11Bs211/24b – OLG Innsbruck Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Innsbruck hat durch den Senatspräsidenten Mag. Dampf als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. a Hagen und Mag. a Obwieser als weitere Mitglieder des Senats in der Strafsache gegen A*und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Beschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom 29.8.2024, GZ **-81, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Der Beschwerde wird n i c h t Folge gegeben.
Gemäß § 390a Abs 2 StPO haftet der Beschwerdeführer auch für die durch sein erfolgloses Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).
Text
Begründung:
Mit Urteil vom 15.5.2023, GZ **-23, erkannte ein Einzelrichter des Landesgerichts Feldkirch unter anderem den Erstangeklagten A* des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall SMG (zu I.), des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (zu II.1.) und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (zu II.2.) schuldig.
Demnach hat er
Hiefür verhängte das Landesgericht über den Erstangeklagten A* nach § 28a Abs 1 SMG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von 18 Monaten und rechnete darauf gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB die erlittene Vorhaft an.
Der dagegen vom Erstangeklagten erhobenen Berufung wegen Nichtigkeit sowie des Ausspruchs über die Schuld wurde mit Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 8.11.2023, AZ 6 Bs 223/23d, nicht Folge gegeben, jener wegen des Ausspruchs über die Strafe wurde lediglich dahingehend Folge gegeben, dass die Rechtsfolge des Ausschlusses von der Ausübung eines Gewerbes nach § 13 Abs 1 GewO 1994 gemäß §§ 44 Abs 2, 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde (ON 43).
Mit Schriftsatz vom 29.11.2023 beantragte dieser Verurteilte durch seinen Verteidiger die Wiederaufnahme des Verfahrens. Begründend wurde ausgeführt, am 16.11.2023 habe ein Gespräch mit dem Zeugen B* stattgefunden, bei dem dieser bestätigt habe, dass er im bisherigen Verfahren gelogen habe. Das Gespräch habe er (der Verurteilte) mit seinem Mobiltelefon aufgezeichnet und transkribiert. Dieses - dem Antrag angeschlossene (ON 51.3, 1) - Transkript stelle ein neues Beweismittel dar, welches jedenfalls geeignet sei, einen Freispruch oder zumindest eine mildere Verurteilung zu begründen (ON 51.2).
Die Staatsanwaltschaft sprach sich gegen die beantragte Wiederaufnahme aus und wies in ihrer Stellungnahme vom 15.12.2023 darauf hin, dass offensichtlich versucht worden sei, das Opfer durch eine widerrechtliche Tonaufnahme in eine „Falle“ zu locken (ON 55.2).
Der Vollzug der über den Verurteilten verhängten Freiheitsstrafe wurde mit Beschluss vom 14.6.2024 gemäß § 357 Abs 3 StPO bis zur rechtskräftigen Erledigung des Wiederaufnahmeantrags gehemmt (ON 78).
Im Zuge der vom Landesgericht in Auftrag gegebenen Ermittlungen (ON 67) wurde der Zeuge B* von der PI D* zum vom Wiederaufnahmewerber vorgelegten Transkript einvernommen. Er sagte (zusammengefasst) aus, dass das Gespräch mit dem Erstangeklagten im Jänner 2024 im Lokal „E*“ stattgefunden habe, er vom Verurteilten aufgefordert worden sei, zur Polizei zu gehen, um seine Aussage zurückzunehmen und er an einzelne (vorgehaltene) Gesprächspassagen keine Erinnerung habe, bestätigte jedoch, dass seine Angaben im bisherigen Strafverfahren gegen A* der „ganzen Wahrheit“ entsprochen haben (ON 73.2).
In seiner Äußerung zu diesem Ermittlungsergebnis beantragte der Verurteilte erneut die Wiederaufnahme des Verfahrens (ON 77.1).
Mit eigenhändig verfasstem, undatierten, am 12.2.2025 (in **) zur Post gegeben Schreiben schildert der Verurteilte seinen Werdegang seit seiner Verurteilung, betont nochmals seine Unschuld und bittet um eine zweite Chance.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies die zuständige Einzelrichterin (§ 43 Abs 4 StPO) den Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens ab und sprach aus, dass der Verurteilte die durch sein erfolgloses Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten gemäß § 390a Abs 2 StPO zu ersetzen hat. Nach Darstellung des rechtskräftigen Schuldspruchs samt dem Referat der beweiswürdigenden Erwägungen und des Strafausspruchs des Urteils des Landesgerichts Feldkirch vom 15.5.2023 begründete die Erstrichterin ihre Entscheidung wie folgt:
„2. Entgegen dem Vorbringen im Wiederaufnahmeantrag geht aus dem vom Verurteilten A* heimlich aufgenommenen Gespräch an keiner Stelle hervor, dass B* darin zugestanden hätte, in der Hauptverhandlung die Unwahrheit gesagt zu haben. Vielmehr stellt es sich für das Gericht – insbesondere nach dem Abspielen der Tonaufnahme – so dar, dass A* das Gespräch vergebens dahingehend zu lenken versuchte, B* zu einem Zugeständnis in Bezug auf eine Falschaussage zu bewegen. Insgesamt entsteht für das Gericht der Eindruck, dass sich B* im konfrontierenden Gespräch mit A* dafür rechtfertigte, überhaupt ausgesagt zu haben.
2.1. Anlässlich der ergänzenden Einvernahme des B* am 10.04.2024 räumte dieser ein Gespräch mit dem Verurteilten ein, konnte es nur zeitlich nicht sicher einordnen. Darüber hinaus bekräftigte B* erneut den vollen Wahrheitsgehalt seiner damaligen Aussagen.
2.2. Die nunmehrige Anschuldigung gegenüber B*, wonach dieser in seiner polizeilichen und gerichtlichen Zeugeneinvernahme im Strafverfahren gelogen haben soll, wurde vom Verurteilten A* bereits bei seiner Einvernahme vor der Polizei (ON 4.7 AS 8: Aus welchem Grund sollte B* sich [gemeint: Sie] fälschlicherweise beschuldigen? Ich glaube, dass er so versucht, sich vor seinen Schulden zu drücken. Einen anderen Grund kann ich mir nicht erklären.) und in der Hauptverhandlung am 17.04.2023 releviert (ON 19 AS 4: Über Vorhalt der Angaben von B*: Diese Angaben stimmen nicht. Ich kann mir die Vorwürfe von B* nicht erklären). Dieser Vorwurf der Falschbezichtigung durch B* wurde vom Erstgericht eingehend gewürdigt. Dabei berücksichtigte das Erstgericht auch die Aussage von B*, wonach er betreffend den Zeitraum und die Frequenz des eigenen Drogenkonsums vor der Polizei „ein wenig geschwindelt“ habe. In Zusammenschau damit lässt sich auch die im aufgezeichnetem Gespräch von B* getätigte Aussage: „a mir haben sie auch voll viel Sachen gefragt und i hab ned gewusst, wie ich es sagen soll und da habe ich auch irgendein Scheiss gelabert (lacht) so mit ab und zu mol und keine Ahnung was“ erklären. Dass B* damit bestätigt haben soll, den Verurteilten A* zu Unrecht belastet zu haben, lässt sich gerade nicht aus dem Gespräch ableiten.
2.3. Weiters gilt es anzumerken, dass das Erstgericht eingehend begründete, dass den Angaben des Verurteilten A* nicht nur in Bezug auf die Aussage des Zeugen B* nicht zu folgen war, sondern auch aufgrund etlicher Widersprüche in den eigenen Angaben sowie zu den Schilderungen des Mitangeklagten C* (ON 23 AS 12).
2.4. Insgesamt betrachtet ist das vom Verurteilten A* beigebrachte neue Beweismittel weder allein noch in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen geeignet, Zweifel an der Richtigkeit des Schuldspruchs zu erwecken. Auch eine Eignung des Beweismittels in Bezug auf eine Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung geht fehl. Ebenso wenig wurde eine die Verurteilung veranlassende Straftat des B* dargetan.
3. Mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Stattgebung einer Wiederaufnahme war der Antrag abzuweisen, was einen Kostenausspruch nach § 390a Abs 2 StPO zur Folge hat.“
Dagegen richtet sich die rechtzeitige und schriftlich ausgeführte Beschwerde des Verurteilten A* (ON 82.1), in welcher er erneut damit argumentiert, dass der Zeuge B* im Gespräch bestätigt habe, dass er im Prozess gegen ihn (den Wiederaufnahmewerber) gelogen habe, was ein wesentliches neues Beweismittel darstelle und geeignet erscheine, einen Freispruch zu begründen.
Rechtliche Beurteilung
Die Beschwerde, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft einer Stellungnahme enthielt, ist nicht berechtigt.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme zu Gunsten des Verurteilten gemäß § 353 StPO, insbesondere nach Z 1 und Z 2, sind im angefochtenen Beschluss richtig wiedergegeben, weshalb zur Vermeidung von Wiederholungen identifizierend darauf verwiesen wird (RIS-Justiz RS0124017 [T2]).
Wie bereits das Erstgericht zutreffend ausführte, liegt ein Zugeständnis des Zeugen B*, im bisherigen Verfahren die Unwahrheit ausgesagt zu haben, nicht vor. Weder der vom Wiederaufnahmewerber in seiner Beschwerde besonders hervorgehobenen Passage des Gesprächs
noch den im Wiederaufnahmeantrag angeführten Auszügen des Inhalts
• B*: Wo er des wegs miner Muatter, deswegen, es war eigentlich des einzige Ding.
• A*: Er hat aber ja nichts gemacht, er ist rüber gegangen hat deine Nummer geholt.
• B*: Ja aber die Aussage, des hat irgendwie gereicht es hat glanget, oder. Was würdest du macha, wenn jemand zu deiner Mutter geht?
• A*: Ich war doch gut zu dir B*?
• B*: Warst immer ja, hab ich auch gesagt zu dir. Des isch auch so, ja.
• A*: War ich jemals schlecht zu dir?
• B*: Nein, na.
• A*: Habe ich jemals zeigen müssen, dass du Angst vor mir haben solltest?
• B*: Na.
• A*: Weißt du du bist mir so gekommen ich hab dir geholfen oda.
• B*: Ja.
• A*: Weißt du, der Richter sagt zu mir ständig, wie kannst du jemanden Geld EUR 2.000,-- ausleihen? Weißt du was ich meine?
• B*: Ja. Ja.
• A*: Ich habs ausgeliehen, was soll ich machen Alter. Was habe ich sonst gemacht?
• B*: Hahaha (lacht!) Hat er (der Richter) es dir net glaubt oda was?
• A*: Na gar nicht
• B*: Ja mir haben sie auch voll viel Sachen gefragt und i hab net gewusst, wie ich es sagen soll und da hab ich auch irgendein Scheiß gelabert, hahaha (lacht) somit ab und zu amol und keine Ahnung was.
• A*: Weiß du, der Richter sagt zu mir ständig, wie kannst du jemanden Geld EUR 2.000,-- ausleihen? Weißt du was ich meine?
• B*: Ja. Ja.
oder dem übrigen Inhalt des Transkripts lässt sich eine solche Erklärung auch nur ansatzweise entnehmen.
Wenn der Wiederaufnahmewerber aus der Bemerkung des B*, wonach er „irgendeinen Scheiß gelabert“ habe, schließt, dass dessen Zeugenaussage insgesamt falsch gewesen sei, ist er darauf hinzuweisen, dass diese Passage - wie oben dargestellt - aus dem Zusammenhang gerissen ist. Aus einer Gesamtschau dieser Aussage geht ganz klar hervor, dass der Zeuge damit erklärt, wie er auf Nachfragen der vernehmenden Personen ausweichend geantwortet hat.
Der Kritik des Beschwerdeführers, wonach das Erstgericht die vorgelegten neuen Beweismittel nicht ausreichend gewürdigt habe, ist zu erwidern, dass sich das Wiederaufnahmeverfahren auf eine Eignungsprüfung, also ob die neuen Tatsachen und Beweise die Eigenschaft haben, die Tatsachengrundlage des Erstgerichts zu erschüttern und zu einer anderen Lösung der Beweisfrage zu gelangen, zu beschränken hat, weshalb die Beurteilung eines Beweiswerts des neuen Beweismittels dem neuen Erkenntnisverfahren vorbehalten und eine vorgreifende Beweiswürdigung schon im Wiederaufnahmeverfahren unzulässig ist (RIS-Justiz RS0101243, Lewisch , WK-StPO § 353 Rz 60 und 67).
Entgegen dem Beschwerdevorbringen, wonach das Gericht selbst den Zeugen B* unter Berücksichtigung der vorgelegten Tonaufnahme vernehmen und so dessen Glaubwürdigkeit überprüfen hätte müssen, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 357 Abs 2 zweiter Satz StPO, dass das Gericht nur bei (hier nicht vorliegender) Gefahr im Verzug berechtigt ist, Beweise selbst aufzunehmen, ansonsten aber Ermittlungen durch die Kriminalpolizei anzuordnen hat ( Lewisch aaO § 357 Rz 17).
Dass das Erstgericht der Glaubwürdigkeit des Zeugen B* einen ungebührlich hohen Stellenwert eingeräumt habe, trifft nicht zu. Darüber hinaus ist es unerheblich, ob das Gespräch zwischen dem Wiederaufnahmewerber und dem Zeugen B* am 16.11.2023 auf der Straße oder im Jänner 2024 im Lokal „E*“ stattgefunden hat, zumal beide ohnehin nur von einem einzigen persönlichen Zusammentreffen sprechen.
Im Ergebnis gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, eine Veranlassung seiner Verurteilung durch eine behauptete falsche Beweisaussage im Sinn des § 353 Z 1 StPO darzulegen bzw ein relevantes Beweismittel im Sinn des § 353 Z 2 StPO beizubringen, das in Zusammenschau mit den bisher vorliegenden Verfahrensergebnisse geeignet wäre, seine Freisprechung oder Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen, weshalb der Beschwerde ein Erfolg zu versagen war.
Die Kostenentscheidung ist Folge des Ausgangs des Beschwerdeverfahrens. Sie gründet in der angeführten Gesetzesstelle.