Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Mag a . Tröster (Vorsitz), Mag a . Haas und Dr. Sutter in der Strafsache gegen A*wegen der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen nach öffentlicher Verhandlung am 28. Oktober 2025 in Anwesenheit der Oberstaatsanwältin Mag a . Dexer, des Angeklagten und seines Verteidigers Rechtsanwalt Mag. Stoff sowie der Privatbeteiligtenvertreterin Mag a . Messner (für B*, C* und D* E*) über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. März 2025, GZ **-43, zu Recht erkannt:
Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am ** geborene A* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StPO (I.) und der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II.) schuldig erkannt und unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten sowie gem. § 369 Abs 1 StPO zur Zahlung von EUR 1.500,00 an C* E*, EUR 3.000,00 an D* E* und EUR 300,00 an B* binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution verurteilt und gemäß § 398 Abs 1 StPO zum Strafverfahrenskostenersatz verpflichtet.
Dem infolge der Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 16. Juli 2025, GZ 15 Os 65/25k-4, in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch nach hat A* in ** und an anderen Orten des Bundesgebiets
I. mit unmündigen Personen, nämlich der am ** geborenen C* E* sowie der am ** geborenen D* E*, dem Beischlaf oder dem Beischlaf gleichzusetzende Handlungen unternommen, indem er
1. im Zeitraum von 2009 „bis zumindest Ende 2013“ C* E* unzählige Male einen, später auch zwei Finger in die Vagina einführte;
2. im Zeitraum von 2009 „bis zumindest Ende 2015“ D* E* unzählige Male einen Finger in die Vagina einführte, mit seiner Zunge in ihre Vagina eindrang sowie zumindest zweimal seinen Penis an einer Scheidenöffnung ansetzte, um in sie einzudringen;
II. außer dem Fall des § 206 StGB geschlechtliche Handlungen an unmündigen Personen vorgenommen bzw von unmündigen Personen an sich vornehmen lassen, und zwar
1. im Zeitraum von 2009 „bis zumindest Ende 2013“ an bzw von der am ** geborene C* E*, indem er unzählige Male ihre nackte Vulva streichelte, ihre nackten Brüste berührte, sie mit der Zunge an der Klitoris stimulierte sowie einmal ihre Hand zu seinem Penis führte, seine Hand auf ihre legte und sodann Masturbationsbewegungen ausführte;
2. im Zeitraum von Jänner 2009 „bis Ende 2015“ an bzw von der am ** geborenen D* E*, indem er unzählige Male ihre nackte Vulva streichelte, ihre nackten Brüste berührte, sie an der Vulva leckte sowie ihre Hand zu seinem Penis führte, seine Hand auf ihre legte und sodann Masturbationsbewegungen durchführte;
3. am 16. Februar 2024 an der am ** geborenen B*, indem er wiederholt kreisende Bewegungen mit seiner Hand an ihrer bekleideten Vulva vollführte.
Gegen das Urteil richten sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft, die eine Straferhöhung anstrebt (ON 46) und des Angeklagten, der eine Herabsetzung der Strafe und deren teilweise bedingte Nachsicht sowie die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg begehrt (ON 47).
Die Rechtsmittel sind nicht erfolgreich.
Zur Strafe:
Strafbestimmend ist der Strafsatz des § 206 Abs 1 StGB, der die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren vorsieht.
Erschwerend wirkt, dass der Täter mehrere strafbare Handlungen derselben und verschiedener Art begangen und sie über längere Zeit fortgesetzt hat (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB). In concreto beging der Angeklagte eine Vielzahl von Verbrechen über mehrere Jahre.
Als mildernd ist dem Angeklagten zugute zu halten, dass er bis zum Jahr 2009, also seinem 57. Lebensjahr, einen ordentlichen Lebenswandel geführt hat, mit dem die Taten in auffallendem Widerspruch stehen (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB).
Unter dem Schuldaspekt (§ 32 StGB) ist die in der neuerlichen Tatbegehung im Februar 2024 zum Ausdruck kommende verfestigte Neigung des Angeklagten zu schwerer Sexualdelinquenz an Unmündigen als besonders wertwidrig im Sinn des Abs 2 leg cit anzusehen. Ferner kommt im Missbrauch von drei Kindern, wovon eines erhebliche psychische Schäden erlitt (vgl US 10 und 12 je unten), eine deutlich überdurchschnittliche Schädigung und Gefährdung durch die Taten zum Ausdruck. Indem der Angeklagte auch das zu ihm bestehende besondere Vertrauensverhältnis der Unmündigen ausnützte und D* E* bei den ersten zu ihren Lasten begangenen Missbrauchshandlungen erst acht Jahre alt war, konnte von den Opfern auch keine Vorsicht gegen die Übergriffe gebraucht werden (Abs 3 leg.cit).
Dass es sich beim Angeklagten, wie er in seiner Berufung geltend macht, „sonst“ um einen „Bilderbuchopa“ handelte, mag zutreffend, relativiert aber nicht Art und Schwere seiner Tatbegehung. Seinem fortgeschrittenen Alter wird bei der Bewertung des Milderungsgrundes nach § 34 Abs 1 Z 2 StGB Rechnung getragen.
Die von der Staatsanwaltschaft herausgestrichene Länge des Deliktszeitraums wird im Rahmen des § 33 Abs 1 Z 1 StGB berücksichtigt.
Unter Abwägung der angesprochenen relevanten Strafzumessungsfaktoren erscheint die Ausnützung des Strafrahmens zwischen einem Drittel und der Hälfte angemessen. Das nunmehrige Alter des Angeklagten, der noch dazu zuletzt erst im Februar 2024 „rückfällig“ wurde, verändert dieses Kalkül hier nicht. Der Berufungssenat erachtet gleich dem Schöffensenat die Strafe von vier Jahren und sechs Monaten als dem vom Angeklagten begangenen Unrecht angemessen.
Bei einem derartigen Strafmaß ist eine (auch nur teil-)bedingte Nachsicht der Strafe gesetzlich nicht vorgesehen. Im Übrigen verhängte der Oberste Gerichtshof in keinem der in der Berufung angeführten (ON 47,5 letzter Absatz) Verfahren (selbst) eine teilbedingte Freiheitsstrafe.
Zu den privatrechtlichen Ansprüchen:
Die Vertreterin der Privatbeteiligten beantragte mit Blick auf die posttraumatische Belastungsstörung der D* E* dieser EUR 3.000,00, die Tatbegehung zum Nachteil der C* E* über mehrere Jahre dieser EUR 1.500,00 und B* EUR 300,00 an Schmerzengeld zuzusprechen. Der Angeklagte äußerte sich dazu ablehnend (ON 42, 22f).
Das Erstgericht sprach die begehrten Beträge wegen der von den Opfern erlittenen Schmerzen, bedingt durch (teilweise) „zahlreiche massive Eingriffe in ihre Sexualsphäre“ (teilweise) „beginnend mit einem sehr jungen Alter“ (US 18f) zu.
Das Schmerzengeld soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für Ungemach sein, das die Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen, auch soweit dies für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (RIS-Justiz RS0031307). Verletzung im Sinn des § 1325 ABGB ist jede Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Gesundheit und Unversehrtheit (RIS-Justiz RS0030792). Auch innere Verletzungen oder Nervenschäden fallen unter den Begriff der Körperverletzung, ebenso massive Einwirkungen in die psychische Sphäre (zum Beispiel Herbeiführen eines Schocks). Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die seelische Komponente beim sexuellen Missbrauch gegenüber allfälligen körperlichen Schäden im engeren Sinn häufig noch viel weitreichender und lebensprägender ist (9 Ob 78/99g; RIS-Justiz RS0030792 [T4]). Die Berücksichtigung seelischer Schmerzen bedarf weder konkreter Behauptungen noch Beweiserhebungen. Auf seelische Schmerzen ist vielmehr Bedacht zu nehmen, wenn nach der Lage des Falles mit solchen zu rechnen ist (RIS-Justiz RS0030972). Bei der Ermittlung des Ausmaßes des eine Genugtuungsfunktion besitzenden Ersatzanspruchs für immateriellen Schaden bilden Dauer und Intensität des erlittenen Ungemachs einen bestimmenden Faktor (RIS-Justiz RS0022442).
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist bei D* E* vor dem Hintergrund ihres wegen des jahrelangen Missbrauchs notwendig gewordenen (sogar) stationären Aufenthalts im LKH F* (vgl US 10 letzter Absatz, US 12 vorletzter Absatz) ein pauschaler Schmerzengeldanspruch von EUR 3.000,00 berechtigt. C* E* hatte nach dem Akteninhalt als Folge des zu ihren Lasten gehenden Tatgeschehens zwei depressive Phasen (vgl ON 18,14 und 22), was vor dem Hintergrund eines mehrjährigen sexuellen Missbrauchs ohne weiteres mit diesem in Zusammenhang zu bringen ist. Angesichts dessen erscheint der Betrag von EUR 1.500,00 für seelische Schmerzen nicht überhöht. Letztlich ergab sich (auch) bei B* die Notwendigkeit, psychologische Hilfe in Form einer Gesprächstherapie zwischen Februar und Mai 2024 anzunehmen (vgl ON 42, 13). Auf dieser Basis ist der Zuspruch von EUR 300,00 an sie wegen seelischer Schmerzen gerechtfertigt und die „Unschlüssigkeit“ der Zusprüche einwendende Berufung nicht erfolgreich.
Die Kostenentscheidung ist in § 390a Abs 1 StPO begründet.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden