10Bs270/24p – OLG Linz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Linz hat durch die Richterinnen Dr. Henhofer als Vorsitzende und Mag. Höpfl sowie den Richter Mag. Graf in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Berufungen der Staatsanwaltschaft wegen Strafe und des Angeklagten wegen Nichtigkeit, des Ausspruchs über die Schuld, die Strafe sowie die privatrechtlichen Ansprüche, jeweils gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr vom 27. August 2024, GZ*, und die (teils implizierten) Beschwerden des A* und der Staatsanwaltschaft gegen den zugleich ergangenen Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 2 und Abs 6 StPO nach der in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Zentner sowie des Angeklagten und dessen Verteidigerin Mag. Gierer durchgeführten Berufungsverhandlung am 13. Jänner 2025
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
II. beschlossen:
Den Beschwerden wird nicht Folge gegeben.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Rechtliche Beurteilung
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der ** geborene Angeklagte A* des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (1.) und jenes der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (2.) schuldig erkannt und hiefür unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem Strafsatz des 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt. Gemäß § 369 Abs 1 StPO wurde er weiters verpflichtet, dem Privatbeteiligten B* einen Schadenersatzbetrag von EUR 700,00 binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Nach dem Schuldspruch hat er zu nachgenannten Zeiten in ** den B*
1. am 10. Jänner 2024 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die wahrheitswidrige Vorgabe, das herausgelockte Geld zum Ankauf und gewinnbringenden Verkauf von Suchtgift zu verwenden und mit Gewinnbeteiligung von EUR 200,00 zurückzubezahlen, zu einer Handlung, nämlich zur Herausgabe von Bargeld in Höhe von EUR 700,00 verleitet, die B* im genannten Betrag am Vermögen schädigte, und
2. am 19. Jänner 2024 gefährlich mit einer Verletzung am Körper bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er sinngemäß zu ihm sagte: „Ich werde dir die Zunge und die Ohren rausschneiden!“.
Mit Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO wurde aus Anlass der Verurteilung vom Widerruf der dem Angeklagten zu GZ1*, GZ2* und GZ3* je des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems gewährten bedingten Strafnachsichten abgesehen, jedoch hinsichtlich letztgenannter Entscheidung gemäß Abs 6 leg cit die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.
Gegen dieses Urteil richten sich die von der Staatsanwaltschaft wegen Strafe und vom Angeklagten wegen des Ausspruchs über die Schuld sowie die privatrechtlichen Ansprüche jeweils angemeldeten (AS 10 in ON 18) und ausgeführten Berufungen (vom Angeklagten in zulässiger Weise auch jene wegen Nichtigkeit und Strafe [RIS-Justiz RS0115811, § 467 Abs 3 StPO]), wobei der Angeklagte einen Freispruch, in eventu den Ausspruch einer Geldstrafe, weiters die Verweisung des Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg - die Anklagebehörde hingegen eine Anhebung des Strafmaßes – anstreben. Mit seiner implizierten Beschwerde gegen den nach § 494a Abs 6 StPO gefassten Beschluss wendet sich A* gegen die Verlängerung der Probezeit. Die Staatsanwaltschaft beantragt hingegen den Widerruf offener bedingter Strafnachsichten (ON 21, 24).
Die Berufungen, zu der die Oberstaatsanwaltschaft keine Stellungnahme abgegeben hat, sind nicht berechtigt.
Die erfolgversprechende Ausführung eines materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgrundes erfordert das Festhalten am gesamten im Urteil konstatierten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die methodisch fundierte Behauptung, dass das Erstgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist (RIS-Justiz RS0099810). Sofern der Berufungswerber im Rahmen der Schuldberufung (der Sache nach eine Rechtsrüge nach Z 9 lit a) Feststellungsmängel und Beweisergebnisse behauptet, die die „Ungeeignetheit der Drohung indizieren“, argumentiert er nicht auf Basis des festgestellten Sachverhalts, demnach der Angeklagte mit der Ankündigung B* die Zunge und die Ohren rauszuschneiden, willentlich einen Anschlag auf seine körperliche Unversehrtheit prognostiziert hat und dabei in der Absicht handelte, den Bedrohten in Furcht und Unruhe im Hinblick auf seine körperliche Unversehrtheit zu versetzen (US 4). Zufolge ihres Sinngehaltes und des dadurch beim Tatopfer hervorgerufenen Eindrucks hat das Erstgericht die Äußerungen als gefährliche Drohung rechtsrichtig nach § 74 Z 5 StGB - und nicht als bloß milieubedingte Unmutsäußerung – beurteilt (US 9f).
Der Schuldberufung ist vorauszuschicken, dass das Gericht die im Verfahren vorgekommenen Beweismittel in Ansehung ihrer Glaubwürdigkeit und Beweiskraft prüft und aufgrund des Ergebnisses dieses Vorgangs zur Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen entscheidender Tatsachen kommt, die es im Urteil feststellt. Die Beweismittel sind dabei nicht nur einzeln, sondern in ihrer Gesamtheit und ihrem inneren Zusammenhang zu würdigen (vgl RIS-Justiz RS0098314). In diesem Sinn gelingt es A* nicht, hinreichende Zweifel an der erstrichterlichen Beweiswürdigung und den darauf gegründeten Feststellungen zu erwecken, stützte die Erstrichterin ihre umfassenden und nachvollziehbaren Erwägungen doch auf die – als glaubwürdig befundenen - Angaben des Zeugen B* , der sowohl im Zuge seiner polizeilichen Einvernahme (ON 2.4), als auch bei seinen zeugenschaftlichen Aussagen während der Hauptverhandlung (AS 5ff in ON 10, AS 5ff in ON 18) keinen Zweifel darüber offen ließ, dass ihn der Angeklagte unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Übergabe von EUR 700,00 verleitet hat. Die belastenden Angaben des Zeugen finden zudem objektive Untermauerung im Beweisverfahren, werden seine Darlegungen doch durch vorliegende Chat-Nachrichten, in denen der Zeuge B* mehrfach den Angeklagten aufforderte, ihm EUR 700,00 zu bezahlen, anderenfalls er dessen Vater informieren werde, gestützt (AS 6ff in ON 12). Würde man den Angaben des Angeklagten folgen, wonach dieser von B* lediglich ersucht worden wäre, ihm EUR 700,00 zu leihen, wäre der Inhalt dieser Nachrichten – und das vehemente Fordern des Geldbetrages - logisch nicht ableitbar. Zudem bestätigte der Bruder des Opfers, dass er Gespräche zwischen B* und dem Angeklagten mitgehört habe, in denen es inhaltlich um die Rückzahlung eines dem Angeklagten überlassenen Geldbetrags von EUR 700,00 (und nicht etwa um die zukünftige Gewährung eines Darlehens in dieser Höhe) ging (AS 3f in ON 2.5).
Wenn hinsichtlich des inkriminierten Betrugsgeschehens (Faktum 1.) der Rechtsmittelwerber vorbringt, dass sich das Urteilsgericht – der Verantwortung des Angeklagten folgend - intensiver mit der Glaubwürdigkeit des Zeugen B* auseinandersetzen hätte müssen, sohin nicht zu der Überzeugung kommen hätte dürfen, dass es den gescheiterten Suchtgiftankauf nicht gegeben habe und dies eine Ausrede des Angeklagten darstellte, um sein Lügenkonstrukt aufrecht zu halten, ist dem zu entgegnen, dass die Erstrichterin im Zuge einer äußerst akribischen und kritischen Beweiswürdigung - festgehalten auf den Seiten vier bis inkl. sieben der Urteilsausfertigung - nachvollziehbar argumentierte, warum sie der Verantwortung des Angeklagten im Gegensatz zu den belastenden Angaben des Zeugen B* keinen Glauben schenkte. Die Argumentation der Erstrichterin, wonach bei umfassender Betrachtung des Streitgesprächs vom 19. Jänner 2024 (ON 16.3) nur die Rückzahlung eines vom Opfer dem Angeklagten zuvor überlassenen Geldbetrages Inhalt gewesen sein konnte (und nicht etwa die bloße Forderung des Opfers zur Gewährung eines Darlehens), ist nach logisch-empirischer Überprüfung nicht zu beanstanden. Bei Würdigung der Angaben von Personen, die das Gericht selbst vernommen hat, ist außerdem oft der persönliche Eindruck der erkennenden Richter entscheidend. Dieser unmittelbare, lebendige Eindruck, der sich auch auf das Auftreten, die Sprache, die Ausdrucksweise und die Bewegungen einer Person stützen kann, lässt sich nicht immer erschöpfend in Worte kleiden und muss daher im Urteil nicht in allen Einzelheiten dargelegt und wiedergegeben werden ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 258 Rz 27). Dass das Gericht letztlich – auch unter Verweis auf Grundsätze der allgemeinen Nachvollziehbarkeit aber auch auf die widersprüchlichen Angaben des Angeklagten - zum Ergebnis kam, dass der Angeklagte dem Zeugen einen geplanten- und gescheiterten Suchtgiftankauf bloß vorspiegelte, um ihn durch Vorgabe falscher Tatsachen zur Übergabe von EUR 700,00 zu verleiten, ist Vorgang der freien Beweiswürdigung, handelt es sich dabei doch um einen kritisch-psychologischen Vorgang, bei dem durch Subsumierung der Gesamtheit der durchgeführten Beweise in ihrem Zusammenhang unter allgemeine Erfahrungssätze logische Schlussfolgerungen zu gewinnen sind (RIS-Justiz RS0098390). Weil aber nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht zu Tatsachenfeststellungen berechtigen (vgl RIS-Justiz RS0098362; Kirchbacher, StPO 15 § 258 Rz 8), der Grundsatz „in dubio pro reo“ keine negative Beweislastregel darstellt, dieser gerade nicht bedeutet, dass sich das Gericht bei mehreren denkbaren Schlussfolgerungen durchwegs für die dem Angeklagten günstigste Variante entscheiden müsste (vgl Kirchbacher, aaO Rz 11) und die Feststellungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite, das vom äußeren Tatablauf auf den deliktspezifischen Vorsatz schloss (vgl RIS-Justiz RS0116882), nicht korrekturbedürftig waren, bleibt entgegen der Ansicht des Angeklagten kein Raum für den Zweifelsgrundsatz ( Lendl in Fuchs/Ratz, WK StPO § 258 Rz 36f), sodass der Schuldspruch Bestand hatte.
Gleiches gilt für das zu Punkt 2. festgestellte Geschehen, stützte sich das Erstgericht dabei doch aktenkonform auf die (tatsachen-)geständige Verantwortung des Angeklagten (AS 3 in ON 10, AS 5 in ON 18), die im Übrigen in einer vorliegenden Gesprächsaufzeichnung Untermauerung findet (AS 7 in ON 16.3). Weil das Erstgericht die Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tatgeschehen sowie aus den konkreten Tatumständen schlüssig und formal einwandfrei getroffen hat (US 8f), hat somit auch dieser Schuldspruch Bestand. Die Schuldberufung, die offen lässt, welche konkreten (und insbesondere relevanten) Beweise noch einer Würdigung unterzogen hätten werden sollen, geht somit auch hier ins Lehre.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die teilweise geständige Verantwortung als mildernd, erschwerend hingegen sechs einschlägige Vorstrafen und das Zusammentreffen zweier Vergehen. Schuldaggravierend wurde außerdem die Begehung der strafbaren Handlungen während drei offener Probezeiten berücksichtigt.
Damit wurde der Strafzumessungskatalog vollständig dargestellt. Die von den Rechtsmittelwerbern relevierte fehlerhafte Gewichtung der Strafzumessungsgründe ist nicht auszumachen. Bei Abwägung der Strafzumessungslage und der allgemein im Sinn des § 32 Abs 2 und Abs 3 StGB anzustellenden Erwägungen erweist sich somit bei einem zur Verfügung stehenden Strafrahmen von bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen die vom Erstgericht gefundene Sanktion von fünf Monaten Freiheitsstrafe mit Blick auf den Unrechts- und Schuldgehalt der begangenen Taten korrekt bemessen und keiner Modifikation zugänglich.
Mit einer Geldstrafe kann aufgrund des einschlägig getrübten Vorlebens des Angeklagten und vor dem Hintergrund des Umstandes, dass dieser bloß einen (in seiner Gewichtung stark zu relativierenden [RS0091488]) Milderungsgrund für sich zu generieren vermochte, nicht das Auslangen gefunden werden, würde diese Form der Sanktion doch ihren spezialpräventiven Zweck nicht erfüllen und beim Angeklagten subjektiv das Gefühl der Bagatellisierung des Vorfalles hervorrufen.
Der Zuspruch von Euro 700,00 an den Privatbeteiligten B* aus dem Titel des Schadenersatzes ist durch den Schuldspruch dem Grunde und der Höhe nach gedeckt, entspricht er doch exakt jenem monetären Schaden, welchen der Privatbeteiligte nach den erstrichterlichen Feststellungen erlitten hat.
Weil der Angeklagte nunmehr erstmals zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, bedurfte es – entsprechend der Ansicht des Erstgerichts - spezialpräventiv nicht zusätzlich eines Widerrufs offener bedingter Strafnachsichten. Durch die bloße Verlängerung der Probezeit im Verfahren GZ3* des Bezirksgerichts Kirchdorf an der Krems kann sich der Angeklagte nicht ernsthaft als beschwert erachten.