzeit ist RA E* als Geschäftsführer eingetragen, der die Gesellschaft seit 21. August 2017 selbständig vertritt.
Im Verfahren zur Eintragung des Geschäftsführers RA E* (Fr2* des LG Salzburg) wurde vom einschreitenden (österreichischen) Notar ein von der Ergänzungsbetreuerin RAin F* gefertigter Umlaufbeschluss zur Geschäftsführerbestellung vorgelegt. Das Firmenbuchgericht hat dazu – nach wie vor im Akt erliegende – Beschlüsse des AG München beigeschafft, nämlich einen Beschluss über die Bestellung von RA E* zum weiteren Betreuer ua für die „ Vertretung in gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten einschließlich Interimsverwaltung “, einen Beschluss über die Bestellung sowie einen Beschluss über die Erweiterung der Ergänzungsbetreuung durch RAin F* umfassend die „ Vertretung bei der Bestellung des vorläufigen Betreuers als weiterer Geschäftsführer der A* B* GmbH “ und die „ Geltendmachung der Rechte des Betreuten als Gesellschafter der A* B* GmbH “ (allesamt mit eigenhändiger Unterschrift der Urkundsbeamtin für die Richtigkeit der Ausfertigung und für die Bestätigung der Rechtskraft). Außerdem erliegt im Akt die Abschrift eines Beschlusses, mit welchem attestiert wird, dass die Geschäftsführerbestellung des RA E* keiner betreuungsgerichtlichen Genehmigung bedarf.
Nunmehr beantragt die Einschreiterin, sie als Treugeberin von 50 % der Geschäftsanteile, Witwe und Alleinerbin des Verstorbenen zur Notgeschäftsführerin zu bestellen. Die Gesellschaft sei seit dem Ableben des Gesellschafters vollständig führungslos, weil es keinen handlungsfähigen Gesellschafter und keine aktivlegitimierte Geschäftsführung gebe. Sie sei nicht rechtswirksam vertreten und daher beschluss- und handlungsunfähig, jedoch feindlich usurpiert. Mit dem Tod des „Z wangsbetreuten “ seien nämlich kraft Gesetzes (§ 1870 BGB) Betreuung, Gültigkeit des Betreuerausweises sowie der darauf beruhende Geschäftsführerbestellungsbeschluss erloschen. Der derzeitige Geschäftsführer sei in rechtswidrige Machenschaften rund um das Ableben und den Nachlass des Gesellschafters verwickelt. Um die Tatverdächtigen überführen zu können, brauche es die Involvierung der Salzburger Staatsanwaltschaft nach Beweissichtung und -sicherung durch Genehmigung der Notgeschäftsführung. Die Notgeschäftsführung sei auch essentiell zum Stopp von Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche, weil so der derzeit eingetragene Geschäftsführer gezwungen werde, die vollständigen Geschäftsunterlagen der Notgeschäftsführerin umgehend auszuhändigen.
Das Erstgerichtwies den Antrag ab. Die Antragstellerin unterliege einem Rechtsirrtum dahin, dass infolge des Ablebens des Betreuten alle Beschlüsse, insbesondere der Geschäftsführerbestellungsbeschluss, erloschen seien. Die bisher gesetzten Vertretungshandlungen behielten vielmehr ihre Gültigkeit. Der Eintragung des Betreuers als Geschäftsführer ins österreichische Firmenbuch sei ein umfangreiches Überprüfungsverfahren vorausgegangen. Aufgrund der Beschlüsse des AG München liege eine rechtswirksame Bestellung zum Geschäftsführer vor. Weil die Gesellschaft ordnungsgemäß vertreten sei, fehle jede Grundlage für die Bestellung eines Notgeschäftsführers (§ 15a GmbHG).
Dagegen richtet sich der Rekurs der Antragstellerin aus nicht näher bezeichneten Rekursgründen mit dem Ziel, sie in Abänderung des erstgerichtlichen Beschlusses zur Notgeschäftsführerin zu bestellen.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
1.1. Zunächst ist festzuhalten, dass die Antragstellerin als Verfahrenspartei grundsätzlich rekurslegitimiert ist (statt vieler Koppensteiner/Rüffler 3§ 15a GmbHG Rz 9; Ratkain WK GmbHG § 15a Rz 33 f; Rechberger/Klicka in Rechberger/Klicka 3§ 45 AußStrG Rz 6).
1.2.1. Weitere Voraussetzung für einen Rekurs ist das Vorliegen einer Beschwer ( Koppensteiner/Rüffler 3§ 15a GmbHG Rz 9; Ratkain WK GmbHG § 15a Rz 34), denn auch im Außerstreitverfahren ist nur derjenige rechtsmittellegitimiert, der durch die bekämpfte Entscheidung (formell oder materiell) beschwert ist (RIS-Justiz RS0006497 [T31] = RS0006641 [T20]). Formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrundeliegenden Antrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht (RIS-Justiz RS0006641 [T21]). Materielle Beschwer liegt vor, wenn die rechtlich geschützten Interessen des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt werden (RIS-Justiz RS0006641 [T23]).
In amtswegig eingeleiteten Verfahren genügt materielle Beschwer; in auf Parteiantrag eingeleiten Verfahren müssen der Antragsteller formell, andere durch die Entscheidung betroffene Personen materiell beschwert sein ( Kodek in Gitschthaler/Höllwerth 2§ 45 AußStrG Rz 50; soweit Motal/Kristin Schneider/Verweijen, § 45 AußStrG Rz 29, behaupten, nach der Rspr müsse auch in Antragsverfahren materielle Beschwer vorliegen, genügt ein Hinweis darauf, dass die dafür zitierte Entscheidung OGH 2 Ob 23/16w einen von Amts wegen gefassten Beschluss betrifft [insbes ErwGr 3. und 6.2]).
1.2.2. Zumal die angefochtene Entscheidung über Antrag ergangen ist, genügt für die Antragstellerin formelle Beschwer, die selbstredend gegeben ist. Ob sie auch materiell beschwert ist, kann dahingestellt bleiben.
2.1. Die Rekurswerberin hält die Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach das Ableben des Alleingesellschafters den Geschäftsführerbestellungsbeschluss nicht unwirksam gemacht habe, für haltlos. Zusammengefasst begründet sie das damit, dass jener Beschluss niemals rechtswirksam, sondern eine Falschbeurkundung im Amt gewesen sei. Außerdem bewirke die Aufhebung des Betreuungsbeschlusses durch § 1870 BGB, dass auch alle darauf beruhenden Folgebeschlüsse und Vollmachten eingezogen seien.
2.2.Zur Wirksamkeit der ursprünglichen Bestellung ist zu sagen, dass es keinerlei Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit gibt. Der beglaubigt unterfertigte Umlaufbeschluss über die Bestellung wurde von einem österreichischen Notar vorgelegt. Durch die oben erwähnten Beschlüsse des AG München ist nachgewiesen, dass die für den Gesellschafter einschreitende Betreuerin wirksam gerichtlich bestellt war. Dazu ist festzuhalten, dass ausländische öffentliche Urkunden in Österreich iSd § 311 Abs 2 ZPO ohne weiteres als echt gelten, wenn – wie hier aufgrund eines Staatsvertrages (BGBl 139/1924) – geregelt ist, dass es einer weiteren Beglaubigung nicht bedarf ( Wallner-Friedl in ZPO-ON § 311 Rz 2).
2.3. Der Bestellungsbeschluss wurde auch infolge des Todes des Gesellschafters nicht unwirksam. Dass die Antragstellerin die geltende Rechtslage, wonach bis zum Tod vorgenommene Rechtshandlungen der Betreuer wirksam bleiben, für „ Rechtsunsinn “ hält, ändert nichts daran, dass die Beendigung des Betreuungsverhältnisses nur pro futuro wirkt, also nur fortan von den bestellten Betreuern (grundsätzlich; vgl aber § 1874 BGB) keine Vertretungshandlungen mehr gesetzt werden dürfen. Der Wortlaut der §§ 1870 ff BGB eröffnet hingegen keine Möglichkeit zur Annahme, die lange vor dem Ableben des Gesellschafters erfolgte die Bestellung des Geschäftsführers würde mit der Beendigung des Betreuungsverhältnisses wieder „ wegfallen “. Vielmehr ist es (nach wie vor) Sache des Gesellschafters, einen Geschäftsführerwechsel herbeizuführen, wenn er das wünscht, wobei im Ablebensfall allenfalls § 1960 BGB zu beachten sein wird.
2.4.An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass § 15a GmbHG keine Handhabe bietet, einem vorhandenen Geschäftsführer die Vertretungsbefugnis zu entziehen.
3.1.Nach § 15a Abs 1 GmbHG hat das Gericht, soweit die zur Vertretung der Gesellschaft erforderlichen Geschäftsführer fehlen, diese in dringenden Fällen auf Antrag eines Beteiligten für die Zeit bis zur Behebung des Mangels zu bestellen. Zweck dieser Bestimmung ist es, die Rechtsdurchsetzung gegen die Gesellschaft auch dann zu ermöglichen, wenn keine Organe zu deren Vertretung vorhanden sind; ist die Gesellschaft hingegen rechtlich uneingeschränkt handlungsfähig, so besteht für die Bestellung eines Notgeschäftsführers kein Raum. Dem Fehlen der Geschäftsführer sind die Fälle gleichzuhalten, in denen das zur Vertretung der Gesellschaft berufene Organ zwar ausreichend besetzt ist, die Vertretung jedoch infolge Weigerung einzelner oder aller Geschäftsführer, ihr Amt zu erfüllen, lahmgelegt ist oder das Organ aus rechtlichen oder faktischen Gründen daran gehindert ist, sein Amt auszuüben, etwa bei länger andauernder Krankheit oder dauernder Abwesenheit. Die Bestellung eines Notgeschäftsführers stellt einen einschneidenden Eingriff in die Willensbildung der Gesellschaft dar. Die Voraussetzungen für die Bestellung sind daher streng auszulegen (zu alledem OGH 6 Ob 26/19w mwH). Die Notgeschäftsführerbestellung ist daher nur ultima ratio (statt vieler Ratkain WK GmbHG § 15a Rz 7).
3.2.Nach der Aktenlage besteht weder eine formelle noch eine materielle Vertretungslosigkeit der Gesellschaft, sodass die Entscheidung des Erstgerichts frei von jedem Rechtsirrtum erfolgt ist. Eine allfällige Vertretungslosigkeit des Gesellschafters ist nicht Prüfungsgegenstand im Verfahren nach § 15a GmbHG.
4.1. Insgesamt ist daher dem Rekurs kein Erfolg beschieden.
4.2.Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstandes nach § 59 Abs 2 AußStrG konnte unterbleiben, weil nicht über eine rein vermögensrechtliche Angelegenheit zu entscheiden war.
4.3.Der ordentliche Revisionsrekurs ist gemäß § 62 Abs 1 AußStrG mangels einer über den Einzelfall hinausreichenden grundsätzlichen Bedeutung der entscheidungswesentlichen Rechtsfragen nicht zulässig.
4.4.Für einen außerordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof besteht absolute Anwalts- oder Notariatspflicht (§ 6 Abs 2 AußStrG).