JudikaturOLG Innsbruck

6Bs215/25f – OLG Innsbruck Entscheidung

Entscheidung
05. August 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch die Richterin Dr. Klammer als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Melichar und die Richterin Mag. Obwieser als weitere Senatsmitglieder in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 2, 3 und 4 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 25.07.2025, GZ ** 107, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.

Die über A* verhängte Untersuchungshaft hat aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO fortzudauern.

Dieser Beschluss ist gemäß § 175 Abs 5 StPO in seiner Wirksamkeit durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).

Text

Begründung:

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck führte zu ** gegen den am ** geborenen A* ein Ermittlungsverfahren wegen des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 2, 3 und 4 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen.

Der Angeklagte wurde aufgrund einer gerichtlich bewilligten Festnahmeanordnung (ON 6) am 22.01.2025 festgenommen (ON 22). Über Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck (ON 1.7) und nach der gerichtlichen Einvernahme des A* im Sinn des § 173 Abs 1 StPO (ON 25) wurde über ihn mit Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 23.01.2025 (ON 27) die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO verhängt. Dieser Beschluss wie auch die Beschlüsse auf Fortdauer der Untersuchungshaft vom 06.02.2025 (ON 39), vom 05.03.2025 (ON 47) und vom 05.05.2025 (ON 75) aus dem bisherigen Haftgrund blieben unbekämpft.

Mit Anklageschrift vom 03.06.2025 legt nunmehr die Staatsanwaltschaft Innsbruck A* die Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (A. I. und C.), das Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 2, 3 und 4 zweiter Fall StGB (A. II.), das Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (B.) und die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (D.) zur Last.

Laut Anklageschrift habe A* in ** und andernorts in Österreich

A.

seine damalige Lebensgefährtin B*

I.

zu einem unerhobenen Zeitpunkt in ** kurz vor dem oder am 24.03.2021 am Körper verletzt, indem er ihr einen wuchtigen Schlag ins Gesicht versetzte, wodurch sie ein ausgeprägtes Monokelhämatom am linken Auge erlitt;

II.

im Zeitraum von zumindest Ende September 2023 bis 23.12.2024 in **, sohin länger als ein Jahr hindurch gegen sie fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er sie in regelmäßigen Angriffen, zumindest monatlich, teilweise mehrmals wöchentlich

wobei er durch die Tat eine umfassende Kontrolle ihres Verhaltens herstellte und eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkte (§ 107 Abs 3 StGB), indem er sie ständig kontrollierte, laufend in ihr Mobiltelefon Einsicht nahm, welches er ihr zudem häufig nach den von ihm gesetzten Tätlichkeiten abnahm, damit sie niemanden kontaktieren konnte, sie bei Freunden aufsuchte, wenn sie sich vereinzelt alleine mit diesen traf, wobei er ihr häufig untersagte, sich mit Freunden zu treffen und ihr verbot die Wohnung zu verlassen, zu welchem Zweck er ihr auch mehrmals ihre Kleidung zerschnitt und zerriss sowie ihr Gebiss versteckte;

B.

in der Nacht zum 08.11.2024 in ** im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit der außer Verfolgung gestellten B* (ON 1.5.) der C* fremde bewegliche Sachen in einem EUR 5.000,-- jedenfalls nicht übersteigenden Wert durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem sie die Türen zu deren Kellerabteil aus den Scharnieren hoben und daraus 5 Lampen, einen Koffer samt Kleidung, zwei Lockenstäbe, ein Glätteisen und eine Smartwatch sowie eine Matratze jeweils unerhobenen Wertes an sich nahmen.

C.

zu einem unerhobenen Zeitpunkt zwischen Anfang 2021 bis Ende Frühjahr 2022 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem außer Verfolgung gestellten D* (ON 1.25) dem E* mehrere Schläge gegen dessen Körper, insbesondere gegen dessen Gesicht versetzt, wodurch E* zumindest ein Hämatom am Auge sowie eine starke Schwellung im Kieferbereich erlitt;

D.

zu einem unerhobenen Zeitpunkt an einem unbekannten Ort in Tirol nach dem 23.12.2024 und vor dem 18.01.2025 (Einvernahme der B*) B* und F* jeweils mit der Zufügung zumindest einer Körperverletzung bedroht, indem er ihnen über G* ausrichten ließ, dass er sie aufschlitzen werde, wenn er sie erwische.

Über den gegen diese Anklageschrift eingebrachten Einspruch des Angeklagten sowie gemäß § 214 Abs 3 StPO über die Untersuchungshaft entschied das Oberlandesgericht zu 6 Bs 180/25h mit Beschluss vom 15.07.2025, wies den Einspruch ab und setzte die Untersuchungshaft betreffend die dem Angeklagten zu den Pkten A I. und II. sowie C der Anklageschrift zur Last gelegten Taten aus dem bisherigen Haftgrund fort (ON 88.3).

Am 17.07.2025 beraumte die zuständige Vorsitzende des Schöffengerichts die Hauptverhandlung für 29. und 30.09.2025 (jeweils ganztägig) an (ON 1.42).

Mit Schriftsatz vom 23.07.2025 beantragte der Angeklagte durch seinen Verteidiger die Aufhebung der Untersuchungshaft (ON 105), weil diese nunmehr mehr als sechs Monate andauere und besondere Schwierigkeiten oder ein besonderer Umfang der Ermittlungen nicht gegeben gewesen sei. Selbst unter der Annahme derartiger besonderer Schwierigkeiten oder eines besonderen Umfangs des Ermittlungsverfahrens sei die Untersuchungshaft nicht unvermeidbar gewesen. Die Hauptverhandlung sei erst für einen Zeitpunkt zweieinhalb Monate nach Rechtswirksamkeit der Anklage anberaumt worden, wobei dies offenkundig terminliche, jedoch keine verfahrensbedingten Gründe habe. Eine Vorbereitungszeit von über zwei Monaten für die Hauptverhandlung sei keinesfalls erforderlich.

Nach Durchführung einer Haftverhandlung wies die Vorsitzende des Schöffengerichtes mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss den Enthaftungsantrag ab und verwies auf die Ausführungen des Oberlandesgerichtes zu 6 Bs 180/25h sowie auf die Strafdrohung. Die seit 23.01.2025 andauernde Untersuchungshaft sei verhältnismäßig, woran auch die Bestimmung des § 178 Abs 2 StPO nichts ändere und wozu überdies auf die zahlreichen Einvernahmen von Zeugen, den langen Tatzeitraum und die Intensität des Haftgrundes verwiesen werde. Aufgrund der Erforderlichkeit umfassender Beweisaufnahmen sei die Hauptverhandlung für 29. und 30.09.2025 jeweils ganztägig anberaumt worden. Anhaltspunkte für eine Änderung von Verhältnissen seit der Entscheidung des Oberlandesgerichtes, unter denen der Angeklagte die ihm nach der dringenden Verdachtslage zur Last gelegten Taten begangen hat, seien nicht ersichtlich. Der Haftgrund sei weiterhin von einer solchen Intensität, dass ihm durch gelindere Mittel nicht begegnet werden könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Angeklagten (ON 110), die in den Antrag auf Stattgebung des Enthaftungsantrages und Aufhebung der Untersuchungshaft mündet. Neuerlich wird auf die Dauer des Ermittlungsverfahrens verwiesen. Die für 06.02.2025 anberaumte kontradiktorische Zeugeneinvernahme sei aufgrund einer Erkrankung des Richters abberaumt und erst am 26.03.2025 durchgeführt worden. Die Ermittlungen seien mit der Einvernahme der Zeugin H* am 02.05.2025 abgeschlossen gewesen. Der erteilte Erhebungsauftrag durch die Staatsanwaltschaft vom 02.05.2025 zur Einholung von Krankenunterlagen, hätte bereits unmittelbar nach der kontradiktorischen Einvernahme erfolgen können und seien die diesbezüglichen Verzögerungen nicht mit Schwierigkeiten im Ermittlungsverfahren verbunden gewesen. Auch die am 01.06.2025 erfolgte Beschuldigtenvernehmung des Opfers sei im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten nicht notwendig gewesen. Überdies sei die Anberaumung der Hauptverhandlung für einen Zeitpunkt erst nach über zweieinhalb Monaten nicht gerechtfertigt und mache die Untersuchungshaft keineswegs unvermeidbar. Eine Vorbereitungszeit von über zwei Monaten sei nicht erforderlich. Es werde auch darauf hingewiesen, dass seitens des Erstgerichtes anlässlich der Ausschreibung der Hauptverhandlung angeführt worden sei, eine Terminkoordination habe nicht stattfinden können, weil die anberaumten Termine das einzig mögliche Zeitfenster seien, um eine derartige Verhandlung durchzuführen. Daraus ergebe sich, dass dies nicht aufgrund einer lange benötigten Vorbereitungszeit oder zur Sicherstellung des Erscheinens aller Zeugen geschehen sei. Dies ergebe sich auch daraus, dass der Akt auf eine Woche vor HV-Beginn zur Vorbereitung kalendiert worden sei. Die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft sei daher nicht mehr zu rechtfertigen. Der Rechtsmittelwerber verwies dazu auf die Entscheidung 14 Os 120/10v des Obersten Gerichtshofs.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, ist nicht berechtigt.

Eine meritorische Entscheidung des Beschwerdegerichts hat diejenige des Erstgerichts nicht bloß zu beurteilen, sondern zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116421).

Das Beschwerdegericht bejaht nach wie vor den die Haft tragenden dringenden Verdacht, der Angeklagte habe die ihm zu den Punkten A. I. und II. sowie C. angelasteten Taten sowohl in objektiver als auch subjektiver Hinsicht begangen.

Zur Begründung dieses dringenden Tatverdachts in Ansehung sowohl der äußeren als auch der inneren Tatseite wird auf die Erwägungen dieses Beschwerdegerichts in der Entscheidung vom 15.07.2025 verwiesen (ON 88.3 S 10-15), wobei dieser Verdacht zu den Pkten A I. und II. sowie C der Anklageschrift als dringend eingeordnet wurde (ON 88.3 S 16). Darauf wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen identifizierend verwiesen (RISJustiz RS0124017 [T2, T3, T4]). Auch zum Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO sowie zu dessen Nichtsubstituierbarkeit durch gelindere Mittel hat das Beschwerdegericht fallbezogen bereits in der zitierten Entscheidung vom 15.07.2024 Stellung bezogen (ON 88.3 S 16-18). Diese Erwägungen treffen nach wie vor zu und wird abermals auf diese zwecks Vermeidung von Wiederholungen identifizierend verwiesen.

Eine Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 173 Abs 3 letzter Satz StPO ist dem Akteninhalt nicht zu entnehmen.

Ausgehend vom dringenden Tatverdacht des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung droht dem Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 107b Abs 4 StGB eine Freiheitsstrafe von 5 bis 15 Jahren. Mit Blick auf diese Strafdrohung und die einschlägige Vorstrafenbelastung hat der Angeklagte im Falle eines Schuldspruches mit einer empfindlichen unbedingten Freiheitsstrafe zu rechnen.

Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr ist von einer Intensität, dass ihm durch gelindere Mittel nicht beruhigend entgegengewirkt werden kann.

Eine Unverhältnismäßigkeit der seit 23.01.2025 andauernden Untersuchungshaft liegt im Hinblick auf die Bedeutung der Sache und die zu erwartende Strafe nicht vor.

§§ 9 Abs 2 und 177 Abs 1 StPO statuieren ein besonderes Beschleunigungsgebot in Haftsachen, wonach alle am Strafverfahren mitwirkenden Behörden auf eine möglichst kurze Dauer der Haft hinzuwirken haben. Eine ins Gewicht fallende Säumigkeit in Haftsachen ist demnach auch ohne Verletzung des § 173 Abs 1 zweiter Satz StPO grundrechtswidrig im Sinne einer Verletzung der §§ 9 Abs 2 iVm 177 Abs 1 StPO ( Kier in Fuchs/Ratz , WKStPO § 9 Rz 49; Kirchbacher/Rami in Fuchs/Ratz , WKStPO § 177 Rz 2). Ein Verstoß gegen das besondere Beschleunigungsgebot in Haftsachen bewirkt aber nicht ohne weiteres den Anspruch auf sofortige Enthaftung. Ein solcher ist vielmehr gemäß § 9 Abs 2 StPO, aber auch nach Art 5 Abs 3 zweiter Satz MRK und Art 5 Abs 1 PersFrSchG nur bei einer unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer gegeben (13 Os 77/16x; 12 Os 38/21m, 39/21h; RISJustiz RS0120790 [insb T13 und T15]; Kirchbacher/Rami , aaO § 176 Rz 16, § 177 Rz 5 f; Kier , aaO Rz 52).

Nach § 178 Abs 2 StPO darf die Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus nur dann aufrecht erhalten werden, wenn dies wegen besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Ermittlungen – bezogen auf jene Tatvorwürfe, hinsichtlich derer die Verdachtslage als dringend und damit haftbegründend eingestuft wird ( Kirchbacher/Rami, aaO § 178 Rz 11f mwN) - im Hinblick auf das Gewicht des Haftgrundes unvermeidbar ist. Der Lauf dieser Frist beginnt mit der Verhängung der Untersuchungshaft, sie gilt bis zum Beginn der Hauptverhandlung (RISJustiz RS0125949).

Solcherart ist der genannten Norm keine Grundlage dafür zu entnehmen, dass ein Beschuldigter bei einem Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot in Haftsachen nach dem Überschreiten der Sechsmonatsfrist jedenfalls zu enthaften sei (12 Os 38/21m, 39/21h; Kier, aaO Rz 52).

Die Bejahung oder Verneinung der im § 178 Abs 2 StPO normierten Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus fällt in den Bereich des gebundenen Ermessens (14 Os 120/10v; 14 Os 109/12d; 14 Os 53/20f; 12 Os 38/21m, 39/21h; RISJustiz RS0121605 [T4]). Bei dieser (Ermessens-) Entscheidung sind die genannten gesetzlichen Kriterien stets unter Beachtung der konkreten Umstände des Einzelfalls (vgl Kier, aaO § 9 Rz 24, 32) zu gewichten und beim Werturteil der Vermeidbarkeit oder Unvermeidbarkeit der fristübersteigenden Haftfortsetzung in Anschlag zu bringen.

Ob und gegebenenfalls bis zu welcher Dauer die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus als unvermeidbar oder als vermeidbar anzusehen ist, hängt demnach – neben der Voraussetzung des Vorliegens besonderer Schwierigkeiten oder besonderen Umfangs der Ermittlungen – maßgeblich auch vom Gewicht ab, das dem herangezogenen Haftgrund im konkreten Einzelfall beizumessen ist (12 Os 38/21m, 39/21h).

Die Untersuchungshaft wurde am 23.01.2025 verhängt. Die sechsmonatige Frist des § 178 Abs 2 StPO reicht sohin bis 23.07.2025.

Innerhalb der sechsmonatigen Frist seit Beginn der Untersuchungshaft fand die Einvernahme von 18 Zeugen sowie eine kontradiktorische Zeugeneinvernahme und die Einholung von Krankenunterlagen statt.

Zutreffend ist, dass die für 06.02.2025 anberaumte kontradiktorische Einvernahme des Opfers wegen Erkrankung des zuständigen Richters abberaumt wurde (ON 1.13). Diese wurde mit Verfügung vom 10.02.2025 für den 27.02.2025 wiederum anberaumt (ON 1.17), zu welchem Termin die Zeugin krankheitsbedingt aber nicht erschienen ist (ON 45). Die weitere Anberaumung der kontradiktorischen Zeugeneinvernahme für 19.03.2025 (ON 1.21) wurde wegen Verhinderung des Verteidigers schließlich auf 26.03.2025 verlegt (ON 1.22, ON 46). Während dieser Zeit fanden aber anderweitige Zeugeneinvernahmen statt (ON 50, 51, 54, 55, 57).

Aufgrund der kontradiktorischen Einvernahme der Zeugin wurden zusätzliche Zeugeneinvernahmen (ON 63) erforderlich. Die letzte Einvernahme einer Zeugin wurde am 02.05.2025 durchgeführt (ON 73.3) und am 03.05.2025 an die Staatsanwaltschaft übermittelt (ON 73.1).

Auf Nachfrage des Verteidigers am 14.05.2025 nach der zeitlichen Abschätzung einer Enderledigung und der Mitteilung durch die Staatsanwältin, es seien noch Ermittlungen betreffend eine allfällige Trennung der Beziehung zwischen dem Angeklagten und dem Opfer im Hinblick auf die (zeitliche) Qualifikation des § 107b Abs 4 StGB ausständig, kündigte dieser eine Stellungnahme zu dieser Frage mit voraussichtlich weiteren Beweisanträgen an (ON 1.37), die am 20.05.2025 einlangte (ON 78).

Das Erhebungsersuchen hinsichtlich der Einholung der Krankenunterlagen vom Bezirkskrankenhaus ** (ON 72) wurde zwar erst am 02.05.2025 erlassen und diese am 03.06.2025 an die Staatsanwaltschaft übermittelt (ON 82). Mit 03.06.2025 wurde aber gleichzeitig bereits die Anklage erhoben (ON 84, ON 1.40), mit deren Verfassung sohin offenkundig bereits vor dem Einlangen der Krankenunterlagen begonnen wurde und die infolge der erforderlichen Prüfung der Ermittlungsergebnisse auch auf deren Beweiswert und der eingehenden und detaillierten Darstellung der Vorwürfe sowie deren beweiswürdigender Erörterung durchaus gewisse Zeit in Anspruch nimmt.

Das Ermittlungsverfahren dauerte von dessen Einleitung am 23.12.2024 (ON 1.1, ON 2) bis zur Einbringung der Anklage knapp fünfeinhalb Monate und von der Verhängung der Untersuchungshaft bis zur Einbringung der Anklage knapp viereinhalb Monate und ist im Hinblick auf den Umfang der Ermittlungen, die keine Verzögerungen erkennen lassen, keineswegs unverhältnismäßig lang.

Gegen die Anklageschrift erhob der Angeklagte am 20.06.2025 Einspruch (ON 85), zu dem eine Stellungnahme der Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck erstattet wurde (ON 88.6), zu welcher sich wiederum der Angeklagte äußerte (ON 88.4). Die Anklage wurde mit Entscheidung des Rechtsmittelgerichtes am 15.07.2025 rechtswirksam (ON 88.3).

Am 17.07.2025 erfolgte die Ausschreibung der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht (ON 1.42) für den 29. und 30.09.2025, jeweils ganztägig und wurde nunmehr auf 29.08. und 01.09.2025 vorverlegt (ON 1.47), von welchem neuen Termin der Verteidiger durch Zustellung der Ladung Kenntnis erlangte. Der Zeitraum von der Verhängung der Untersuchungshaft bis zum Beginn der Hauptverhandlung beträgt sohin knapp über sieben Monate (und von der Einleitung des Verfahrens gerechnet knapp über acht Monate) und ist damit ebenfalls nicht als unverhältnismäßig lang einzustufen.

Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liegt im Hinblick auf das Ermittlungsverfahren, in welchem die jeweiligen Ermittlungsschritte zügig gesetzt, beauftragt und auch urgiert wurden, nicht vor. Einer fallaktuell drohenden Verletzung des Beschleunigungsgebotes durch Anberaumung der Hauptverhandlung für einen Termin zweieinhalb Monate nach Rechtswirksamkeit der Anklageschrift begegnete die vorsitzende Richterin des Schöffensenates dadurch, dass sie die Hauptverhandlung aufgrund freiwerdender Verhandlungssaalkapazitäten/-termine nunmehr auf 29.08. und 01.09.2025, sohin auf einen Termin nur eineinhalb Monate nach Rechtswirksamkeit der Anklage, vorverlegte (ON 1.47, 1.48). Dieser Zeitraum ist im Hinblick auf den Umfang des Ermittlungsverfahrens und das für die Durchführung der Hauptverhandlung erforderliche Aktenstudium gerechtfertigt. Ein Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot liegt sohin nicht vor. Die Kalendierung des Aktes (1 Woche vor Hv) betrifft nur die Vorbereitung des Aktes durch die Kanzlei zur Einholung der Strafregisterauskunft und Überprüfung der Zustellungen (vgl ON 1.47).

Die Überschreitung der Sechsmonatsfrist um etwas mehr als einen Monat ist sowohl zur Bedeutung der Sache als auch zu der innerhalb des Strafrahmens von fünf bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe zu erwartenden Strafe verhältnismäßig. Dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a, b und c StPO kommt infolge des raschen Rückfalls, der (teilweisen) Tatbegehung während anhängigen Strafverfahrens und der nach der dringenden Verdachtslage über die Dauer von mehr als einem Jahr fortgesetzten Gewaltausübung besonders hohes Gewicht zu, weshalb die Fortsetzung der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus im Sinn des § 178 Abs 2 StPO unvermeidbar ist.

Ab dem Zeitpunkt des Beginns der Hauptverhandlung haben die Fristen des § 178 Abs 1 und 2 StPO keine Bedeutung mehr und ist die Untersuchungshaft ab diesem Zeitpunkt nur mehr am – hier derzeit gewahrten – Verhältnismäßigkeitsgebot zu messen ( Kirchbacher/Rami , aaO § 178 Rz 7, 8 und 13).

Aufgrund der eingebrachten Anklageschrift ist die Wirksamkeit des Haftbeschlusses durch eine Haftfrist nicht mehr begrenzt (§ 175 Abs 5 StPO).