JudikaturOLG Graz

1Bs44/25t – OLG Graz Entscheidung

Entscheidung
10. April 2025

Kopf

Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Mag. Redtenbacher (Vorsitz) und die Richterin Mag. aSchwingenschuh und Mag. Wieland in der Strafsache gegen A* B* wegen der Vergehen der Versetzung von Grenzzeichen nach § 230 Abs 1 StGB über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Graz gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17. März 2025, GZ **-5, in nichtöffentlicher Sitzung den

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

BEGRÜNDUNG:

Mit Strafantrag vom 24. Jänner 2025, GZ: **-4, legte die Staatsanwaltschaft Graz der am ** geborenen A* B* das (vielmehr [OLG Graz, 10 Bs 153/24m]: die) Vergehen der Versetzung von Grenzzeichen nach § 230 Abs 1 StGB zur Last. Demnach habe die Angeklagte zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen 15. August 2024 und 21. August 2024 in ** zwei Grenzsteine (Grenzkatasterpunkte [ON 2.2,2]), somit zwei zur Bezeichnung der Grenze bestimmte Zeichen, mit dem Vorsatz, Beweismittel für eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu unterdrücken, nämlich den Verlauf der Grundstücksgrenze zwischen den Liegenschaften der Familie B* und der Familie C*, unkenntlich gemacht, indem sie diese mit Beton übergoss, sodass sie nicht mehr sichtbar waren.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das angerufene Erstgericht den Strafantrag gemäß § 485 Abs 1 Z 2 (gemeint: Z 3) iVm § 212 Z 2 StPO zurück und stellte das Strafverfahren mit der wesentlichen Begründung ein, dass der Tatverdacht ausschließlich auf den vagen Angaben der Zeugin D* C* gründe, wobei die Art und Weise der Anbringung des Betons auf ein fahrlässiges bzw. unbewusstes Handeln schließen lasse und somit auch der Nachweis des Tatvorsatzes, der sich vom Vorwurf distanzierenden Angeklagten, nicht wahrscheinlich sei. Zudem könnte – zumindest teilweise – der Strafaufhebungsgrund des § 230 Abs 2 vorliegen, sodass im Ergebnis mangels konkreter Beweisergebnisse, welche tatsächlich auf eine Tathandlung der Angeklagten hindeuten, fraglichem Vorsatz und einer möglichen Strafaufhebung nach § 230 Abs 2 StGB eine Verurteilung der Angeklagten beinahe unmöglich erscheine.

In der dagegen erhobenen (rechtzeitigen) Beschwerde argumentiert die Staatsanwaltschaft, dass eine hinreichende Verurteilungswahrscheinlichkeit vorliege, wobei insbesondere das mögliche Tatmotiv (siehe ON 2.18 und ON 3), die Angaben der einvernommen Zeugen (ON 2.9 und ON 2.22 sowie ON 2.23 und ON 2.24) und die vorliegenden Lichtbilder der unkenntlich gemachten Grenzsteine (ON 2.10 bis ON 2.13 sowie ON 2.19 bis ON 2.21) ein schlüssiges, die Täterschaft der Angeklagten indizierendes, Gesamtbild ergeben würden.

Die Oberstaatsanwaltschaft äußerte sich inhaltlich nicht.

Die Angeklagte brachte, über ihren bevollmächtigten Sohn, am 3. April 2025 als Gegenäußerung zur Beschwerde der Staatsanwaltschaft ein umfassendes Schreiben mit zahlreichen Beilagen (zur Zulässigkeit von Neuerungen im Beschwerdeverfahren siehe Strickerin LiKo § 89 StPO Rz 22; Birklbauerin WK StPO § 213 Rz 27) ein.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist nicht erfolgreich.

Gemäß § 485 Abs 1 Z 3 StPO hat das Gericht den Strafantrag vor Anordnung der Hauptverhandlung zu prüfen und diesen mit Beschluss zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen, wenn Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz hinreichend geklärten Sachverhalts nicht ausreichen, um eine Verurteilung des Angeklagten auch nur für möglich zu halten und von weiteren Ermittlungen eine Intensivierung des Verdachts nicht zu erwarten ist (§ 212 Z 2 StPO). Gelangt somit der Einzelrichter des Landesgerichts im Zuge der Überprüfung des Strafantrages zu dem Ergebnis, dass der Sachverhalt – wie hier vom Erstgericht festgestellt (ON 5,3) – ausreichend ausermittelt ist, aber – bei verständiger Würdigung der vorliegenden Beweismittel – keine Verurteilungsmöglichkeit vorliegt, hat er den Strafantrag zurückzuweisen und das Verfahren einzustellen ( Schröder/Wess, LiK StPO § 212 Rz 15). Demgemäß setzt die Einbringung eines Strafantrags eine sich aus den Akten ergebende einfache Wahrscheinlichkeit voraus, das Gericht werde aufgrund des in der Hauptverhandlung durchzuführenden Beweisverfahrens den Angeklagten der ihm vorgeworfenen Tat schuldig erkennen ( Pilnacek/Pleischl, Das neue Vorverfahren Rz 807). Um der Entscheidung des erkennenden Gerichts nicht vorzugreifen, kommt eine Einstellung des Verfahrens durch das Oberlandesgericht bzw. den Einzelrichter des Landesgerichts (§ 215 Abs 2 StPO; § 485 Abs 1 Z 3 StPO) nur dann in Betracht, wenn es/er der Überzeugung ist, dass der Angeklagte der Tat keinesfalls überwiesen werden könne, dass somit Dringlichkeit und Gewicht des Tatverdachts trotz eingehender Ermittlungen nicht ausreichen, bei lebensnaher Betrachtung eine Verurteilung auch nur (entfernt) für möglich zu halten ( Fabrizy/Michel-Kwapinski/Oshidari, StPO 14§ 212 Rz 4). Sobald daher die (theoretische) Möglichkeit einer Verurteilung im Rahmen des Hauptverfahrens besteht, liegt § 212 Z 2 StPO nicht vor und ist über die erhobenen Vorwürfe im Zuge der Hauptverhandlung zu entscheiden ( Birklbauer , WK-StPO § 212 Rz 19). Dieser Einspruchsgrund ist daher restriktiv auszulegen und auf eine Art Missbrauchskontrolle zu beschränken ( Schröder/Wess , aaO Rz 16; siehe auch OLG Wien, 23 Bs 350/23y).

Der Entscheidung des erkennenden Gerichts über die Hauptsache in der mit weitergehenden rechtlichen Garantien ausgestatteten Hauptverhandlung darf zudem nicht vorgegriffen werden. Die Beweisfrage ist daher durch das Gericht nur so weit zu lösen, wie die Prüfung der Zulässigkeit der Anklage dies erfordert, nämlich im Hinblick auf das Vorliegen eines bloß einfachen Tatverdachts. Die Beweisergebnisse im Einzelnen und/oder in ihrer Gesamtheit auszuwerten und dabei eigene Überzeugungen auszudrücken, ist dem Gericht - über die Prüfung des Vorliegens eines einfachen Tatverdachts hinaus - verwehrt ( Birklbauer ,WK-StPO § 215 Rz 25 f; OLG Innsbruck, 11 Bs 286/20a).

Wenngleich in den Beweiserwägungen des Erstgerichts eine Darstellung der eigenen Überzeugungen der gesamthaft ausgewerteten Beweismittel erblickt werden kann, welche im Sinne der obigen Ausführungen eigentlich der Hauptverhandlung vorzubehalten gewesen wären, so ist die Entscheidung im Lichte der eingetretenen Neuerungen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Im gegenständlichen Fall gründet die Staatsanwaltschaft die Verurteilungswahrscheinlichkeit auf eine Gesamtschau der Umstände, die aus einem Nachbarschaftskonflikt resultieren. Die Angeklagte wurde einige (wenige) Tage vor dem 21. August 2024, dem Zeitpunkt der vermeintlichen Wahrnehmung der Unkenntlichmachung der Grenzsteine durch die Anzeiger E* und D* C* (ON 2.9; ON 2.23,1; ON 2.24,1), in der Nähe des Tatorts mit einem Werkzeug (vermutlich einer Kelle) und einem Kübel gesehen (ON 2.24,1). Auch wurde sie bei (vermeintlichen) Sanierungsarbeiten an der Mauer (ON 2.23,1) beobachtet. Nach Ansprache des E* C* (ON 2.9,4) am 21. August 2024 der Angeklagten gegenüber, wurde einer der Grenzsteine im Zeitraum zwischen dem 21. August 2024 und dem 23. August 2024 wieder freigelegt (ON 2.19,9).

Bei einer isolierten Betrachtung der bis zur Einbringung des Strafantrags vorliegenden Beweisergebnisse wäre daher im Sinne einer geschlossenen Indizienkette (siehe auch RIS - Justiz RS0099300; RS0098249) eine einfache Verurteilungswahrscheinlichkeit, angesichts des Tatmotivs und der zum damaligen Zeitpunkt a prima vista glaubhaften Belastungen der beiden Zeugen im Hinblick auf Tatort, Tatzeit, Tathandlung und (vermeintliches) Tatwerkzeug - im Sinne der Ausführungen der Staatsanwaltschaft - gegeben gewesen. Ansonsten hätte man sich – der allgemeinen Lebenserfahrung zuwiderlaufend (siehe auch zur dann geltenden erhöhten Begründungspflicht RIS-Justiz RS0099737) – nämlich die Frage stellen müssen, wer sonst ein Motiv zur Durchführung von Betonarbeiten an einer fremden Mauer gehabt hätte. Diese einfache Verurteilungswahrscheinlichkeit wird allerdings durch die in der Gegenäußerung zur Beschwerde beigelegten (unbedenklichen) Unterlagen aufgehoben. Neben der in der Gegenäußerung (weitwendig) vorgetragenen Vorgeschichte, die ein allfälliges Motiv für eine Falschbelastung darstellen könnte, spricht gegen eine Täterschaft der Angeklagten insbesondere der Umstand, dass zumindest ab dem 7. August 2024 - von den Zeugen C* geflissentlich unerwähnt - offenbar Betonierungs- und Malerarbeiten auf deren Grundstück im unmittelbaren Nahebereich der Grenzsteine durchgeführt wurden (siehe Beilage 3 der Gegenäußerung, Seite 6ff sowie Beilage 4 der Gegenäußerung, Seite 3ff). Die Grenzsteine waren – soweit auf den Bildern ersichtlich – bereits zu diesem Zeitpunkt, mithin rund vierzehn Tage vor der behaupteten Anwesenheit der Angeklagten am Tatort, unkenntlich gemacht worden. Auch das Argument der späteren Freilegung eines der Grenzsteine nach Ansprache der Angeklagten verfängt nicht, ergibt sich aus den vorgelegten Unterlagen doch, dass später auch weitere Veränderungen (primär am Grundstück der Zeugen) vorgenommen wurden (Beilage 4 der Gegenäußerung, Seite 4ff). Angesichts des nunmehr vorgelagerten Tatzeitpunkts (zumindest ab 7. August 2024) ist die Indizienkette durchbrochen (siehe auch 11 Os 60/09x). Aus den vorliegenden (verbleibenden) Beweisergebnissen kann – in Übereinstimmung mit der Kriminalpolizei (ON 2.2,4) – kein logischer Schluss auf die Täterschaft der Angeklagten gezogen werden. Die Anwesenheit am Tatort rund vierzehn Tage nach der Tat vermag unter Zugrundelegung des Ursprungs der Betonarbeiten im Wirkungsbereich der Anzeiger keine Verurteilungswahrscheinlichkeit zu begründen. Weitere der Aufklärung dienliche Beweismittel sind nicht ersichtlich (siehe auch ON 2.2,4). Mangels einer nach dem Akteninhalt realistischen Möglichkeit einer Verurteilung hat das Erstgericht den - restriktiv anzuwendenden - Zurückweisungsgrund des § 485 Abs 1 Z 3 StPO iVm § 212 Z 2 StPO im Ergebnis daher zu Recht angenommen, sodass auf die weiteren im Beschluss angezogenen Argumente eines etwaigen Strafaufhebungsgrunds (siehe dazu zuletzt auch OLG Graz, 10 Bs 153/24m) nicht mehr einzugehen ist. Der Vollständigkeit halber sei aber erwähnt, dass die Staatsanwaltschaft ohnedies nur zwei unkenntlich gemacht Grenzkatasterpunkte unter Anklage gestellt hatte (ON 4), mithin im Zeitpunkt der Anklage bereits den Strafaufhebungsgrund des § 230 Abs 2 StGB hinsichtlich des dritten Grenzkatasterpunkts ausdrücklich anerkannt hat.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diese Entscheidung steht ein weiterer Rechtszug nicht zu (§ 89 Abs 6 StPO).