2R10/25s – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz als Berufungsgericht hat durch die Richter Mag. Bernhard Telfser als Vorsitzenden sowie Dr. Werner Gratzl und Mag. Christine Mayrhofer in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, Arbeiter, **, vertreten durch die Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in 1040 Wien wider die beklagte Partei B* Limited , **, Malta, vertreten durch die BRAND TALOS Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, wegen EUR 16.921,16, über die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 27. November 2024, GZ* (Berufungsinteresse EUR 1.621,52), in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es einschließlich seines unangefochten geblieben Teils (samt Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede) insgesamt wie folgt zu lauten hat:
„I. Die Einrede der fehlenden internationalen Zuständigkeit wird verworfen.
II.1.Das Klagebegehren besteht mit EUR 15.299,64 zu Recht und mit EUR 1.621,52 nicht zu Recht.
2. Die Gegenforderung der beklagten Partei besteht bis zur Höhe der Klagsforderung nicht zu Recht.
3. Die beklagte Partei ist daher schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen EUR 15.299,64 zuzüglich 4 % Zinsen seit 24. April 2024 zu bezahlen sowie die mit EUR 4.172,76 (darin EUR 562,66 USt und EUR 796,80 bar) zu ersetzen.
4. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, dem Kläger weitere EUR 1.621,52 samt 4 % Zinsen seit 24. April 2024 binnen 14 Tagen zu bezahlen, wird abgewiesen.“
Die Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 802,01 (darin 18 % USt iHv EUR 98,85 und EUR 154,00 bar) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die Revision ist jedenfalls unzulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Zwischen den Parteien ist ausschließlich die Höhe des eingeklagten Bereicherungsanspruchs des Klägers aus den bei konzessionslosen Online-Glücksspielen der Beklagten eingetretenen Spielverlusten strittig. Während der Kläger der Ansicht ist, es komme nicht darauf an, welche Eurobeträge vom Konto abgebucht worden seien, sondern was er als Spieleinsatz zu leisten gehabt habe und dass bei der Beklagten eine Bereicherung in USDollar eingetreten sei, macht die beklagte Partei geltend, es sei ausschließlich auf die abgebuchten Eurobeträge und nicht auf die in USDollar getätigten Spieleinsätze abzustellen. Der Spielverlust betrage daher nur EUR 15.299,64 und nicht die eingeklagten EUR 16.921,16.
Mit dem angefochtenen Urteilschloss sich das Erstgericht der Rechtsansicht des Klägers an und erachtete das Klagebegehren mit EUR 16.921,16 als zu Recht, hingegen die Gegenforderung der beklagten Partei als nicht zu Recht bestehend und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von EUR 16.921,16 zuzüglich 4 % Zinsen seit 24. April 2024. Seiner Entscheidung legte es die auf den S 3-4 des Urteils ersichtlichen Feststellungen zugrunde, auf die gemäß § 500a ZPO verwiesen wird. Folgende sind hervorzuheben:
„Der Kläger tätigte alle Ein- und Auszahlungen in Euro. Auf dem Spielerkonto wurden diese dann in USD umgerechnet und es wurde immer in USD gespielt. Erst bei Auszahlung wurde wiederum in EUR ausgezahlt. Dort war jeweils ein Umrechnungskurs angegeben, den der Kläger nie hinterfragte. Ob der Kläger beim Spielerkonto von USD auf EUR umstellen hätte können, ist ihm nicht bekannt, da es automatisch auf USD eingestellt war. […]
[…] Der Wechselkurs zum 20.6.2024 USD-EUR betrug 1 – 0,934, dieser Umrechnungskurs wurde zur Berechnung des Klagsbetrags herangezogen.
Stellt man nicht auf die in USD getätigten Spieleinsätze ab, sondern auf den Zeitpunkt der Einzahlung der Eurobeträge, beträgt der Verlust des Klägers nur EUR 15.299,64. […]“
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, sei im Bereicherungsrecht die beanspruchte Rückgabe in Natura unmöglich oder untunlich, sei Wertersatz nach Maßgabe des verschafften Nutzens im Zeitpunkt der Leistung zu leisten und nicht entsprechend den Schaden des Leistenden. Es komme also nicht darauf an, welche Euro-Beträge vom Konto des Klägers abgebucht worden seien, sondern was der Kläger als Spieleinsatz zu leisten gehabt habe. Die Spieleinsätze seien in USD zu erbringen gewesen. Geldschadenersatz sei stets in Euro zu leisten, weshalb Schadenersatzansprüche unechte Fremswährungsschulden seien, wenn sie aufgrund von Aufwendungen in Fremdwährung zu berechnen seien. Für die Umrechnung sei der Devisenankaufskurs heranzuziehen. Der Kläger habe nach subjektiven Verzug der Beklagten zulässiger Weise den Umrechnungskurs zum Zeitpunkt der Fälligstellung gewählt. Der Anspruch des Klägers bestehe daher sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht.
Gegen einen EUR 15.299,64 übersteigenden Zuspruch (Berufungsinteresse EUR 1.621,52) richtet sich die Berufung der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt die Abänderung im Sinne einer Reduzierung der dem Kläger zuzusprechenden Forderung auf EUR 15.299,64, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.
Der Kläger beantragt in seiner Berufungsbeantwortung die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung; auf die hier zu behandelnde Thematik wird darin mit keinem Wort eingegangen.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung, die gemäß § 480 Abs 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu behandeln war, ist berechtigt.
Der Oberste Gerichtshof hat zu einem vergleichbaren Fall erst jüngst Stellung bezogen (2 Ob 185/24f vom 12. Dezember 2024). Die maßgebliche Begründung liest sich wie folgt:
„1. Nach der Rechtsprechung sind Verträge, die zur Durchführung eines verbotenen Glücksspiels abgeschlossen werden, nichtig iSd § 879 Abs 1 ABGB. Es entsteht nicht einmal eine Naturalobligation. Der Verlierer kann die gezahlte Spielschuld zurückfordern, ohne dass dem die Bestimmungen des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB entgegenstünden, weil die Leistung nicht „zur Bewirkung“ der unerlaubten Handlung, sondern als „Einsatz“ erbracht wurde.
2. Die Nichtigkeit des Vertrags führt dazu, dass die Causa für die Vermögensverschiebung wegfällt, was grundsätzlich zur Rückabwicklung des nichtigen Rechtsgeschäfts gemäß § 877 ABGB führt – zumindest sofern sich nicht ausnahmsweise aus dem Verbotszweck die Unzulässigkeit der Kondition ergibt. Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung der Leistungen aus einem gemäß § 879 ABGB nichtigen Rechtsgeschäft ist auf den Zweck der verletzten Norm, die die Ungültigkeit des Geschäfts bewirkt, Bedacht zu nehmen. Dieser Zweck entscheidet somit, ob das aufgrund eines nichtigen Vertrags Erhaltene zurückzugeben ist. Im Hinblick auf die Zielsetzung des GSpG kann es keinem Zweifel unterliegen, dass der Gesetzgeber den Schutz der Spieler und nicht bloß die Verhinderung des Entstehens klagbarer Verbindlichkeiten bezweckt. Es hat daher eine Rückabwicklung stattzufinden.
3. Nach § 877 ABGB ist der erlangte Vorteil herauszugeben. Darunter ist zu verstehen, was in jemandes unbeschränkte Verwendungsmöglichkeit gelangt ist, gleichgültig, ob davon in der Folge ein nützlicher oder allenfalls verlustbringender Gebrauch gemacht wurde, und gleichgültig, ob davon noch ein Nutzen vorhanden ist oder nicht. Ein späterer Wegfall eines einmal eingetretenen Nutzens befreit den Bereicherungsschuldner demnach nicht. Schon durch die Einzahlung auf das Konto kommt es zu einer bewussten und zweckgerichteten Vermögensverschiebung zu Gunsten der Beklagten auf Grundlage der (unwirksamen) vertraglichen Vereinbarung zwischen ihr und dem Nutzer.
4. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Bereicherung der Beklagten bereits durch die Überweisung von Euro-Beträgen auf das „bei der Beklagten eröffnete Konto“ eingetreten ist und damit auch diese Euro-Beträge Grundlage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung sind.
Dass die Beklagte die in ihren Verfügungsbereich gelangten Euro-Beträge - möglicherweise auf Grundlage eines […] Geldwechselvertrags - umwechselte und in US-Dollar dem Spielerkonto des Klägers gutschrieb, ändert im Sinn der unter Punkt 3. dargestellten Rechtsprechung nichts an ihrer zu diesem Zeitpunkt bereits eingetretenen Bereicherung aufgrund des unwirksamen Glücksspielvertrages.
5. Wenn der Kläger argumentiert, dass Geldschadenersatz mit Eintritt der Fälligkeit in inländische Währung umzurechnen sei, übersieht er, dass diese Rechtsprechung für den vorliegenden Fall, in dem eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung zu beurteilen ist, nicht einschlägig ist. Das […] ins Treffen geführte Wahlrecht des Gläubigers, bei Verzug des Schuldners die Zahlung in der vereinbarten Fremdwährung oder in Euro zu fordern, bezieht sich auf – hier nicht vorliegende – echte Fremdwährungsschulden. Wieso § 907b Abs 2 Satz 2 ABGB in der hier zu beurteilenden Fallkonstellation analog anwendbar sein sollte, legt der Rekurs nicht einmal im Ansatz dar (mwN).“
Auch hier stützte sich der Kläger bereits in seinem Antrag auf Erlassung eines europäischen Zahlungsbefehls auf einen Rückforderungsanspruch resultierend aus einer fehlenden Konzession und damit aus einem verbotenen Glücksspiel. Er vertrat schon eingangs des Rechtsstreits die Ansicht, was auf Grundlage eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrags bezahlt worden sei, sei rückforderbar. Aufgrund der vergleichbaren Sach- und Problemlage mit 2 Ob 185/24f sind die dort darin enthaltenen Grundsätze auch für den vorliegenden Fall maßgeblich. Danach ist die Bereicherung der beklagten Partei auch hier bereits durch die Überweisung von Euro-Beträgen eingetreten und sind daher diese Euro-Beträge Grundlage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung. Nach den Feststellungen des Erstgerichts beträgt der Verlust des Klägers, wenn man nicht auf die in USD getätigten Spieleinsätze abstellt, sondern auf die eingezahlten Euro-Beträge, nur EUR 15.299,64. Nur in dieser Höhe hat der Kläger nach dem Gesagten Anspruch auf Rückabwicklung.
Der Berufung war daher Folge zu geben und der Klagszuspruch – ohne in die weiteren rechtskräftigen Aussprüche des Erstgerichts einzugreifen – auf EUR 15.299,64 zu reduzieren. Entgegenstehende Argumente seitens des Klägers finden sich in seiner Berufungsbeantwortung nicht.
Aufgrund der Abänderung des angefochtenen Urteils ist die Kostenentscheidung erster Instanz neu zu fassen. Von eingeklagten EUR 16.921,16 ist der Kläger mit EUR 15.299,64 durchgedrungen und mit EUR 1.621,52 s.A., also mit knapp weniger als 10 % des Klagsbetrags unterlegen. Dies rechtfertigt noch die Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO, das heißt also voller Kostenersatz für den Kläger auf Basis des ersiegten Klagsbetrages. Zwischen dem eingeklagten und letztlich zugesprochenen Betrag liegt ein Tarifsprung des RATG, sodass der verminderte, für den zugesprochenen Klagsbetrag heranzuziehende Basisbetrag heranzuziehen war. Die von der beklagten Partei gegen das Kostenverzeichnis des Klägers erhobenen Einwendungen blieben in erster Instanz erfolglos. Die Einwendungen der beklagten Partei betrafen zum einen verzeichnete TP 3 für den Antrag auf Erlassung eines europäischen Zahlungsbefehls sowie verzeichnete TP 2 für die Bekanntgabe des zuständigen Gerichts für das innerstaatliche Verfahren. Die beklagte Partei ließ diese Beurteilung unbekämpft. Das Berufungsgericht teilt die diesbezügliche Rechtsansicht des Erstgerichtes, sodass – wie auch schon in erster Instanz – für den Antrag auf Erlassung eines europäischen Zahlungsbefehls TP 3 RATG und für die Bekanntgabe des zuständigen Gerichts TP 2 RATG gebühren.
Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren stützt sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Der für die in Malta ansässige beklagte Partei heranzuziehende Umsatzsteuersatz beträgt gerichtsbekannt nur 18 % und konnte Umsatzsteuer nur in solcher Höhe zugesprochen werden.
Gemäß § 502 Abs 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig.