JudikaturOLG Graz

10Bs126/25t – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag. aHaas und Mag. Wieland in der Strafvollzugssache des A* wegen vorläufigen Absehens vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach § 133a StVG über die Beschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Vollzugsgericht vom 28. April 2025, GZ **-5, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu.

BEGRÜNDUNG:

Text

Der am ** geborene bulgarische Staatsangehörige A* verbüßt derzeit in der Justizanstalt Klagenfurt die über ihn im Verfahren des Landesgerichts Korneuburg, AZ **, wegen der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG, des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 1, 2 und 3, Abs 4 erster und zweiter Fall FPG und des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren.

Zu dem der Verurteilung zugrundeliegenden Sachverhalt wird auf die im Akt erliegende Urteilsausfertigung (ON 3) und die aktenkonforme Darstellung im angefochtenem Beschluss (BS 3) verwiesen (zur Zulässigkeit vgl. RIS-Justiz RS0119090 [T3]).

Das urteilsmäßige Strafende ist der 1. Oktober 2026. Die Hälfte der Freiheitsstrafe (§ 46 Abs 1 StGB iVm § 152 Abs 1 Z 1 StVG) ist seit 1. April 2025 vollzogen. Die bedingte Entlassung zu diesem Stichtag wurde mit Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Vollzugsgericht vom 31. März 2025, AZ **, aus generalpräventiven Gründen rechtskräftig abgelehnt (siehe ON 4).

Gegen den Strafgefangenen besteht ein rechtskräftiges für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot (ON 2.2,1ff). Er verfügt über ein gültiges Ausreisedokument (ON 2.1,1) und erklärte sich bereit, seiner Ausreiseverpflichtung nach Bulgarien nachzukommen (ON 2.1,5), wobei die Heimreisekosten der Strafgefangene selbst tragen würde (ON 2.1,1). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (ON 2.3) erklärte in seiner Stellungnahme, dass einer freiwilligen Ausreise keine rechtlichen oder tatsächlichen Hindernisse entgegenstehen.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das zuständige Vollzugsgericht, entsprechend der negativen Stellungnahme der Staatsanwaltschaft (ON 1.2), den Antrag des Strafgefangenen auf vorläufiges Absehen vom Strafvollzug wegen Einreiseverbots oder Aufenthaltsverbots nach dem Vollzug der Hälfte der verhängten Freiheitsstrafe aus generalpräventiven Überlegungen ab (ON 5).

Dagegen richtet sich die rechtzeitige Beschwerde des Strafgefangenen.

Die Oberstaatsanwaltschaft äußerte sich inhaltlich nicht.

Rechtliche Beurteilung

Im bekämpften Beschluss stellte das Erstgericht die Anlassverurteilung des Beschwerdeführers (ON 3), die Stellungnahmen des Strafgefangenen (ON 2.1,5), der Anklagebehörde (ON 1.2) und des Leiters der Justizanstalt (ON 2.1,1) sowie die für das vorläufige Absehen vom Strafvollzug wegen Einreise- oder Aufenthaltsverbots maßgebliche Norm (§ 133a StVG), somit die Sach- und Rechtslage, zutreffend fest, weshalb darauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (zur Zulässigkeit: RIS-Justiz RS0115236 [T1], RS0119090 [T4]).

Davon ausgehend stehen einem vorläufigen Absehen vom Strafvollzug nach § 133a Abs 1 StVG fallbezogen im Sinne der zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss generalpräventive Gründe im Sinne des Abs 2 leg cit entgegen.

Die „Schwere der Tat“ im Sinne des § 133a Abs 2 StVG stellt auf den sozialen Störwert (die kriminelle Bedeutung) einer Tat ab (RIS-Justiz RS0091863), der durch den Handlungs- und Erfolgsunwert determiniert wird. Für die Annahme einer Tatschwere nach § 133a Abs 2 StVG müssen – als Ausnahmesatz – gewichtige Gründe vorliegen, die sich aus Sicht der Allgemeinheit von den regelmäßig auftretenden Begleiterscheinungen strafbaren Verhaltens auffallend abheben ( Pieber in WK 2StVG § 133a Rz 18, Jerabek/Ropperin WK² StGB § 46 Rz 16), wobei nicht nur der Abschreckungseffekt bei potentiellen Tätern, sondern vor allem auch das Interesse an der Festigung genereller Normentreue in der Bevölkerung zu beachten ist (vgl Jerabek/Ropper in WK 2StGB § 43 Rz 18).

Dem gegenständlichen Strafvollzug liegt eine Verurteilung wegen der Verbrechen der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 1 und Z 2, Abs 4 erster Fall FPG, des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1 und Abs 3 Z 1, 2 und 3, Abs 4 erster und zweiter Fall FPG und des Verbrechens der vorsätzlichen Gemeingefährdung nach § 176 Abs 1 StGB zugrunde. Die im Strafrahmen der strafsatzbestimmenden Qualifikation nach § 114 Abs 4 FPG von einem bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe zum Ausdruck kommende gesetzliche Vorbewertung bringt den besonders hohen sozialen Störwert der vom Verurteilten zu vertretenden Delinquenz zum Ausdruck, der sich fallkonkret zudem in der mehrfachen Qualifikation (insbesondere auch nach § 114 Abs 3 Z 3 FPG, dh der Tatbegehung auf eine Art und Weise, durch die die Fremden, insbesondere während der Beförderung, längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden [US 6 „ ...im Laderaum zusammengepferchten Fremden...“]) in Bezug auf eine die nach § 114 Abs 3 Z 2 FPG qualifikationsbegründende Zahl von mindestens drei Fremden beträchtlich übersteigende Anzahl von (insgesamt) 61 Personen, deren Leben – darunter mehrere Kinder (US 5ff) – er vorsätzlich gefährdete (§ 176 Abs 1 StGB), manifestiert. Mit Blick auf das massiv um sich greifende, auf Gewinnmaximierung zum Nachteil häufig bereits traumatisierter Flüchtlinge ausgerichtete Schlepperunwesen, das zudem für die Geschleppten – wie hier – häufig mit großen Gefahren verbunden ist, bedarf es des konsequenten und im vorliegenden Fall über die Hälfte der Strafzeit hinausgehenden Vollzugs der Sanktion, um potentielle Nachahmungstätern aus dem Verkehrskreis des Strafgefangenen von der Begehung derartiger Straftaten abzuhalten und die generelle Normtreue zu festigen (siehe auch OLG Graz 10 Bs 130/24d, 10 Bs 133/24w; OLG Wien, 21 Bs 90/24z). Ein zu stark verkürzter Strafvollzug würde dazu führen, die Hemmschwelle für derartige Taten weiter zu senken. Der Beschwerde war daher der Erfolg zu versagen.

Der Rechtsmittelausschluss gründet auf § 17 Abs 1 Z 3 StVG iVm § 89 Abs 6 StPO.