Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Berufung des Angeklagten wegen der Aussprüche über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Geschworenengericht vom 12.5.2025, GZ **-147.1, nach der am 6.11.2025 in Anwesenheit des Schriftführers RP Mag. Cvijetic, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Draschl, des Privatbeteiligtenvertreters RAA Mag. Dominik Kraft-Kinz, Kanzlei Lorenz Strobl Rechtsanwälte GmbH, des Verteidigers RA Dr. Franz Essl und des Angeklagten öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Der Berufung wird n i c h t Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil des Erstgerichts, das zudem eine rechtskräftige Verweisung einer Privatbeteiligten mit ihrem Mehrbegehren auf den Zivilrechtsweg enthält, wurde der ** geborene Angeklagte A* des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 30.10.2023 in ** den B* C* durch einen Messerstich in die rechte Halsseite, welcher einen Blutverlust aus durchtrennten venösen und arteriellen Gefäßen im Kombination mit einer hochgradigen Bluteinatmung zur Folge hatte, getötet.
Hiefür verhängte das Geschworenengericht über den Angeklagten nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe von 20 Jahren, verurteilte ihn gemäß § 366 Abs 2 erster Satz iVm § 369 (Abs 1) StPO zur Zahlung eines Betrages von EUR 668,-- an die Privatbeteiligte D* C* binnen 14 Tagen sowie gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und rechnete aktenkonform die erlittene Vorhaft gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB auf die ausgesprochene Strafe an.
Die gegen das Ersturteil ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten hat der Oberste Gerichtshof in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss vom 17.9.2025, GZ 12 Os 94/25b-4, zurückgewiesen und den Akt zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet (ON 164.3). Diese mündet in den Antrag, die Freiheitsstrafe herabzusetzen sowie den erfolgten Zuspruch an die Privatbeteiligte aufzuheben und diese mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (ON 152.2).
Die Privatbeteiligte hat keine schriftlichen Gegenausführungen eingebracht (ON 1.78), in der mündlichen Berufungsverhandlung beantragte sie, den Zuspruch zu bestätigen. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck verzichtete auf Gegenausführungen (ON 153).
Die Oberstaatsanwaltschaft vertrat in ihrer Stellungnahme vom 25.9.2025 den Standpunkt, dass der Berufung nicht Folge zu geben sein wird.
Die Berufung erweist sich als nicht berechtigt.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht die durch Suchmittelkonsum eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten sowie dessen bisherigen ordentlichen Lebenswandel, mit dem die Tat im auffallenden Widerspruch steht, mildernd. Die Tatbegehung unter Verwendung einer Waffe sowie eine verstärkte Tatbildlichkeit unter Einsatz eines außergewöhnlich hohen Ausmaßes an Gewalt wurden erschwerend berücksichtigt. Mit Blick auf diese besonderen Strafzumessungsgründe und im Lichte allgemeiner Strafbemessungserwägungen sah das Erstgericht beim heranzuziehenden Strafrahmen von zehn bis zu 20 Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe eine solche von 20 Jahren als schuld- und tatangemessen sowie tätergerecht an.
Die Strafzumessungsgründe des Erstgerichts sind zu korrigieren und ergänzen.
Mit Blick auf die unbedenklichen und schlüssigen Ausführungen der gerichtsmedizinischen Sachverständigen ist davon auszugehen, dass das Tatopfer zum Zeitpunkt des tödlichen Messerstichs (auch) wegen vorangegangenen Würgens („komprimierende Gewalteinwirkung gegen den Hals“) durch den Angeklagten bereits bewusstlos und handlungsunfähig war (ON 67.4, ON 136.1, 53ff [insb PS 55, 57, 60 und 61], ON 146, 15ff [insb PS 16, 17, 18 und 23), sodass – der Berufung zuwider – der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 2 Z 5 StGB zu Recht angenommen wurde ( Riffel in Höpfel/Ratz,WK2 StGB § 33 Rz 34/5), und überdies auch die heimtückische Tatbegehung (§ 33 Abs 1 Z 6 StGB; RiffelaaO Rz 20) an einem wehr- und hilflosen Opfer (§ 33 Abs 1 Z 7 StGB; Riffel aaO Rz 23) aggravierend zu veranschlagen sind.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichts und der Berufung liegt der besondere Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 2 StGB nicht vor. Dieser ist dem Täter nämlich nur dann zuzubilligen, wenn dieser einen bisherigen ordentlichen Lebenswandel geführt hat unddie Tat überdies mit seinem sonstigen Verhalten in auffallendem Widerspruch steht, wovon fallkonkret mit Blick auf den vom Angeklagten zugestandenen – wenngleich auch zu keiner Verurteilung geführten – jahrelangen Suchtgiftkonsum (seit Herbst 2020: ON 47.1, 7; ON 136.1, 8 und 23) nicht auszugehen ist (RIS-Justiz RS0091464). Weiters hatte die mildernd angenommene eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit infolge Suchtmittelkonsums, worauf auch die Oberstaatsanwaltschaft zutreffend hinweist, zu entfallen. Suchmittelkonsum kann nämlich regelmäßig nur deliktisch verwirklicht werden (RIS-Justiz RS0091038). Anhaltspunkte dafür, dass dem Angeklagten gegen dessen Willen Kokain und Pregabalin eingeflößt worden wären, liegen nicht vor, sondern gestand dieser selbstbestimmten Suchtmittelkonsum zu (vgl ON 47.1, 13 ff; ON 136.1, 8, 23). Darüber hinaus lässt sich dem Akteinhalt, insbesondere auch dem psychiatrischen Gutachten eine krankheitswertige Einschränkung der Schuldfähigkeit des Angeklagten nicht entnehmen, sodass auch der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 1 StGB nicht vorliegt. Von einer „erheblich beeinträchtigten Zurechnungsfähigkeit“ kann der Berufung zuwider ausgehend von den Ausführungen der psychiatrischen Sachverständigen, die auf keine wesentliche Einschränkung der Diskretions- und Dispositionsfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt hinwies (ON 136, 36 ff), nicht gesprochen werden. Daran vermögen auch die von der Berufung ins Treffen geführten unterschiedlichen Pregabalin-Werte des Angeklagten (vgl wiederum ON 136, 36ff und insbesondere PS 39, wonach die Auswirkung einer Substanz nicht am Wert, sondern ausschließlich an der Gewöhnung des Betroffenen festzumachen sei) nichts zu ändern. Insofern ist von einer Tatbegehung unter Umständen, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB), nicht auszugehen.
Weshalb sich in casu „der Erfolgs- und Handlungsunwert und Unwertgehalt vom Maß des typischen bei § 75 StGB“ nicht „abgehoben“ sowie eine „sogenannte Spontantat“ vorgelegen habe, vermag der Berufungswerber mit seinen spekulativen Ausführungen zu B* C* als „gewaltbereiten Mann aus dem Rotlichtmilieu“, der die „tätliche Auseinandersetzung vor der Tat aktiv vorangetrieben [habe]“ und dessen Ansinnen es gewesen sei, „auf Geheiß der E*“ von ihm (dem Angeklagten) „ohne Anspruchs- oder Rechtsgrundlage Gelder herauszupressen“, ohne sich jedoch damit auseinanderzusetzen, dass nach den unbedenklichen und schlüssigen Ausführungen der gerichtsmedizinischen Sachverständigen der tödliche Messerstich gegen ein bereits handlungsunfähiges Opfer geführt wurde, nicht nachvollziehbar aufzuzeigen. Inwiefern bei diesen Beweisergebnissen eine Tatbegehung unter Umständen, die dem Rechtfertigungsgrund der Notwehr nahekommen (§ 34 Abs 1 Z 11 StGB), vorgelegen haben soll, erschließt sich dem Berufungsgericht nicht. Sofern die Strafberufung überdies mit einer „Affekttat“ argumentiert, wendet sie sich in Wahrheit unzulässig gegen den bereits rechtskräftigen Schuldspruch und verkennt überdies, dass nicht jede heftige Gemütsbewegung anlässlich der Tatausführung mildernd iSd § 34 Abs 1 Z 8 StGB wirkt, sondern vielmehr nur eine solche, die zugleich auch allgemein begreiflich ist ( RiffelaaO § 34 Rz 20; vgl auch RIS-Justiz RS0091042). Für das Vorliegen einer zwar nicht allgemein begreiflichen, aber doch heftigen Gemütsbewegung, die im Rahmen der allgemeinen Strafzumessungsgrundsätze des § 32 StGB zu berücksichtigen wäre ( Riffel aaO Rz 21), fehlen stichhaltige Anhaltspunkte.
Der letztlich angeführte Hinweis auf die Judikatur des deutschen Bundesgerichtshofs ist ohne Informationsgewinn für diese Entscheidung. Selbiges gilt für das behauptete Fehlen eines Motivs.
Ausgehend von den lediglich zu Lasten des Angeklagten korrigierten und ergänzten Strafzumessungsgründen des Erstgerichts, einem Strafrahmen von zehn bis zu 20 Jahren oder lebenslanger Freiheitsstrafe und unter Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB erweist sich die vom Erstgericht bemessene Freiheitsstrafe von 20 Jahren der Berufung zuwider keinesfalls als zu streng, sondern als schuld- und tatangemessen und reflektiert den Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat und trägt sämtlichen Aspekten der Täterpersönlichkeit wie auch präventiven Strafbemessungskriterien Rechnung, sodass sich das Berufungsgericht nicht zu einer Herabsetzung veranlasst sieht.
Auch die Berufung wegen des Ausspruchs über die privatrechtlichen Ansprüche ist nicht berechtigt.
Entgegen der Ansicht des Berufungswerbers bieten die Ergebnisse des Strafverfahrens eine ausreichende Grundlage für den bekämpften Privatbeteiligtenzuspruch an die Schwester des Getöteten D* C* sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Das Erstgericht hatte mit Blick auf das dazu erstattete Vorbringen der Privatbeteiligten (ON 126.2) keinen Zweifel daran, dass die – soweit für das Berufungsverfahren noch relevant – geltend gemachten Kosten für den Grabstein inkl Gravur der Schwester des Tatopfers entstanden sind. Gegen diese naheliegende Annahme sprechende beachtliche und nachvollziehbare Argumente bringt die Berufung nicht vor. In Anbetracht dessen hat auch das Berufungsgericht keine Zweifel an der Ersatzfähigkeit dieser auch der Höhe nach nachvollziehbaren und lebensnahen Aufwendung, die nach dem unbedenklichen Vorbringen der Privatbeteiligten im Zusammenhang mit dem Begräbnis ihres Bruders steht und vom Sozialministerium im Rahmen des Verbrechensopfergesetzes nicht ersetzt wurde.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle.
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