Das Oberlandesgericht Graz hat durch den Richter Mag. Petzner, Bakk. als Vorsitzenden und die Richter Mag. Scherr, LL.M., BA und Mag. Koller in der Strafsache gegen A *ua wegen Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Beschwerde des Verurteilten A* gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 28. Mai 2025, GZ **-173, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Der Antragsteller haftet für die durch sein erfolgloses Begehren um Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten.
BEGRÜNDUNG:
Mit Urteil des Landesgerichts Leoben als Jugendgeschworenengericht vom 7. August 2024, GZ **-118, wurden der am ** geborene B* und der am ** geborene A* jeweils des Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB (I.) und der Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (II.) schuldig erkannt. A* wurde hiefür nach § 75 StGB unter Anrechnung der von ihm erlittenen Vorhaft zur Freiheitsstrafe von 18 Jahren verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Ersatz der Kosten des Strafverfahrens verpflichtet. Der Schuldspruch erwuchs unangefochten in Rechtskraft; seiner Berufung gab das Oberlandesgericht Graz mit Urteil vom 29. Oktober 2024, AZ 9 Bs 220/24g, nicht Folge (ON 147.3).
Dem Schuldspruch zufolge haben die beiden Angeklagten am 5. März 2024 in ** im bewussten und gewollten Zusammenwirken „als Mittäter“
I. an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst verursacht, indem B* gemäß dem vorher gemeinsam gefassten Tatplan und nachdem von den beiden Angeklagten bereits zuvor Kanister mit brennbaren Flüssigkeiten im Gebäude deponiert worden waren, in dem im Erdgeschoss des Gebäudes **, situierten Geschäftslokal („C*“) Brandbeschleuniger (Diesel bzw. Heizöl leicht oder Petroleum) ausbrachte und in besagtem Geschäftslokal in weiterer Folge ein Feuer legte, welches sich rasch auf das gesamte Geschäftslokal und das weitere Gebäude ausbreitete, wodurch dieses in Vollbrand geriet und den Eigentümern ein Schaden von rund EUR 800.000,-- entstand, wobei A* in der Tatnacht Fahrerdienste leistete, indem er B* in Kenntnis dessen Tatplans mit einem PKW zum Tatort brachte und im Anschluss daran auf einem nahegelegenen Parkplatz wartete und schließlich mit B* aus ** flüchtete;
II. durch die zu Punkt I. genannte Tat versucht, die in der unmittelbar über dem C* gelegenen Wohnung lebenden D* E*, F* E*, G* E*, H* E*, I* E*, J* E*, K* und L* E* vorsätzlich zu töten, wobei die angeführten Personen, welche zur Tatzeit schliefen, durch das Feuer geweckt wurden und aufgrund des durch den verwendeten Brandbeschleuniger bereits fortgeschrittenen Brandes nicht mehr durch das mit der Wohnung verbundene Stiegenhaus flüchten konnten, sodass sie eine Trockenbauwand zu einer Nachbarwohnung mit einem Hammer einschlagen mussten, um über das dortige Stiegenhaus zu flüchten, wobei es nur deshalb beim Versuch blieb, weil den genannten Personen die beschriebene Flucht gelang bzw. die Feuerwehr den Brand eindämmen konnte.
Mit Antrag vom 7. Mai 2025 begehrte der Verurteilte A* gestützt auf § 353 Z 2 StPO die Wiederaufnahme des Verfahrens, da der in der Hauptverhandlung tätige Dolmetscher Aussagen des Verurteilten und eine Audiodatei unrichtig übersetzt und ihn der Mitangeklagte B* in der Berufungsverhandlung entlastet habe (ON 165.2).
Das Landesgericht Leoben als Senat von drei Richtern (§ 31 Abs 6 Z 2 StPO) wies den Antrag mit dem angefochtenen Beschluss – konform der Stellungnahme der Staatsanwaltschaft Leoben (ON 1.137) – ab und sprach aus, dass dem Antragsteller die durch sein erfolgloses Begehren auf Wiederaufnahme des Verfahrens verursachten Kosten zur Last fallen (ON 173).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Verurteilten (ON 177.2).
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Der rechtskräftig Verurteilte kann – neben hier nicht relevanten Fällen – die Wiederaufnahme des Strafverfahrens verlangen, wenn er neue Tatsachen oder Beweismittel beibringt, die allein oder in Verbindung mit früher erhobenen Beweisen geeignet erscheinen, seine Freisprechung oder die Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen (§ 353 Z 2 StPO).
Die Bestimmung des § 353 Z 2 StPO erfordert die Beibringung von Tatsachen bzw. Beweismitteln, von denen das erkennende Gericht erst zu einem Zeitpunkt, zu dem ihre Verwertung nicht mehr möglich war, Kenntnis erlangte (RIS-Justiz RS0101229; Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 24, 25, 30 und 45ff; Kirchbacher, StPO 15§ 353 Rz 2), sofern sie die Eignung zur Erwirkung einer Freisprechung oder zumindest einer Verurteilung nach einem milderen Strafgesetz aufweisen. Gefordert ist somit die durch neue Tatsachen bzw. Beweismittel (im Zusammenhang mit bereits bekannten Beweismitteln) begründete Möglichkeit, die Tatsachengrundlagen des Urteils (im Hinblick auf das Wiederaufnahmeziel des § 353 StPO) zu erschüttern und zu einer anderen Lösung der Beweisfrage zu gelangen. Ob ein neues Beweismittel zur Erschütterung der Beweisgrundlage geeignet, ist, hängt davon ab, welcher Stellenwert diesem Umstand bei hypothetisch nachträglicher Betrachtung für das Urteil zukommt. Im Regelfall ist für die Beurteilung maßgeblich, durch wie viele andere Beweismittel das seinerzeitige Ergebnis abgesichert war. Bei der vorzunehmenden Eignungsprüfung sind im Sinn der bei Beweisanträgen vorzunehmenden Relevanzprüfung auch die wesentlichen früher erhobenen Beweisergebnisse in die Beurteilung miteinzubeziehen, wobei ein gewisses Mindestmaß an Beweiswürdigung unvermeidbar ist (RIS-Justiz RS0101243 [T3]; Lewisch , WK-StPO § 353 Rz 60ff). Umstände, die bereits im Erkenntnisverfahren erörtert und vom erkennenden Gericht im Rahmen freier Beweiswürdigung – anders als vom Verurteilten gewünscht – beurteilt wurden, sind nicht Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens ( Lewisch, WK-StPO § 353 Rz 39).
Mit der – ohne vorangegangene Rüge der Protokollierung in der Hauptverhandlung und ohne Antrag auf Protokollberichtigung aufgestellten – bloßen Behauptung, dem Dolmetscher sei in der Hauptverhandlung ein Übersetzungsfehler (15 Tage statt richtigerweise 15 Stunden) unterlaufen und dieser habe bei der Übersetzung einer Audiodatei eine falsche (Personen-)Zuordnung von Aussagen vorgenommen, bringt der Rechtsmittelwerber kein neues Beweismittel im Sinne der dargelegten Grundsätze bei. Das Hauptverhandlungsprotokoll als öffentliche Urkunde macht vollen Beweis über den Verhandlungsverlauf. Der Beweis einer Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Protokollierung kann nur mit einem Antrag auf Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls gemäß § 271 Abs 7 StPO geführt werden; wurde – wie hier – eine Protokollberichtigung nicht beantragt, so ist (für das Rechtsmittelgericht) das Protokoll in jener Fassung maßgebend, in der es der Vorsitzende und der Schriftführer unterfertigten (RIS-Justiz RS0098679). Soweit darüber hinaus im Ergebnis die Beweiswürdigung des Erkenntnisgerichts kritisiert wird, verfehlt die Beschwerdeargumentation den Bezugspunkt des Wiederaufnahmeverfahrens (vgl. Soyer, LiK StPO § 353 Rz 2; Kirchbacher, StPO 15 Vor § 352 Rz 6).
Die Aussage des B* anlässlich der Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Graz am 29. Oktober 2024 (ON 147.4, 2), wonach „alles seine Idee gewesen“ sei und A* „keine Idee hatte, was ich damals vor hatte“, stellt angesichts seiner bisherigen Einlassung ein neues Beweismittel im Sinne des § 352 Z 2 StPO dar und betrifft den erheblichen Umstand der Kenntnis des Wiederaufnahmswerbers von den geplanten Tathandlungen des unmittelbaren Täters und somit die subjektive Tatseite des A*.
Der (bloß kursorisch, in einem einzigen Satz anlässlich seines Schlussworts getätigte, zu seiner bisherigen Einlassung [erneut] in Widerspruch stehende) Widerruf des bislang abgelegten Geständnisses hinsichtlich einer Mittäterschaft (in Form der [erstmaligen] Übernahme der alleinigen Verantwortung und somit des Widerrufs seiner A* belastenden Angaben) alleine erweist sich als nicht geeignet, die Freisprechung des A* oder dessen Verurteilung wegen einer unter ein milderes Strafgesetz fallenden Handlung zu begründen (vgl Lewisch , WK-StPO § 353 Rz 56; Soyer , Die (ordentliche) Wiederaufnahme des Strafverfahrens, 115 f mN aus der Rsp.; OLG Wien 19 Bs 120/24x, 19 Bs 373/23a; OLG Graz 8 Bs 237/24z, 8 Bs 349/21s, 8 Bs 319/20b). Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der (mehrfach wechselnden; vgl ON 46; ON 114a, 11ff; ON 114a, 16) Verantwortung des B* angesichts der Absicherung des Schuldspruchs durch eine Mehrzahl von Beweisergebnissen (vgl deren detaillierte Darstellung im angefochtenen Beschluss, BS 10f, auf die verwiesen wird) bloß ein geringer Stellenwert zukam. An Beweismitteln, die für die Schuld des A* sprechen, liegen dabei insbesondere sein eigenes Zugeständnis, B* mit seinem Pkw samt einem Kanister mit Treibstoff (!) nach ** zum (späteren) Tatort gebracht zu haben (ON 117, 2), die durch Auswertung von Überwachungsvideos (ON 49.2; ON 68), Standortdaten von Mobiltelefonen (vgl Analysebericht ON 49.8) und mehrere Zeugenaussagen (ON 3.18, ON 3.27, ON 3.29, ON 3.18, ON 114a, 22f) belegte Anwesenheit des A* zur Tatzeit in ** (Verbringung des B* zum Tatort, Warten an einem nahegelegenen Parkplatz, umgehende Abfahrt aus ** nach Ausbruch des Brandes), das durch Auswertung der Mobiltelefone des Wiederaufnahmswerbers und des B* dokumentierte (knapp zehnminütige) Telefongespräch zwischen den beiden bis wenige Augenblicke vor Ausbruch des Feuers samt Verortung des Mobiltelefons des A* an einem nahe des Tatorts gelegenen Parkplatz (in dessen Richtung der unmittelbare Täter umgehend nach Ausbruch des Brandes flüchtete; ON 49.2, 8f, ON 68), die A* massiv belastende Aussage des Zeugen M* (hinsichtlich einer ihm gegenüber getätigten Äußerung des Wiederaufnahmswerbers, wonach er das Versicherungsgeld haben und sein Geschäft anzünden wolle [ON 114a, 23] sowie hinsichtlich eines – von ihm heimlich aufgezeichneten – Gesprächs zwischen ihm und B* über das vom Wiederaufnahmswerber beauftragte Niederbrennen des Geschäfts [ON 3.24, ON 3.30, ON 3.30, ON 114a, 22f iVm ON 3.2 und ON 52.2]) sowie die damit im Einklang stehenden Angaben der N* (ON 3.23) und ein von M* angefertigtes Foto bzw. ein Video, zeigend jeweils einen Kanister mit Flüssigkeit am späteren Tatort (ON 114a; ON 124, ON 125), und die – mit der Aussage des M* im Einklang stehende – Verschriftung des Audiomitschnitts des angeführten Gesprächs (zwischen M* und B*; ON 3.2, 52.2, 114a, 13f) vor. Ins Kalkül zu ziehen sind auch die (bereits dargestellte) mehrfach wechselnde Verantwortung des B* (vgl ON 46; ON 114a, 11ff; ON 114a, 16) und die teils widersprüchlichen Angaben des Wiederaufnahmswerbers (ON 117, 2ff) in Verbindung mit dessen – nicht mit seiner durchgehend leugnenden Einlassung im Einklang stehenden – Schlusswort anlässlich der Berufungsverhandlung („Auch ich entschuldige mich bei Gericht“; ON 147.4, 3). Damit schlägt die Eignungsprüfung insgesamt zum Nachteil des Wiederaufnahmswerbers aus.
Die Verpflichtung zum Kostenersatz ist gemäß § 390a Abs 2 StPO Folge des erfolglosen Begehrens auf Wiederaufnahme (vgl Lendl, WK-StPO § 390a Rz 17).
RECHTSMITTELBELEHRUNG:
Gegen diese Entscheidung steht kein Rechtsmittel zu (§ 89 Abs 6 StPO).
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