Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Knapp, LL.M., als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Dr. Offer und Mag. Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen 1. A* B* , 2. C* B* , 3. D* und 4. E*wegen des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB über die Berufung der Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das einzelrichterliche Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 2.7.2025, GZ **-42, nach der am 9.10.2025 in Anwesenheit des Schriftführers Rp Mag. Anwander, der Sitzungsvertreterin der Oberstaatsanwaltschaft OStA Mag. Draschl, der Angeklagten 1. A* B*, 2. C* B*, 3. D* und 4. E* sowie ihres Verteidigers RA Mag. Abwerzger öffentlich durchgeführten Berufungsverhandlung am selben Tag zu Recht erkannt:
Der Berufung wird hinsichtlich des Erstangeklagten A* B*, des Zweitangeklagten C* B* und des Drittangeklagten D* t e i l w e i s e Folge gegeben und die Höhe des einzelnen Tagessatzes beim Erstangeklagten auf EUR 15 ,--, beim Zweitangeklagten auf EUR 13 ,-- und beim Drittangeklagten auf EUR 10 ,-- angehoben, im Übrigen wird der Berufung n i c h t Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 1 StPO fallen dem Erstangeklagten A* B*, dem Zweitangeklagten C* B* und dem Drittangeklagten D* auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Entscheidungsgründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten 1. A* B*, 2. C* B*, 3. D* und 4. E* je des Vergehens des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach § 269 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Demnach haben sie am 04.12.2024 in ** die Polizeibeamten RI F* und Insp. G* mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Identitäts - feststellung des D* gehindert, indem A* B*, C* B* und E* immer wieder an den Uniformen sowie den Armen der genannten Polizeibeamten zogen und rissen sowie die genannten Beamten anrempelten und schubsten, wodurch es D* schließlich gelang, sich aus dem Festhaltegriff der beiden genannten Beamten loszureißen und zu fliehen.
Hiefür wurden über die Angeklagten nach § 269 Abs 1 erster Fall und in Anwendung des § 37 Abs 1 StGB jeweils eine Geldstrafe von 220 Tagessätzen, im Uneinbringlichkeitsfall 110 Tage Ersatzfreiheitsstrafe verhängt, die Hälfte der ausgesprochenen Geldstrafe gemäß § 43a Abs 1 StGB und hinsichtlich des Viertangeklagten auch die Rechtsfolge des Ausschlusses von der Ausführung eines Gewerbes nach § 13 Abs 1 Gewerbeordnung 1994 unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde beim Erstangeklagten mit EUR 4,--, beim Zweitangeklagten mit EUR 5,--, beim Drittangeklagten mit EUR 8,-- und beim Viertangeklagten mit EUR 4,-- bestimmt.
Während die vier Angeklagten dieses Urteil nicht bekämpft haben, hat die Staatsanwaltschaft rechtzeitig Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe hinsichtlich aller Angeklagter angemeldet (ON 39, 40) und in der Folge fristgerecht schriftlich ausgeführt. Das Rechtsmittel mündet in den Antrag, die Strafen schuld- und tatangemessen anzuheben. Vorgebracht wird zusammengefasst, dass angesichts der vorliegenden Erschwerungs- und Milderungsgründen sowie aus generalpräventiven Erwägungen jeweils strengere Strafen verhängt hätten werden müssen und werde auch beim Erst-, Zweit,- und Drittangeklagten die Höhe der verhängten Tagessätze bemängelt (ON 43).
Die Angeklagten haben keine Gegenäußerungen erstattet. Die Oberstaatsanwaltschaft vertrat in ihrer schriftlichen Stellungnahme den Standpunkt, dass die auf Strafverschärfung abzielende Berufung der Anklagebehörde im Recht sei.
Die Berufung dringt im spruchgemäßen Ausmaß durch.
Der Beantwortung der Berufung vorangestellt wird, dass das Erstgericht nachstehende Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der vier Angeklagten getroffen hat:
Der Erstangeklagte A* B*ist derzeit ohne Beschäftigung, die geplante Sommerarbeitsstelle hat er nicht antreten können - an sich war geplant, dass der Erstangeklagte im Sommer auf Reisen geht, diese Pläne haben sich aus finanziellen Gründen zerschlagen. Die Arbeitsstelle, die er dann antreten wollte, hat er tatsächlich nicht angetreten, da er mit der Firma keine Einigung bezüglich des Einkommens erzielen konnte und zudem Probleme auf persönlicher Ebene dazukamen. Ab August 2025 hat der Erstangeklagte wieder eine Beschäftigung in Aussicht. Im Winter arbeitet der Erstangeklagte saisonal als Pistenretter und verdient netto EUR 2.000,-- im Schnitt, manchmal mehr, manchmal weniger. An Vermögen besitzt der ledige Erstangeklagte, der frei von Sorgepflichten ist, einen PKW ** Baujahr 2015 und ein Motorrad, eine ** Baujahr 2018. Den Erstangeklagten treffen keine Schulden. Im Juni 2021 wurde ein Strafverfahren gegen A* B* wegen des Verdachts des Betruges nach § 146 StGB diversionell erledigt. Der Erstangeklagte ist unbescholten (ON 35).
Der Zweitangeklagte C* B* ist ebenso ledig, er arbeitet bei der Bahn als Liftangestellter im Winter, auch bei ihm ist die Stelle saisonal und hat der Zweitangeklagte seine Sommerbeschäftigung angetreten, er ist im Sommer Hirte und verdient derzeit EUR 1.700,-- im Monat netto. Er besitzt keinerlei Vermögen, ist auch nicht verschuldet und frei von Sorgepflichten.
m Jahr 2019 wurde ein Strafverfahren gegen den Zweitangeklagten C* B* wegen des Verdachts der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB diversionell erledigt und im Jänner 2021 dieses Strafverfahren endgültig eingestellt. Die Strafregisterauskunft des Zweitangeklagten C* B* weist ebenso keine Eintragungen auf (ON 36).
Der Drittangeklagte D* ist wie der Erst- und der Zweitangeklagte ledig. Er arbeitet saisonal als Kellner und ab Mai jeden Jahres als Hausmeister, angestellt beim Viertangeklagten E*. D* kann derzeit im Schnitt EUR 1.800,-- monatlich netto lukrieren. Der Drittangeklagte besitzt Wohnungseigentum an einer Wohnung, die er im Zuge der Aufstockung seines Elternhauses selbst gebaut hat, die über eine Wohnfläche von 130 m² verfügt. Aus diesem Wohnungsbau ist der Drittangeklagte verschuldet in Höhe von EUR 400.000,-- und zahlt diese Schuldenlast auch alleine zurück. Monatlich begleicht der Drittangeklagte EUR 1.000,-- auf diesen Kredit. Im Übrigen treffen den Drittangeklagten keine weiteren Schulden und besitzt er darüber hinaus kein weiteres Vermögen. Der Drittangeklagte ist frei von Sorgepflichten und strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten (ON 37).
Der Viertangeklagte E* ist verheiratet, seine Gattin ist in Teilzeit berufstätig. Im Haushalt leben drei aus der Ehe stammende gemeinsame Kinder im Alter von 6, 8 und 10 Jahren und ein weiteres Kind, von der Ehegattin des Viertangeklagten in die Ehe mitgebracht, im Alter von 15 Jahren. Der Viertangeklagte ist selbstständig tätig und betreibt als Einzelunternehmer ein Hausmeisterservice. Im Sommer stellt der Viertangeklagte den Drittangeklagten an. Aus der selbstständigen Tätigkeit kann der Viertangeklagte im Schnitt sich selbst monatlich EUR 2.000,-- netto auszahlen. Der Viertangeklagte hat das Eigentum an dem Wohnhaus, in dem er mit seiner Familie im ersten Stock auf 150 m² Wohnfläche wohnt; die Mutter des Viertangeklagten wohnt im Erdgeschoss, sie verfügt über 60 m² und hat dort das Wohnrecht. Der im Eigentum des Viertangeklagten stehende Grund ist insgesamt 700 m² groß. Im Übrigen verfügt der Viertangeklagte über einen geleasten PKW ** Baujahr 2024, der auf sein Hausmeisterservice läuft und besitzt darüber hinaus kein Vermögen. Der Viertangeklagte ist aus dem Hausbau in Höhe von EUR 320.000,-- verschuldet, wobei die monatliche Kreditrate EUR 1.000,-- beträgt. Weitere Schulden oder weitere Sorgepflichten treffen den Viertangeklagten nicht. Auch E* ist strafrechtlich noch nie in Erscheinung getreten (ON 38).
Alle vier Angeklagten sind Mitglied der Brauchtums- und Krampusgruppe „H*“, wobei die von dieser Gruppe getragenen Krampuslarven sich dadurch auszeichnen, dass sie keine Hörner haben. Die vier Angeklagten haben sich entgegen den Vorschriften der Gemeinde Identifizierungsnummern für Krampusläufe im Dezember 2024 nicht besorgt.
Bei der Strafbemessung innerhalb des ersten Strafsatzes des § 269 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu drei Jahre) wertete die Einzelrichterin bei allen Angeklagten mildernd einen bislang ordentlichen Lebenswandel (zu ergänzen: mit dem die Tat in auffallenden Widerspruch steht), weiters ihre reumütig geständige Verantwortung, die auch (wesentlich) zur Wahrheitsfindung beitrug, schließlich eine (infolge Alkoholisierung) eingeschränkte Dispositionsfähigkeit, erschwerend demgegenüber die Begehung mit Mittätern und den Umstand, dass die Widerstandshandlungen gegen zwei Beamte über einen Zeitraum von 20 Minuten gesetzt worden seien (US 10, 11).
Ausgehend davon erachtete sie die Verhängung einer Freiheitsstrafe für nicht erforderlich, um die Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten und die ausgemittelten Geldstrafen als schuld- und tatangemessen. Mit Rücksicht auf die Unbescholtenheit der Angeklagten sah die Erstrichterin überdies die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 43a Abs 1 StGB im referierten Ausmaß als gegeben. Zur Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde - unter Heranziehung der Existenzminimumtabelle 1bm - auf die Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Angeklagten und die den Viertangeklagten treffenden Sorgepflichten verwiesen. Überdies erachtete die Einzelrichterin beim Viertangeklagten E* die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 44 Abs 2 iVm § 43 Abs 1 StGB betreffend der Rechtsfolge des Ausschlusses von der Ausübung eines Gewerbes (§ 13 Abs 1 GewO 1994) als gegeben und führte dazu aus, dass dem Viertangeklagten und seiner Familie durch die gegenständliche Verurteilung die Existenzgrundlage nicht entzogen werden solle. Die Verurteilung zum Kostenersatz wurde auf die angezogene Gesetzesstelle gestützt.
Die Einzelrichterin hat die Strafzumessungsgründe vollständig und zutreffend erfasst, diese bedürfen keiner Ergänzung oder Korrektur. Ausgehend davon sowie unter besonderer Berücksichtigung allgemeiner Strafbemessungskriterien des § 32 StGB ist die ausgemittelte Geldstrafe, die einer Freiheitsstrafe von etwas mehr als drei Monaten entspricht, auch eine durchaus schuld- und tatangemessene Sanktion, die sowohl den Unrechtsgehalt der Tat als auch die personale Täterschuld ausreichend reflektiert und daher den Berufungsausführungen zuwider nicht erhöht werden muss. Mit Blick auf die Unbescholtenheit der Angeklagten stehen spezialpräventive Erwägungen weder einer - von der Berufung ohnedies nicht kritisierten - Anwendung des § 37 Abs 1 StGB noch einem Vorgehen nach § 43a Abs 1 StGB im vom Erstgericht gewählten Ausmaß entgegen, generalpräventiven Erwägungen wird durch den Vollzug eines Teils der Geldstrafen Genüge getan.
Teilweise berechtigt erweist sich demgegenüber die Berufungsforderung, die Höhe des einzelnen Tagessatzes unter Heranziehung der aktuellen Tagessatztabellen (gemeint offenbar der Existenzminimumtabelle 2025 1bm) angemessen zu erhöhen. Dieser ist zunächst voranzustellen, dass für die Bemessung der Höhe des einzelnen Tagessatzes bei der Überprüfung des Strafausspruchs durch das Rechtsmittelgericht der Zeitpunkt des Urteils erster Instanz entscheidend ist ( Lässig in Höpfel/Ratz , WK 2StGB § 19 Rz 27). Als wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des § 19 Abs 2 StGB sind, ausgehend von den Vermögensverhältnissen und Einkommensverhältnissen eines Täters und unter Berücksichtigung seiner gesetzlichen Sorgepflichten, auch seine potentiellen Verdienstmöglichkeiten zu verstehen, also auch auf jene Beträge Bedacht zu nehmen, welche der Betreffende redlich und ohne Schaden auf seine Gesundheit zu erleiden, bei aller Anspannung seiner Kräfte ins Verdienen bringen kann (RIS-Justiz RS0090039).
Nach seinen eigenen Angaben bringt der Erstangeklagte A* B*im Winter saisonal als Pistenretter ein Monatsnettoeinkommen von EUR 2.000,-- und im Sommer als Tischler ein solches von EUR 1.800,- ins Verdienen, weiters stehen ihm hierauf entfallende anteilige Sonderzahlungen zu. Seine Beschäftigungslosigkeit zum Zeitpunkt des Schlusses der Hauptverhandlung (2.7.2025) erklärte er damit, dass er sich mit einer Firma finanziell nicht habe einigen können, schließlich (nur) in seiner Heimatgemeinde eine Stelle habe antreten wollen (ON 20, 2f; 41, 2), von Erspartem lebe und von seinen Eltern unterstützt werde und ergänzte dazu in der Berufungsverhandlung „keine Lust gehabt zu haben, einer Beschäftigung nachzugehen“. Damit ist aber beim Erstangeklagten, den keine Sorgepflichten treffen, davon auszugehen, dass er durchaus bei aller Anspannung seiner Kräfte auch im Sommer 2025 ein solches Einkommen ins Verdienen bringen kann, wie in den vergangenen Jahren, nämlich netto monatlich EUR 1.800,-- (zuzüglich anteiliger Sonderzahlungen), sodass bei ihm - bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt (§ 19 Abs 2 StGB) - unter Heranziehung der Existenzminimumtabelle 1bm der Tagessatz auf EUR 15,-- zu erhöhen war.
Der Zweitangeklagte C* B*, den keine Sorgepflichten treffen, bezieht eigenen Angaben zufolge im Winter als Liftangestellter ein monatliches Nettoeinkommen von EUR 2.000,--, im Sommer als Hirte für vier Monate ein solches von netto EUR 1.700,--, hinzukommen hierauf entfallende anteilige Sonderzahlungen und für zwei Monate eine Arbeitslosenunterstützung von monatlich EUR 1.300 (ON 20, 3 bzw seine Angaben in der Berufungsverhandlung). Unter Heranziehung der Existenzminimumtabelle 1bm berechnet sich damit der täglich abschöpfbare Tagessatz zum Zeitpunkt des Urteils erster Instanz mit EUR 13,--.
Der zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung erster Instanz Sorgepflichten freie Drittangeklagte D* gab in Ergänzung seiner bereits gemachten Angaben in der Berufungsverhandlung an, im Winter vier Monaten als Kellner zuzüglich zu seinem Grundgehalt von EUR 1.600,-- weitere EUR 300,-- an Überstunden, Trinkgeld und Zulagen und im Sommer für sieben Monate als Hausmeister netto EUR 1.800,-- bis EUR 2.000,--ins Verdienen bringen zu können, wobei auch ihm hierauf entfallende anteilige Sonderzahlungen zusätzlich zustehen (BV Drittangeklagter in ON 20, 4; ON 41,3), schließlich er weiters einen Monat lang Arbeitslosenunterstützung von EUR 1.200,-- bezieht. Ausgehend davon war der einzelne Tagessatz unter Zugrundelegung der Existenzminimumtabelle 1bm die Tagessatzhöhe auf EUR 10,-- zu erhöhen. Die nunmehrige Sorgepflicht kann vom Berufungsgericht nicht berücksichtigt werden. Ihr ist allenfalls im Rahmen nachträglicher Strafmilderung Rechnung zu tragen.
Die – von der Berufung ohnedies nicht ausdrücklich kritisierte - mit EUR 4,-- bestimmte Höhe des Tagessatzes beim Viertangeklagten E* , der durchschnittlich EUR 2.000,-- monatlich aus seiner selbstständigen Tätigkeit ins Verdienen bringt, unter Berücksichtigung seiner Sorgepflichten (BV Viertangeklagter in ON 20, 5 bzw ON 41, 3) begegnet hingegen keinen Bedenken.
Damit drang die Berufung im spruchgemäßen Ausmaß durch.
Die Verurteilung zum Kostenersatz des Erst-, Zweit und Drittangeklagten ist Folge des Ausgangs des Berufungsverfahrens. Sie gründet in der angezogenen Gesetzesstelle.
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