2R192/24h – OLG Graz Entscheidung
Kopf
Das Oberlandesgericht Graz hat als Rekursgericht durch den Richter Dr. Kirsch (Vorsitz), die Richterin Mag a . Schiller und den Richter Mag. Scheuerer in der Rechtssache des Klägers A* , geboren am **, **, vertreten durch die Allmayer-Beck Stockert Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Beklagte B* , **-Malta, vertreten durch die BK.PARTNERS Bugelnig Kirner Rechtsanwälte OG in Wien, wegen (eingeschränkt auf) Verfahrenskosten , über den Rekurs der Beklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 5. November 2024, **-11, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit EUR 336,82 (darin enthalten EUR 56,14 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
Die Beklagte bietet über ihre deutschsprachige Internetseite (**) Online-Glücksspiele (sogenannte „Casinospiele“) in Österreich an. Der in Österreich wohnhafte Kläger richtete ein Konto („Account“) auf der vorgenannten Internetseite ein. Er überwies Geldbeträge auf dieses Konto, setzte sie bei Casinospielen der Beklagten ein und verlor.
Unter Verweis auf die Bevollmächtigung durch den Kläger richtete die Klagevertreterin am 23. Mai 2024 eine E-Mail an die Beklagte, die auszugsweise lautet:
Diesem Schreiben legte sie eine Vollmacht bei, die vom Kläger wie folgt elektronisch unterfertigt war.
Gleichzeitig übermittelte die Klagevertreterin nachstehende Ausweiskopie an die Beklagte:
Im Antwortschreiben vom 26. Mai 2024 wies die Beklagte darauf hin, dass sie eine Konkretisierung der Gesellschaft benötige, auf die sich die Datenschutzanfrage beziehe. Zudem forderte sie die Vertreterin des Klägers auf, eine gültige Kopie der Vollmacht zu übermitteln. Sie wies darauf hin, dass sie eine Vollmacht nur dann akzeptiere, wenn diese vom Kunden handschriftlich und in Tinte unterzeichnet sei.
Dieses Schreiben der Beklagten ließ der Kläger unbeantwortet. Am 5. Juli 2024 brachte er die vorliegende Klage ein.
Am 1. August 2024 richtete die Beklagte ein Schreiben an die Klagevertreterin, in welchem sie nochmals auf die Anfrage vom 23. Mai 2024 und die Gründe Bezug nahm, weshalb dieser bisher nicht entsprochen wurde. Sie führte aus, die Klage erhalten zu haben, weshalb im Sinne des § 8 RAO eine rechtsgültige Vollmacht vorliege. Gleichzeitig übermittelte sie die mit Schreiben der Klagevertreterin vom 23. Mai 2024 geforderten Informationen.
Die Unterschriften in der Vollmacht und die Unterschrift in der Ausweiskopie weisen das gleiche Schriftbild auf.
Im Prozess begehrte der Kläger – gestützt auf Art 15 Abs 1 und Abs 3 DSGVO – die Beklagte zu verpflichten, ihm eine Kopie seiner Daten digital zu übermitteln, die Gegenstand der Verarbeitung der Beklagten seien. Trotz Aufforderung weigere sich die Beklagte aus fadenscheinigen Gründen, eine Liste oder Daten zur Verfügung zu stellen, aus welchen sich sämtliche Ein- und Auszahlungen, sowie bei Sportwetten getätigte Einsätze, Gewinne und Verluste ergeben.
Am 1. August 2024 kam die Beklagte dem Auskunftsersuchen des Klägers vollständig nach und sie anerkannte in der Klagebeantwortung das Auskunftsbegehren des Klägers.
Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2024 schränkte der Kläger sein Begehren auf Kostenersatz ein. Die Beklagte habe das von der Klagevertreterin in seinem Namen gemäß Art 15 DSGVO gestellte Rechnungslegungs- und Auskunftsersuchen vom 23. Mai 2024 abgelehnt, weil die gleichzeitig vorgelegte Vollmacht nicht handschriftlich mit Tinte vom Kläger unterfertigt gewesen sei. Da die Vorlage einer handschriftlich unterfertigten Vollmacht keine Voraussetzung für eine derartige Anfrage sei, sei auf das Schreiben der Beklagten nicht reagiert und die Klage eingebracht worden. Die Beklagte habe daher Grund zur Klagsführung gegeben. Sie könne sich ungeachtet der Erfüllung und des Anerkenntnisses des Klagebegehrens in der Klagebeantwortung nicht auf § 45 ZPO berufen.
Die Beklagte wendet ein , dem Aufforderungsschreiben vom 23.Mai 2024 habe es an einer rechtsgültigen Vollmacht gefehlt. Die „einfache“ elektronische Signatur entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben und weiche zudem von der Unterschrift im Ausweisdokument ab. Die Beklagte habe die Klagevertreterin mit Schreiben vom 26. Mai 2024 um Übermittlung einer korrekten Vollmacht ersucht. Auf diese Nachricht habe die Klagevertreterin nicht mehr reagiert, sondern unmittelbar die Klage eingebracht.
Mit dem angefochtenen Urteil verpflichtete das Erstgericht die Beklagte, dem Kläger die mit EUR 1.559,60 (darin enthalten EUR 204,10 Umsatzsteuer und EUR 335,00 Barauslagen) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen. Es traf dazu über den eingangs zusammengefassten Sachverhalt hinaus die auf den Urteilsseiten 3 bis 5 enthaltenen Tatsachenfeststellungen, auf die das Rekursgericht verweist. In seiner rechtlichen Beurteilung gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, die Forderung der Beklagten nach einer Unterschrift des Auskunftswerbers in Tinte verstoße gegen den Erleichterungsgrundsatz des Art 12 Abs 2 DSGVO. Nur wenn der datenschutzrechtlich Verantwortliche begründete Zweifel an der Identität des Auskunftswerbers habe, könne er zusätzliche Informationen zu dessen Identifizierung fordern. Die Beklagte habe es unterlassen, solche Zweifel darzutun, sondern bloß „pauschal“ eine handschriftlich in Tinte unterfertigte Vollmacht gefordert. Für das Gericht würden auch keine begründeten Zweifel an der Identität des Auskunftswerbers vorliegen, weil sich die Unterschriften des Klägers auf der Vollmacht Beilage ./6 und der Ausweiskopie Beilage ./7 decken würden. Die Beklagte habe durch ihr Verhalten Anlass zur Klagsführung gegeben.
Gegen dieses Urteil richtet sich der Rekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung einschließlich sekundärer Feststellungsmängel. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, den Kläger zum Ersatz ihrer Verfahrenskosten in Höhe von EUR 1.170,35 (darin enthalten EUR 178,53 Umsatzsteuer) zu verpflichten.
Der Kläger beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt .
1. Schränkt der Kläger das Klagebegehren auf Kostenersatz ein, ist der Rechtsstreit über das Kostenbegehren – und damit als Vorfrage über die ursprüngliche Berechtigung des Klagebegehrens – ohne Beweiserleichterung fortzusetzen. Die Rechtsprechung entscheidet in solchen Verfahren mit Urteil, gegen das ein Rekurs zulässig ist ( Fucik in Rechberger/Klicka 5 § 41 ZPO Rz 3; RS0036080).
2. Der Kläger richtete – vertreten durch einen Rechtsanwalt – ein Auskunftsersuchen nach Art 15 DSGVO an die Beklagte. Die Bevollmächtigung seiner Vertreterin wies er durch Anschluss einer von ihm elektronisch signierten Vollmacht nach. Als weiterer Identitätsnachweis wurde der Beklagten eine Kopie des Personalausweises des Klägers übermittelt. Die – wenn auch elektronische – Unterschrift auf der übermittelten Vollmacht wies das gleiche Schriftbild auf, wie jene auf der Ausweiskopie. Die Beklagte kam dem Auskunftsbegehren dennoch nicht nach. Vielmehr forderte sie die Vorlage einer vom Kläger handschriftlich mit Tinte unterfertigten Vollmacht.
3. Art 12 DSGVO regelt das Verfahren zur Erfüllung der Betroffenenrechte durch den Verantwortlichen (hier die Beklagte) und präzisiert den Grundsatz der Transparenz. Anschließend sehen die Art 13 und 14 DSGVO umfangreiche aktive Informations-verpflichtungen des Verantwortlichen vor. Darauf folgen die Betroffenenrechte: Die bereits in § 1 DSG und teilweise in Art 8 GRC vorgesehenen Grundrechte auf Auskunft, Löschung und Berichtigung werden in Art 15 – 17 DSGVO näher ausgestaltet ( Haidinger/Illibauer in Knyrim, Datenschutzrecht 4 Kap 8 Rz 8.2) .
Der Verantwortliche hat der betroffenen Person die Ausübung der Betroffenenrechte möglichst einfach zu machen („Erleichterungsgrundsatz“, Art 12 Abs 2 DSGVO). Hat er Zweifel an der Identität der Person, die den Antrag gemäß den Art 15 bis 21 DSGVO stellt, kann er zusätzliche Informationen anfordern, die zur Bestätigung der Identität der betroffenen Person erforderlich sind (Art 12 Abs 6 DSGVO). Es besteht keine Verpflichtung der betroffenen Person, die Identität bereits beim Ersuchen bekannt zu geben (wie es § 26 Abs 1 DSG vorsah). Der Verantwortliche darf nicht generell einen Identitätsnachweis verlangen, sondern muss im Einzelfall prüfen und entscheiden. Zur Identifizierung eignen sich üblicherweise Ausweisdokumente oder sonstige Authentifizierungsverfahren wie beispielsweise qualifizierte elektronische Signaturen ( Haidinger/Illibauer aaO Rz 8.25).
Kann der Verantwortliche die betroffene Person nicht identifizieren, kann er sich weigern, auf eine Betroffenenanfrage hin tätig zu werden (Art 12 Abs 2 DSGVO). Der Verantwortliche muss in diesen Fällen glaubhaft machen, nicht in der Lage zu sein, die betroffene Person zu identifizieren.
Das Auskunftsbegehren ist unverzüglich zu beantworten, längstens binnen einem Monat nach Einlangen.
4. Damit steht dem Recht des Klägers, Auskunft über seine personenbezogenen Daten nach Art 15 DSGVO zu verlangen, die Verpflichtung des datenschutzrechtlich Verantwortlichen (hier der Beklagten) gegenüber, die Identität des Auskunftswerbers festzustellen. Diese Identitätsfeststellung war der Beklagten anhand der vorgelegten Dokumente (elektronisch signierte Vollmacht samt Kopie des Personalausweises; gleiches Schriftbild der Unterschriften) möglich. Entgegen der Ansicht der Beklagten gelten für den Abschluss eines Bevollmächtigungsvertrages keine besonderen Formvorschriften (§ 1005 ABGB; RS0019359), sodass die von der Klagevertreterin vorgelegte Vollmacht des Klägers rechtsgültig war. Auch die DSGVO sieht keine Verpflichtung vor, eine qualifiziert elektronisch signierte oder mit Tinte unterfertigte Vollmacht beizubringen. Zudem begegnete die Klagevertreterin möglichen Zweifeln an der Identität des Klägers bereits vorab, indem sie dem Aufforderungsschreiben zusätzlich eine Ausweiskopie des Klägers anschloss.
Die Beklagte hätte bei ihrer Weigerung, auf die Anfrage des Klägers hin tätig zu werden, glaubhaft machen müssen, nicht in der Lage zu sein, die betroffene Person zu identifizieren. Die Beklagte forderte jedoch – ohne diesen Zweifel an der Identität des Klägers zu äußern – bloß eine handschriftlich mit Tinte unterfertigte Vollmacht. Dieses Vorgehen verstieß eindeutig gegen Art 12 DSGVO ( Haidinger/Illibauer in Knyrim aaO Rz 8.28f), sodass der Kläger zur Klagsführung genötigt war.
Dem Rekurs war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens gründet sich auf die §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO, § 11 Abs 1 Satz 2 RATG.
Der Ausspruch über die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses beruht auf § 528 Abs 2 Z 3 ZPO.