8Bs250/24g – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Mag. Reinberg als Vorsitzende und Mag. Haidvogl, BEd sowie den Richter Mag. Grosser in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 erster Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufung der Angeklagten wegen der privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr vom 18. September 2024, GZ*-13, nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Zentner, des Privatbeteiligtenvertreters Mag. B*, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten durchgeführten Berufungsverhandlung am 21. Jänner 2025 zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche dahin abgeändert, dass die Angeklagte gemäß § 369 Abs 1 verpflichtet wird, dem Privatbeteiligten C* EUR 1.000,00 Schadenersatz binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Mit seinen darüberhinausgehenden Ansprüchen wird der Privatbeteiligte gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde (soweit diese Angeklagte betreffend) A* (rechtskräftig) des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 erster Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB (I. 1.) und des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 3 erster Fall StGB (I. 2.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB sowie unter Anwendung des § 43a Abs 2 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 88 Abs 4 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, die gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung dreijähriger Probezeit bedingt nachgesehen wurde, sowie zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen a EUR 13,00, insgesamt daher EUR 1.560,00, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu 60 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe.
Zudem wurde A* gemäß § 369 Abs 1 StPO verpflichtet, dem Privatbeteiligten C* einen Schadenersatzbetrag von EUR 2.000,00 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Nach dem rechtskräftigen Schuldspruch hat A* (I.) am 30. Mai 2024 in ** grob fahrlässig (§ 6 Abs 3) unter Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt und Aufmerksamkeit, nachgenannte im von ihr gelenkten Pkw mitfahrende Personen teils schwer am Körper verletzt, indem sie ohne gültige Lenkerberechtigung, unter Einfluss von Alkohol und Antidepressiva sowie übermüdet den Pkw Seat Altea mit dem Kennzeichen ** auf der B138 von *** kommend in Richtung ** lenkte und dabei rechts von der Fahrbahn abkam und mit dem Pkw gegen die Mauer eines am Straßenrand befindlichen Gebäudes prallte,
1./ C* in Form eines notoperativ zu versorgenden Nasenbeinbruchs, eines Nasenscheidenbruchs und einer Quetschung im mittleren Nasenbereich (an sich schwere Verletzung) und
2./ D* in Form einer Zerrung der Halswirbelsäule (Schleudertrauma).
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der A* wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche (ON 12), der im spruchgemäßen Umfang Berechtigung zukommt.
Der Privatbeteiligte begehrte einen Betrag von EUR 2.000,00 aus dem Titel des Schmerzengeldes (ON 11,2) mit dem Hinweis, dass noch kein Schaden gut gemacht worden sei (ON 11,3).
Mit Urkundenvorlage vom 5. September 2024 (ON 8) wurde die Krankengeschichte des C* des Klinikums E* – soweit für dieses Verfahren relevant (ON 8,9 ff) – über die stationäre Behandlung und die ambulanten anschließenden Kontrollen zwischen 30. Mai 2024 und 10. Juni 2024 vorgelegt. Darauf aufbauend stellte das Erstgericht fest, dass der im Unfallszeitpunkt nicht angeschnallte Privatbeteiligte auf der Rückbank des von der Angeklagten gelenkten Pkw Seat Altea durch die von der Angeklagten als Lenkerin des Pkws verursachte Kollision mit der Hausecke des Objekts **platz ** in ** in Form eines Nasenbeinbruchs, eines Nasenscheidenbruchs sowie einer Quetschung im mittleren Nasenbereichs an sich schwer am Körper verletzt wurde, wobei diese Verletzung notoperativ versorgt werden musste (ON 13,4). Begründend führte es aus, dass sich die Feststellungen zur Schwere der Verletzungen aus den Angaben des Privatbeteiligten und den Urkunden ON 18 (richtig: ON 8) ergeben. Die Schwere hänge auch damit zusammen, dass der Privatbeteiligte den Gurt nicht angelegt gehabt hatte. Zur Höhe des auferlegten Schadenersatzes legte das Erstgericht in Anwendung des § 273 StPO (wohl: ZPO) dar, dass sich diese aus der bisherigen Rechtsprechung ergebe.
Rechtliche Beurteilung
Der Rechtsmitteleinwand, die zugesprochene Höhe sei nicht gerechtfertigt, ist berechtigt.
Das Schmerzengeld soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen – unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen, die Schwere der Verletzung und das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustands – in Form einer Globalbemessung abgelten. Diese erfolgt nach § 273 ZPO nach freier Überzeugung des Gerichts. Der Globalbetrag soll den Verletzten für alle körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen entschädigen, die infolge der Verletzung eingetreten, oder nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge noch zu erwarten sind. Als Berechnungshilfe können Schmerzengeldsätze – nach Tagen – differenziert nach leichten, mittleren, schweren und qualvollen Schmerzen herangezogen werden. Insofern gibt es tatsächlich von der Rechtsprechung entwickelte Richtwerte, wenngleich die Feststellung der Schmerzperioden das Gericht nicht an die mathematische Multiplikation mit den üblichen Tagessätzen bindet, diese aber doch bedeutsam sind für die Ausübung des gebundenen Ermessens, weil die Feststellung zu den erlittenen Schmerzen erst die Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO ermöglicht.
Auf Basis der zur Verfügung stehenden Verfahrensergebnisse, insbesondere des bezughabenden Arztbriefs ergibt sich zunächst, dass der Privatbeteiligte am 30. Mai 2024 wegen einer Nasenbeinfraktur mit Septumfrakturen und Septumhämatom behandelt wurde, wobei an diesem Tag eine Nasenbeinaufrichtung samt Septumplastik durchgeführt wurde; zudem erfolgte eine begleitende medikamentöse Therapie (Clavamox für fünf Tage, Voltaren Rapid max. einmal täglich; Novalgin Tropfen bei Schmerzen max. drei mal täglich sowie Paracetamol 500 mg bei Schmerzen max. drei mal täglich); ebenso ein Schneutzverbot bis zur Kontrolle und die Empfehlung körperlicher Schonung für zehn Tage (ON 8.3). In weiterer Folge fand wie geplant am 4. Juni 2024 eine Kontrolle, jedoch noch kein Gipswechsel im Klinikum statt, weil dieser Gips noch gut anliegend fest saß. Festgehalten wurde auch, dass der Patient nun über leichte Schmerzen berichte und ansonsten beschwerdefrei sei (ON 8,9).
Bei einer weiteren Kontrolle am 10. Juni 2024 wurde der Patient als subjektiv beschwerdefrei beschrieben. Nähte und Schienen sowie Gips wurden entfernt und in weiterer Folge lediglich eine Nasensalbe verordnet (abermals ON 8,9).
Da vom Erstgericht nicht näher dargelegt, insbesondere aber auch keine Form eines indizierten Mitverschuldens nach § 1304 ABGB berücksichtigend, obwohl die – unvertretene - Angeklagte der Sache nach erkennbar einen solchen Einwand mehrfach erhoben hatte (vgl ON 2.5,4 und zuletzt ON 11,3) sowie korrespondierende Urteilskonstatierungen zu jedenfalls einer Obliegenheitsverletzung (vgl RIS-Justiz RS0022681 mwN) des Privatbeteiligten im Sinne des § 106 Abs 2 KFG (mit Relevanz für Schmerzengeldansprüche; vgl 2 Ob 130/21p, 2 Ob 99/14v) getroffen wurden, ist die Ausübung dieser Ermessensentscheidung des Gerichts nicht hinsichtlich des durch § 273 Abs 1 ZPO eingeräumten Ermessensspielraums überprüfbar.
Allerdings kann von den verfügbaren Verfahrensergebnissen im Strafverfahren ausgehend (vgl ON 8) festgehalten werden, dass für den Zeitraum des stationären Aufenthalts, beginnend mit der durchgeführten Operation ohne weiteres zumindest von einem Tag starker sowie zwei Tagen mittelstarker Schmerzen; in weiterer Folge bis inklusive 9. Juni 2024 weiteren acht Tagen leichten Schmerzen ausgegangen werden kann. Selbst bei einem wie im angefochtenen Urteil angenommenen adäquaten Betrag von EUR 2.000,00 kann daher insbesondere auch unter Zugrundelegung eines nicht gesamthaft beurteilbaren Mitverschuldens nur ein anteilsmäßiges Schmerzengeld von EUR 1.000,00 zugesprochen werden.
Insofern erweist sich die Berufung der Angeklagten gegen die Höhe des Privatbeteiligtenzuspruchs im spruchgemäßen Umfang auch berechtigt.
Die Kostenfolge beruht auf § 390a Abs 1 StPO.