10Bs153/24m – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat durch die Richter Dr. Sutter (Vorsitz), Mag a . Haas und Mag a . Tröster in der Strafsache gegen A* B* wegen Vergehen der Versetzung von Grenzzeichen nach § 230 Abs 1 StGB über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 21. Februar 2024, GZ **-19, in nichtöffentlicher Beratung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Mit seiner Berufung und seiner Beschwerde wird der Angeklagte darauf verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde A* B* „des Vergehens“ der Versetzung von Grenzzeichen nach § 230 Abs 1 StGB schuldig erkannt und hiefür gemäß § 230 Abs 1 StGB zur Freiheitsstrafe von vier Monaten, die gemäß § 43 (Abs 1) StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt und gemäß § 389 Abs 1 StPO zum Verfahrenskostenersatz verpflichtet.
Danach hat er im Juli 2023 in ** ein zur Bezeichnung der Grenze bestimmtes Zeichen, und zwar die zwischen den Grundstücken 892, 898, 902/1 und 900 je einliegend in der KG ** eingemessenen Grenzpunkte/Metallmarken 4148, 4149, 4150 und 4151 dadurch zumindest unkenntlich gemacht, dass er diese im Zuge von Wegarbeiten verschüttete.
Mit gleichzeitig gefasstem Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO sah das Erstgericht vom Widerruf der bedingten Strafnachsicht zu AZ ** des Landesgerichts Klagenfurt ab, verlängerte jedoch gemäß Abs 6 leg cit die Probezeit auf fünf Jahre.
Gegen das Urteil wendet sich die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und die Strafe. Die damit verbundene Beschwerde richtet sich gegen den Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2 iVm Abs 6 StPO (ON 25.1).
Die Oberstaatsanwaltschaft Graz äußerte in ihrer Stellungnahme vom 15. Juli 2024 Bedenken an der erstgerichtlichen Beweiswürdigung.
Rechtliche Beurteilung
Aus Anlass der Berufung überzeugte sich das Rechtsmittelgericht davon, dass der Schuldspruch mit der vom Angeklagten nicht relevierten, diesem zum Nachteil gereichenden materiellen, somit von Amts wegen aufzugreifenden Nichtigkeit behaftet ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall [489 Abs 1 zweiter Satz, 471] StPO).
Nach § 230 Abs 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen, wer ein zur Bezeichnung der Grenze oder des Wasserstands bestimmtes Zeichen mit dem Vorsatz, ein Beweismittel für eine Tatsache von rechtlicher Bedeutung zu schaffen oder zu unterdrücken, unrichtig setzt, verrückt, beseitigt oder unkenntlich macht.
Danach ist in Bezug auf jedes einzelne Grenzzeichen von einer gesondert zu beurteilenden Tat und dem folgend von echter Realkonkurrenz dadurch verwirklichter strafbarer Handlungen auszugehen.
Nach § 230 Abs 2 StGB ist nach Abs 1 leg.cit. nicht zu bestrafen, wer freiwillig das Zeichen, bevor es als Beweismittel herangezogen werden sollte oder herangezogen worden ist, berichtigt oder wiederherstellt oder auf andere Art bewirkt, dass die Tat den Beweis, dem das Zeichen dienen sollte, nicht behindert.
Damit ist tätige Reue nach Maßgabe des § 230 Abs 2 StGB zulässig und möglich. Der Täter kann somit Straflosigkeit erlangen, wenn er freiwillig und rechtzeitig, nämlich bevor das Grenzzeichen als Beweismittel z.B. bei einer Grenzbegehung herangezogen wird, es berichtigt oder wiederherstellt oder auf andere Art die „Versetzung“ rückgängig macht ( Kienapfel/Schroll in WK 2 StGB § 230 Rz14; Tipold in Leukauf/Steininger, StGB 4 § 230 Rz 9 und Mayerhofer , StGB 6 § 230 Anm 3).
Der Angeklagte verantwortete sich dahingehend, dass er bei der von ihm vorgenommenen Verbreiterung des Wegs, in deren Zuge er auch Vertiefungen mit bergseitig abgetragenem Material zugeschüttet habe, nur zwei Grenzzeichen, und zwar eines am Anfang und eines am Ende des Weges (und zwar die Grenzzeichen 4148 und 4167) erkennen konnte. Die anderen Grenzzeichen seien vermutlich durch Gras „verwachsen“ und daher nicht mehr ersichtlich gewesen. Er habe „nichts beschädigt oder manipuliert“ (ON 6.5, 4). In der Hauptverhandlung (ON 15, 2 f) hielt der Angeklagte seine Verantwortung aufrecht und führte aus, dass die Grenzzeichen 4148, 4150 und 4151 (nach wie vor) vorhanden seien. Die Grenzmarke 4148 sei immer ersichtlich gewesen. Die Grenzmarken 4150 und 4151 habe er vor der Hauptverhandlung gesucht, gefunden und fotografiert. Sie hätten sich unter Gras und Laub befunden. Hinsichtlich dieser drei Grenzmarken legte der Angeklagte aktuelle Lichtbilder vor bzw zeigte in der Hauptverhandlung davon Fotos auf seinem Mobiltelefon. Das Grenzzeichen 4149 habe er trotz „Aufgrabens“ am vermeintlichen Grenzpunkt nicht vorgefunden.
Die Verantwortung des Angeklagten in Verbindung mit den aktuellen Aufnahmen, wonach die urteilsgegenständlichen Grenzzeichen bis auf dasjenige mit der Bezeichnung 4149 in der Natur vorhanden sind, indiziert, dass – wie vom Erstgericht auch in der Beweiswürdigung angenommen – der Angeklagte diese drei Grenzpunkte (jedenfalls) wieder ersichtlich gemacht hat. Im gegenständlichen Verfahren hat der Angeklagte den durch die Grenzzeichen markierten, bereits vermessenen und im Verfahren AZ ** des Bezirksgerichts Spittal an der Drau auch rechtskräftig zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen C* B* festgestellten Grenzverlauf nicht bestritten, sondern das von ihm im Verfahren AZ ** des Landesgerichts Klagenfurt angekündigte Vorhaben (vgl ON 17, 7 in diesem Akt), den Saumpfad hangseitig und damit auf der ihm zugeordneten Fläche zu verbreitern und mit einem Traktor befahrbar zu machen, umgesetzt.
Diese durch Lichtbilder untermauerte Verantwortung des Angeklagten und, dass der Täter nach § 230 Abs 2 StGB auch auf andere Art, zum Beispiel durch Anerkennen des Grenzverlaufs, den der Angeklagte fallbezogen gar nicht in Abrede gestellt hat, tätige Reue üben kann, legt die Möglichkeit einer anderen Beurteilung auch bezüglich des nicht aufgefundenen Grenzzeichens 4149 nahe.
Feststellungen zum bezüglich aller vier urteilsgegenständlichen Grenzzeichen indizierten Strafaufhebungsgrund nach § 230 Abs 2 StGB hat das Erstgericht, das in seiner Beweiswürdigung auf (die Bemühungen des Angeklagten um) das nachträgliche Ersichtlichmachen der Vermessungszeichen Bezug nimmt (US 5 und 6) nicht getroffen.
Machen aber Feststellungen die (implizite rechtliche) Annahme der Beseitigung eines (nach dem Urteilssachverhalt gegebenen) Ausnahmesatzes (hier: tätige Reue) unschlüssig, liegt ein Rechtsfehler mangels Feststellungen (hier: § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO) vor (RIS-Justiz RS0122332 [T4, 6 und 11]). Dieser Rechtsfehler führt bereits in nichtöffentlicher Beratung zur Aufhebung des Urteils und des davon abhängigen Beschlusses nach § 494a StPO und zur Zurückweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§ 470 Z 3 iVm § 489 Abs 1 StPO).
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Da sein Rechtsmittel aufgrund einer amtswegigen Maßnahme gegenstandslos geworden ist, trifft den Angeklagten keine Verpflichtung zum Kostenersatz ( Lendl in WK-StPO § 390a Rz 12; RIS-Justiz RS0101558 [T1]).