11Bs68/25z – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Preßlaber als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*wegen des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 12.3.2025, GZ **-7, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legt A* mit - ursprünglich beim Bezirksgericht Reutte eingebrachtem (ON 5) und nunmehr ausgetauschtem (ON 1.3) - Strafantrag ein Verhalten zur Last, das sie in rechtlicher Hinsicht dem Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Fall StGB subsumiert (ON 6). Danach habe eram 22.04.2024 in ** den Polizeibeamten Insp. B* der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, dass er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung, nämlich des Vergehens der Nötigung „unter Ausnützung einer Amtsstellung nach §§ 105 Abs 1, 313 StGB“ falsch verdächtigte, obwohl er wusste (§ 5 Abs 3 StGB), dass die Verdächtigung falsch ist, indem er auf der Polizeiinspektion C* vorstellig wurde und betreffend die Amtshandlung am 19.09.2024 angab „[…] Der Beamte (gemeint Insp. B*) wurde dann handgreiflich. Er packte mich am Hals und er gab die linke Hand hinter meine Schulter. Er packte mich mit der linken Hand an meinem Hals. Dabei hatte er die Hand umschlossen und drückte leicht zu. Als der Beamte mich ergriff, war ich aus meiner Sicht ca. 1m von ihm entfernt [...]“.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies eine Einzelrichterin des Landesgerichts Innsbruck diesen Strafantrag wegen sachlicher Unzuständigkeit gemäß § 485 Abs 1 Z 1 iVm § 450 StPO mit der Begründung zurück, dass A* von der Staatsanwaltschaft Innsbruck eine verleumderische Bezichtigung eines Polizeibeamten zur Last gelegt werde, indem er dem Beamten das Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB vorgeworfen habe. Die fakultativ anwendbare Vorschrift des § 313 StGB bewirke keine Änderung des „Strafrahmens“, sodass bei Verleumdung eines Beamten deshalb nicht eine ein Jahr übersteigende Strafe drohe. Es komme auf die Strafdrohung zum Tatzeitpunkt an.
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Landesgericht Innsbruck die Fortsetzung des Strafverfahrens aufzutragen. Argumentativ wird vorgebracht, dass für die Strafdrohung der fälschlich angelasteten Straftat die fakultativ anwendbaren Strafbemessungsvorschriften der §§ 39, 313 ohne Bedeutung seien. Werde ein Beamter einer unter Ausnützung einer Amtsstellung begangenen Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB falsch verdächtigt, so werde daher nicht das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Strafsatz StGB, sondern das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Strafsatz StGB begangen, sodass grundsätzlich die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts gegeben wäre. Allerdings sehe § 29 Abs 2 StPO vor, dass die Möglichkeit der Überschreitung des Höchstmaßes der Strafe nach § 313 StGB bei der Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit zu berücksichtigen sei. Die fakultativ anwendbare Strafbemessungsregel des § 313 StGB könne sowohl die Zuständigkeit vom Bezirksgericht zum Landesgericht, als auch innerhalb dieses vom Einzelrichter zum Schöffengericht verändern. Würden wie hier die Voraussetzungen zur Straferhöhung wegen Begehung der Straftat unter Ausnützung einer Amtsstellung nach § 313 StGB vorliegen, so sei die dem Gericht nach dieser Bestimmung gegebene Möglichkeit einer Strafschärfung durch Überschreitung des Höchstmaßes der angedrohten Freiheitsstrafe um die Hälfte bei Beurteilung der sachlichen Zuständigkeit in Betracht zu ziehen. Folglich sei das Landesgericht Innsbruck sachlich zuständig (ON 8).
Rechtliche Beurteilung
Der Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, und sich der Angeklagte nicht äußerte, ist nicht berechtigt.
§ 297 Abs 1 StGB enthält zwei Strafsätze (zum Begriff und zur Abgrenzung zu jenem des Strafrahmens vgl RIS-Justiz RS0119249), deren höherer zur Anwendung kommt, wenn die fälschlich angelastete Handlung mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist. Dies ist ohne Einbeziehung einer nach § 313 StGB möglichen Strafschärfung zu beurteilen ( Nordmeyer in Höpfel/Ratz, WK 2StGB § 313 Rz 33 mwN; Zöchbauer/Bauer in Leukauf/Steininger, StGB 4§ 297 Rz 14ff). § 313 StGB ist eine fakultativ anwendbare Strafbemessungsvorschrift, die keine Änderung der Strafsätze bewirkt; wird ein Beamter einer unter Ausnützung einer Amtsstellung begangenen Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB falsch verdächtigt, so wird nicht das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Strafsatz (= zweiter Fall) StGB, sondern das Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Strafsatz (= erster Fall) StGB begangen (RIS-Justiz RS0096828), worauf im Übrigen selbst die Staatsanwaltschaft zutreffend hinweist.
Insofern die Staatsanwaltschaft aber ihre weitere Argumentation auf der Bestimmung des § 29 Abs 2 StPO aufbaut, ist ihr zu erwidern, dass zwar die sachliche Zuständigkeit durch die Anwendbarkeit des § 313 StGB - als ausdrückliche gesetzliche Ausnahme von dessen sonstiger prozessualer Unbeachtlichkeit - beeinflusst wird ( NordmeyeraaO Rz 37), fallaktuell dem Angeklagten jedoch wie dargelegt ein dem Vergehen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 erster Strafsatz StGB zu subsumierendes Verhalten zur Last liegt und er selbst dabei nicht unter Ausnützung einer Amtsstellung gehandelt hat.
Ausgehend davon hat das Erstgericht mit Blick auf § 30 Abs 1 StPO zu Recht seine sachliche Unzuständigkeit ausgesprochen, so dass die Beschwerde erfolglos blieb.