Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und durch die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E* Z*, vertreten durch die Scheiber Rechtsanwalt GmbH in Umhausen, gegen die beklagte Partei T* AG, *, vertreten durch Kroker Tonini Höss Lajlar Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 1.923,09 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. Juli 2025, GZ 2 R 89/25t 63, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger hatte mit der Beklagten, einem Energieversorgungsunternehmen, im Jahr 2002 einen Stromliefervertrag abgeschlossen. Mit Schreiben vom 28. 11. 2023 kündigte die Beklagte den Stromliefervertrag zum 31. 3. 2024 und wies gleichzeitig auf die Möglichkeit des Abschlusses eines neuen Stromliefervertrags mit angepassten Konditionen hin.
[2] Der Kläger schloss keinen neuen Stromliefervertrag mit der Beklagten oder einem anderen Anbieter ab. Mit Schreiben vom 15. 4. 2024 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er ab 1. 4. 2024 im Rahmen der Grundversorgung beliefert werde.
[3] Die Vorinstanzen wiesen – soweit im Revisionsverfahren relevant – das auf Feststellung des aufrechten Bestands des abgeschlossenen Stromliefervertrags gerichtete Klagebegehren ab. Das Schreiben der Beklagten vom 28. 11. 2023 sei als gemäß § 76 Abs 1 ElWOG wirksame Kündigung des Stromliefervertrags anzusehen. Eine Preis- oder Vertragsänderung gemäß § 80 ElWOG liege darin ebenso wenig wie ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen.
[4] Die Revisiondes Klägers ist mangels Aufzeigens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .
[5]1.1. Nach der klaren gesetzlichen Regelung können Lieferanten Verträge mit Verbrauchern und Kleinunternehmen unter Einhaltung einer Frist von zumindest acht Wochen kündigen (§ 76 Abs 1 ElWOG). Der Oberste Gerichtshof hat wiederholt betont, dass eine solche ordentliche Kündigung schon begrifflich keine einseitige Änderung der vertraglichen Leistungen ist (RS0134845) und folglich die Anwendung des § 80 Abs 2a ElWOG auf eine unbedingte ordentliche Kündigung verneint (RS0134778). Nach mittlerweile ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist § 80 Abs 2a ElWOG auch dann nicht auf eine unbedingte ordentliche Kündigung anzuwenden, wenn damit ein Angebot auf Abschluss eines neuen Vertrags zu geänderten Bedingungen verbunden wird (5 Ob 20/25i mwN). Die Urteile der Vorinstanzen folgen dieser Rechtsprechung.
[6]1.2. Dass es sich bei einer Kündigung, die zum Zweck einer Tarifanpassung durch Abschluss eines neuen Vertrags erfolgt, nicht um eine Umgehung des § 80 Abs 2a ElWOG handelt, ist ebenfalls bereits geklärt (8 Ob 152/24x; 5 Ob 20/25i; vgl RS0134778).
[7] 1.3. Soweit sich der Kläger darauf stützt, diese Rechtsprechung sei nicht einschlägig, weil das bisherige Alt- und das mit der Kündigung angebotene Neuprodukt ident gewesen seien, ist schon deshalb nicht darauf einzugehen, weil die Revision dabei nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgeht. Der dem Kläger mit Schreiben vom 28. 11. 2023 angebotene neue Stromliefervertrag wies zumindest andere Tarifkonditionen und schon damit geänderte Bedingungen auf.
[8] 2.1. Die Revision begründet das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage damit, bei der Beklagten handle es sich um ein marktbeherrschendes Energieversorgungsunternehmen. Der Strommarkt sei mangels tatsächlichen Wettbewerbs faktisch nicht liberalisiert.
[9]2.2. Eine Einschränkung des Grundsatzes der Privatautonomie wird nur bei Vorliegen besonderer Umstände zur Lösung schwerwiegender Interessenkollisionen in Kauf genommen, wie etwa im Fall monopolartiger Betriebe, denen Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen auferlegt wird (RS0113652). Ein Kontrahierungszwang wird dort angenommen, wo die faktische Übermacht eines Beteiligten bei bloß formaler Parität diesem die Möglichkeit der „Fremdbestimmung“ über andere gibt (RS0016745 [T2, T13, T35]; RS0016744). Die Pflicht zum Vertragsschluss wird aber auch dort bejaht, wo ein Unternehmen eine Monopolstellung innehat und diese Stellung durch Verweigerung des Vertragsabschlusses sittenwidrig ausnützt (RS0016762).
[10]2.3. Es entspricht gesicherter Rechtsprechung, dass für einen Monopolisten Kontrahierungszwang zu angemessenen Bedingungen besteht (RS0030805 [T1]). Der Inhaber einer Monopolstellung muss, wenn ihm ein Vertragsabschluss zumutbar ist, einen guten (sachlichen) Grund für die Verweigerung eines Vertragsabschlusses haben (RS0016745 [T10]). Allerdings darf selbst ein Unternehmen aus dem Bereich der Daseinsvorsorge ein Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund mittels außerordentlicher Änderungskündigung beenden, um mit den betroffenen Kunden neue Verträge mit angemessenen Bedingungen abzuschließen, die dem Monopolisten einen kostendeckenden Betrieb ermöglichen (8 Ob 7/24y mwN).
[11]2.4. Für die hier vorliegende Konstellation der Stromversorgung steht es dem Verbraucher bereits infolge der bestehenden Liberalisierung des Strommarkts – unabhängig von möglicherweise in wettbewerbsrechtlicher Hinsicht bestehendem Verbesserungsbedarf – ohnehin frei, aus verschiedenen Stromanbietern zu wählen (vgl 6 Ob 277/08s). Der einfache Umstieg zwischen verschiedenen Stromanbietern (Wechselmöglichkeit) wird durch §§ 76 ff ElWOG sichergestellt. Demnach liegt in diesem Bereich keine Fremdbestimmtheit des Klägers vor, weil er als Verbraucher eine echte Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Anbietern hat (vgl 8 Ob 7/24y; 1 Ob 4/24f). Es besteht aber auch keine für den gegenständlichen Fall maßgebliche marktbeherrschende Stellung der Beklagten für die Stromlieferung, hat doch das Erstgericht ohnehin zahlreiche Angebote anderer Lieferanten festgestellt, die für die Lieferung von Strom an die Verbrauchsstelle des Klägers zur Verfügung stehen. Nach dem festgestellten Sachverhalt kam ein anderer Lieferant für den Kläger primär „aus Patriotismus“ nicht in Betracht. Das Berufungsgericht verwies zudem darauf, im vorliegenden Fall würden sich keine Hinweise ergeben, dass der Tarif der Beklagten nicht marktkonform wäre, ohne dass die Revision darauf näher eingeht. Es liegt demnach im hier zu beurteilenden Zusammenhang kein Fall einer Marktbeherrschung vor, der die Kündigung der Beklagten als unwirksam erweisen und diese zur Weiterbelieferung nach den seinerzeitigen Konditionen verpflichten könnte.
[12]2.5. Soweit die Revision die sittenwidrige Ausnützung einer marktbeherrschenden Stellung behauptet, wird eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts ebenso wenig aufgezeigt. Ob Sittenwidrigkeit vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls und nur aufzugreifen, wenn das Berufungsgericht die Grenzen des ihm eingeräumten Ermessens überschritten hat (RS0042881 [T3, T5, T6, T8]). Inwieweit das Berufungsgericht vorliegend seinen Ermessensspielraum überschritten hätte, wird in der Revision jedoch nicht dargelegt. Soweit der Kläger dabei ein Drängen in ein unverändertes, aber überteuertes Neuprodukt behauptet, übergeht er die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Marktkonformität des angebotenen Tarifs. Zudem konnte die der Preisänderung zugrunde liegende Kalkulation der Beklagten nicht festgestellt werden, sodass auch überhöhte Tarifanbote nicht nachgewiesen sind.
[13] 3.1. Das Berufungsgericht beurteilte die Kündigung als nicht allgemein rechtsmissbräuchlich, da die Beklagte nach dem festgestellten Sachverhalt mit ihrer Vorgehensweise Rechtssicherheit gewinnen habe wollen und eine Schädigungsabsicht oder eine eindeutige und vorrangige Unlauterkeit nicht vorliege.
[14] 3.2. Mit seinen Ausführungen, die Kündigung verstoße schon deswegen gegen das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot, weil Alt und Neuprodukt ident gewesen seien und es zu massenhaften Kündigungen von Stromlieferverträgen gekommen sei, macht der Kläger schon deshalb keine erhebliche Rechtsfrage geltend, weil die Kündigung der Beklagten, wie oben ausgeführt, im Einklang mit § 76 Abs 1 ElWOG erfolgt ist und nicht gegen § 80 Abs 2a ElWOG verstoßen hat. Aus welchen Gründen sich nur aus einer größeren Anzahl an Vertragskündigungen oder dem Umstand alleine, dass ein mit dem Neuvertrag angebotenes Stromprodukt gleich gestaltet sei, die Rechtsmissbräuchlichkeit der Kündigung ergeben soll, legt die Revision auch nicht weiter dar.
[15] 4. Schon das gesetzlich vorgesehene Kündigungsrecht nach § 76 Abs 1 ElWOG steht der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung entgegen, die Kündigung des Stromliefervertrags stelle eine Verletzung des besonderen Vertrauensverhältnisses des Kunden auf ein stabiles Weiterbestehen des Stromliefervertrags dar und sei daher unwirksam.
[16]5.1. Da der Kläger das Anbot der Beklagten auf Abschluss eines neuen Vertrags mit einem anderen Stromtarif nicht angenommen hat und dies auch mit seinem Klagebegehren nicht anstrebt, kann dahinstehen, ob dieses Anbot den dafür maßgeblichen gesetzlichen Anforderungen entsprochen hat (vgl 2 Ob 8/24a). Ebenso wenig kann es auf das Ausmaß oder die sachliche Rechtfertigung der mit dem neuen Vertrag verbundenen Tarifanhebung ankommen (8 Ob 152/24x).
[17] 5.2. Das im Revisionsverfahren gegenständliche Feststellungsbegehren erstreckt sich nicht auf die von der Beklagten verrechneten Kosten der Stromlieferung im Rahmen der Grundversorgung, sodass aus den Revisionsausführungen zu den Anpassungsmodalitäten des Grundversorgungstarifs für den Kläger ebenfalls nichts gewonnen ist.
[18]6. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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