9Bs197/25a – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Senatspräsidentin Mag. a Kohlroser als Vorsitzende, die Richterin Mag. a Berzkovics und den Richter Mag. Scherr, LL.M., BA in der Strafvollzugssache des A*wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Vollzugsgericht vom 16. August 2025, GZ **-5, in nichtöffentlicher Sitzung den
BESCHLUSS
gefasst:
Spruch
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO).
Text
BEGRÜNDUNG:
Der am ** geborene moldawische Staatsangehörige A* verbüßt in der Justizanstalt Klagenfurt eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten, die aus dem Urteil zu AZ ** des Landesgerichts Eisenstadt wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG (ON 3) resultiert.
Errechnetes Strafende ist der 7. August 2026. Die Hälfte der Strafe war am 9. August 2025 verbüßt, zwei Drittel werden mit 9. Dezember 2025 vollzogen sein (siehe im Rechtsmittelverfahren aus dem Verfahren B* des Landesgerichts Klagenfurt beigeschaffter IVV-Auszug). Die bedingte Entlassung zum Hälftestichtag wurde mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Vollzugsgericht vom 8. Juli 2025, AZ B*, rechtskräftig abgelehnt (ON 4).
Gegen den Strafgefangenen besteht ein rechtskräftiges für die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot (ON 2.2). Er verfügt über ein gültiges Ausreisedokument (ON 2.1, S 1), und erklärte sich bereit, seiner Ausreiseverpflichtung nach Moldawien nachzukommen (ON 2.1, S 5), wobei die Heimreisekosten der Strafgefangene selbst tragen würde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erklärte in seiner Stellungnahme (ON 2.3), dass einer freiwilligen Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstünden.
Mit dem angefochtenen Beschluss wies das zuständige Vollzugsgericht, entsprechend der negativen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2), den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach dem Vollzug der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Überlegungen ab (ON 5).
Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Strafgefangenen, zu der sich die Oberstaatsanwaltschaft inhaltlich nicht äußerte.
Rechtliche Beurteilung
Im bekämpften Beschluss stellte das Erstgericht die Anlassverurteilung, die Stellungnahmen des Strafgefangenen, der Anklagebehörde und des Leiters der Justizanstalt sowie die für das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- und Aufenthaltsverbots maßgebliche Norm (§ 133a StVG), somit die Sach- und Rechtslage, zutreffend dar, weshalb darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (zur Zulässigkeit: RIS-Justiz RS0115236 [T1], RS0119090 [T4]).
Davon ausgehend stehen einem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug nach § 133a Abs 1 StVG fallbezogen im Sinne der zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss generalpräventive Gründe im Sinne des Abs 2 leg cit entgegen.
Die „Schwere der Tat“ im Sinne des § 133a Abs 2 StVG stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung) einer Tat ab (RIS-Justiz RS0091863), der durch den Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Für die Annahme einer Tatschwere nach § 133a Abs 2 StVG müssen – als Ausnahmesatz – gewichtige Gründe vorliegen, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben ( Pieber in WK 2StVG § 133a Rz 18, Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 16), wobei nicht nur der Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern vor allem auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten ist (vgl Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 43 Rz 18).
Dem gegenständlichen Strafvollzug liegt eine Verurteilung wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG und der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Abs 4 erster Fall FPG zugrunde. Mag auch das vorläufige Absehen vom Strafvollzug nach § 133a StVG bei keinem Straftatbestand und auch bei keiner Tätergruppe aus generalpräventiven Erwägungen grundsätzlich ausgeschlossen sein (RIS-Justiz RS0091771, RS0091695 jeweils zur bedingten Entlassung), bringt die im Strafrahmen der strafsatzbestimmenden Qualifikation nach § 114 Abs 4 FPG von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zum Ausdruck kommende gesetzlicher Vorbewertung den besonders hohen sozialen Störwert der vom Verurteilten zu verantwortenden Delinquenz zum Ausdruck, der sich fallkonkret zudem in der mehrfachen Qualifikation (Verurteilung teils nach Z 1 und Z 3 des § 114 Abs 3 FPG) manifestiert. Mit Blick auf das massiv um sich greifende, auf Gewinnmaximierung zum Nachteil häufig bereits traumatisierter Flüchtlinge ausgerichtete Schlepperunwesen, das zudem für die Geschleppten häufig mit großen Gefahren verbunden ist, bedarf es des konsequenten und im vorliegenden Fall über die Hälfte der Strafzeit hinausgehenden Vollzugs der Sanktion, um potentielle Nachahmungstäter aus dem Verkehrskreis des Strafgefangenen von der Begehung derartiger Straftaten abzuhalten und die generelle Normentreue zu festigen (siehe OLG Graz 10 Bs 126/25t, 10 Bs 130/24d, 10 Bs 133/24w; OLG Wien, 21 Bs 90/24z). Ein zu stark verkürzter Strafvollzug würde dazu führen, die Hemmschwelle für derartige Taten weiter zu senken. Der Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen.