Der Oberste Gerichtshof hat am 19. November 2025 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Sadoghi sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Riffel und Dr. Farkas in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Strubreiter im Verfahren zur Übergabe des * S* zur Strafverfolgung an die Bundesrepublik Deutschland, AZ 405 HR 82/25k des Landesgerichts Korneuburg, über den Antrag des Betroffenen auf Erneuerung des Verfahrens nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe:
[1] Mit Beschluss vom 23. Juli 2025, AZ 405 HR 82/25k, erklärte das Landesgericht Korneuburg – soweit hier von Bedeutung – die Übergabe des türkischen Staatsangehörigen * S* zur Strafverfolgung an die Bundesrepublik Deutschland wegen der im Europäischen Haftbefehl des Amtsgerichts Dresden vom 6. Mai 2025, AZ 272 Gs 2119/25, beschriebenen Tatvorwürfe für zulässig.
[2] Der dagegen erhobenen Beschwerde des Betroffenen gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluss vom 16. September 2025, AZ 22 Bs 246/25z, nicht Folge.
[3] Mit dem auf letztere Entscheidung bezogenen Antrag auf Erneuerung wendet S* Verletzungen von Art 6 MRK sowie von Rechten nach der GRC und dem B VG ein und regt die Zuerkennung aufschiebender Wirkung in Ansehung des Vollzugs der Übergabe an.
[4] Mit Beschluss des Amtsgerichts Dresden vom 2. Oktober 2025 wurde der Haftbefehl zu AZ 272 Gs 2119/25 unter Auflagen außer Vollzug gesetzt, gleichzeitig wurden der Europäische Haftbefehl vom 6. Mai 2025 aufgehoben und die Fahndung im SIS gelöscht (ON 67.1, 4 f, ON 71 in AZ 28 HSt 14/25a der Staatsanwaltschaft Korneuburg). Daraufhin hob das Landesgericht Korneuburg mit Beschluss vom selben Tag die zuvor erlassene Festnahmeanordnung auf und erklärte „die Übergabe für hinfällig“ (ON 68). Damit wurde das inländische Übergabeverfahren – mangels Vorliegens eines Europäischen Haftbefehls oder einer Ausschreibung im SIS zur Festnahme (vgl § 16 Abs 1 EUJZG) – ohne Übergabe des Betroffenen beendet (vgl 11 Os 26/18k; Hinterhofer in WK 2EU-JZG § 16 Rz 6).
[5] Solcherart fehlt es dem Erneuerungswerber, der durch die bekämpfte Entscheidung nicht (mehr) betroffen ist ( Grabenwarter/Pabel, EMRK 7 § 13 Rz 16), bereits an der auch für Erneuerungsanträge gemäß § 363a StPO im erweiterten Anwendungsbereich geltenden Zulässigkeitsvoraussetzung der Opfereigenschaft (vgl RISJustiz RS0122737 [T9], RS0125374 [T19]; EGMR 9. 11. 23, 33024/19, Firtash gegen Österreich ). Deren Entfall steht der Erneuerung entgegen (vgl Kirchbacher, StPO 15 § 363a Rz 7) .
[6] Der Antrag war solcherart mangels Rechtswirkungen der bekämpften Entscheidung auf den Betroffenen ( Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK 5Art 34 Rz 27) bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 363b Abs 2 StPO; Rebisant , WKStPO § 363c Rz 101).
[7] Im Übrigen hat das Antragsvorbringen, soweit es sich auf eine Verletzung eines nationalen Grundrechts (Art 83 Abs 2 B VG) oder einer Garantie der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Art 20 GRC) bezieht, auf sich zu beruhen (RISJustiz RS0132365 [T2]).
[8]Verfahren über die Auslieferung fallen als solche grundsätzlich nicht in den Schutzbereich des Art 6 MRK, weil in ihnen nicht über die „Stichhaltigkeit“ einer „strafrechtlichen Anklage“ im Sinn der Konvention entschieden wird (RIS-Justiz RS0132638, RS0123200 [T3]). Auf die unter dem Aspekt des Art 6 Abs 1 MRK behaupteten Begründungsdefizite des bekämpften Beschlusses des Oberlandesgerichts ist daher nicht näher einzugehen (15 Os 95/24w [Rz 9 f]).
[9] Die Verfahrensgarantien des Art 6 MRK können für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung nur dann (ausnahmsweise) Relevanz erlangen, wenn die betroffene Person nachweist, dass ihr im ersuchenden Staat eine offenkundige Verweigerung eines fairen Verfahrens („a flagrant denial of justice“) droht (RISJustiz RS0123200). Dies wird im Antrag nicht einmal behauptet.
[10]Das gegen eine Weisung des Erstgerichts gerichtete Vorbringen ist einer inhaltlichen Erwiderung im Rahmen des Erneuerungsverfahrens nicht zugänglich (RIS-Justiz RS012273 7 ).
[11] Für eine Hemmung des Vollzugs der Übergabe (vgl RISJustiz RS0125705) bestand mangels Bezugspunkts einer solchen kein Anlass.
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