8Bs170/25y – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richterin Mag a . Berzkovics als Vorsitzende sowie den Richter Mag. Obmann, LL.M., und die Richterin Mag a . Haas in der Strafsache gegen A*wegen des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG nach öffentlicher Verhandlung am 24. September 2025 in Anwesenheit des Oberstaatsanwalts Mag. Liensberger, LL.M., sowie des Angeklagten und seiner Verteidigerin Rechtsanwältin Mag a . Köldorfer über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 31. Jänner 2025, GZ **-36, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass die Zusatzfreiheitsstrafe auf 13 Monate herabgesetzt wird.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde der am ** geborene A* – soweit hier von Bedeutung – des Verbrechens der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs 1 VerbotsG schuldig erkannt, nach dieser Gesetzesstelle unter Bedachtnahme gemäß § 31 Abs 1 StGB auf das Urteil des Bezirksgerichts Graz-West vom 24. September 2024, AZ **, zur Zusatzfreiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Kostenersatz verpflichtet.
Dem nach Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten mit Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom 4. Juni 2025, GZ 15 Os 38/25i-6 (hier: ON 41.2), in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch zufolge hat A* sich am 14. August 2024 in ** auf einer öffentlichen Straße auf andere als die in den §§ 3a bis 3f VerbotsG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, indem er zumindest in Anwesenheit des B* die nationalsozialistische Parole „Sieg Heil“ schrie und dabei den Hitlergruß darbot sowie in Richtung einer muslimischen Frau ebenfalls „Sieg Heil“ rief, wobei er es zumindest ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass dieses Verhalten geeignet ist, eine der spezifischen Zielsetzungen der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), nämlich Antijudaismus, Rassismus, Totalitarismus, extremen Deutschnationalismus, Militarismus und die Glorifizierung der Person Adolf Hitlers als „Führer“ – im Inland oder mit Auswirkungen auf die Republik Österreich – zu neuem Leben zu erwecken oder zu propagieren und solcherart zu aktualisieren.
Gegen den Strafausspruch richtet sich die Berufung des Angeklagten mit dem Ziel einer Herabsetzung und bedingten Nachsicht der Zusatzfreiheitsstrafe (ON 38).
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz trat dem Rechtsmittel entgegen.
Rechtliche Beurteilung
Die Berufung hat teilweise Erfolg.
Die vom Schuldspruch umfasste Tat hätte – wie bereits das Erstgericht zutreffend erkannt hat – nach der Zeit ihrer Begehung bereits im Verfahren AZ ** des Bezirksgerichts Graz-West, in dem über A* eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten verhängt wurde, abgeurteilt werden können. Auf diesen Umstand ist gemäß § 31 Abs 1 erster und zweiter Satz StGB Bedacht zu nehmen.
Strafnormierend ist § 3g Abs 1 VerbotsG mit einer Strafbefugnis von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Unter Einbeziehung der Strafzumessungsgründe des Vor-Urteils ist erschwerend, dass der Angeklagte mehrere strafbare Handlungen verschiedener Art begangen hat (hier: Zusammentreffen eines Verbrechens mit [zutreffend:] zwei Vergehen) und er (unter Berücksichtigung des Verhältnisses nach § 31 StGB) schon sechs Mal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender Taten verurteilt worden ist.
Das Berufungsargument, der Erschwerungsgrund des § 33 Abs 1 Z 2 StGB liege nicht vor, weil der Angeklagte bislang noch nie aufgrund eines Verbrechens nach dem VerbotsG verurteilt worden sei und sich die einschlägigen Vorverurteilungen auf die im Verfahren AZ ** des Bezirksgerichts Graz-West abgehandelten Vorwürfe bezögen und bereits in diesem Verfahren „entsprechend berücksichtigt“ worden seien, verkennt das Wesen einer Zusatzstrafe und den Umstand, dass bei der gedanklichen Ermittlung der Strafhöhe für den Fall der Aburteilung sämtlicher Straftaten in einem Urteil selbstredend alle jene Strafzumessungsgründe mitzuberücksichtigen sind, die das Vor-Urteil betrafen (RIS-Justiz RS0091425).
Schuldaggravierend (§ 32 StGB) sind der rasche Rückfall nach dem Vollzug einer achtmonatigen Freiheitsstrafe im Verfahren AZ ** des Bezirksgerichts Graz-Ost am 2. Mai 2024 und die teilweise Tatbegehung trotz bereits wegen § 127 StGB bzw. wegen § 3g VerbotsG anhängiger Ermittlungsverfahren (Beschuldigtenvernehmungen vom 17. Juli 2024 [ON 2.5 im Akt AZ ** des Bezirksgerichts Graz West] und vom 14. August 2024 [hier ON 2.5]).
Mildernd hingegen ist das im Bedachtnahme-Verfahren abgelegte Geständnis sowie dass es dort in Ansehung der Diebstahlsdelinquenz teilweise beim Versuch geblieben bzw. kein Schaden eingetreten ist.
Die Einlassung des Angeklagten im hier gegenständlichen Verfahren, wonach er sich – zusammengefasst – an die Tat nicht erinnern könne, er allenfalls „Heil Satan“ gerufen habe, er aber auch nicht ausschließen könne, „Sieg Heil“ geschrien zu haben (ON 35, 3 f), ist hingegen als (fallkonkret nicht wesentlich zur Wahrheitsfindung beitragendes) bloßes „Tatsachengeständnis“ nicht mildernd iS des § 34 Abs 1 Z 17 StGB (vgl. RIS-Justiz RS0091585). Tatbegehung aus Unbesonnenheit (§ 34 Abs 1 Z 7 StGB) liegt entgegen der auf „Leichtsinn“ referenzierenden Berufung nicht schon dann vor, wenn das Delikt nicht aufgrund reiflicher Überlegung verübt worden ist, sondern setzt auch voraus, dass – anders als hier – der Tat keine kriminelle Neigung oder grundsätzliche Geringschätzung fremder Interessen zugrunde liegt (RIS-Justiz RS0091026). Eine angebliche Beeinträchtigung des Angeklagten durch Rauschmittel im Tatzeitpunkt ist durch nichts indiziert, ergab doch ein knapp eineinhalb Stunden nach der Tat durchgeführter Alkovortest einen Messwert von nur 0,21 mg/l (ON 2.7, 2) und deponierte der Angeklagte in der Hauptverhandlung, damals (ausgenommen den fallweisen Konsum von LSD bei „Techno-Partys“) grundsätzlich „clean“ gewesen zu sein (ON 35, 5). Eine nationalsozialistische oder rechtsradikale Gesinnung ist für § 3g VerbotsG nicht entscheidend (vgl. RIS-Justiz RS0110512), deren behauptetes Fehlen daher unter Strafzumessungsaspekten unbeachtlich.
Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) ist auf Grundlage der Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB) und mit Blick auf den tendenziell geringeren Handlungsunwert und das Fehlen von zu § 3g Abs 1 VerbotsG (als der strafnormierenden Bestimmung) einschlägigen Vorverurteilungen die Verhängung einer Zusatzfreiheitsstrafe von 13 Monaten tat- und schuldangemessen. Diese Strafe entspricht auch spezial- und generalpräventiven Erfordernissen.
Eine bedingte oder teilweise bedingte Nachsicht der Strafe (§§ 43, 43a StGB) kommt aufgrund des belasteten Vorlebens des Angeklagten und der Wirkungslosigkeit früherer Vollzüge aus spezialpräventiven Gründen hingegen nicht in Betracht, weil nicht angenommen werden kann, dass nun die bloße Androhung des Vollzugs der Strafe oder eines Teils davon ausreichen würde, um ihn von neuerlicher Delinquenz abzuhalten.
Der Kostenausspruch ist eine Folge der Sachentscheidung und stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.