12Os106/25t – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. November 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. SetzHummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi PMM in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen * L* und andere Angeklagte wegen Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft sowie die Berufung des Angeklagten * U* gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 16. April 2025, GZ 36 Hv 27/25g190.4, sowie über die Beschwerde des Angeklagten U* gegen den zugleich ergangenen Beschluss nach § 494a Abs 1 Z 4 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.
Text
Gründe:
[1]Mit dem angefochtenen, im zweiten Rechtsgang ergangenen (vgl zum ersten 12 Os 131/24t) Urteil wurde der Angeklagte * L* – abweichend von der Anklage – des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (B/VII) schuldig erkannt.
[2] Danach hat er in der Nacht vom 20. auf den 21. Februar 2024 in N* * N* d urch gefährliche Drohung (mit einer Verletzung am Körper), nämlich die sinngemäße Ankündigung, er werde ihn nicht mit einem Stanleymesser stechen, wenn er ihm das Auto überlasse, „zu einer Unterlassung, nämlich zur Unterlassung der Rückforderung seines PKWs [...] genötigt“.
[3]Weiters wurden die Angeklagten von der wider sie erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen, und zwar
(1) * U* und * B* vom Vorwurf, sie hätten N* mit Gewalt gegen eine Person und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB), nämlich „durch die geschilderten Gewalthandlungen“ und durch die Ankündigung des L*, ihm ansonsten mit dem Stanleymesser ins Bein zu stechen, den vom Schuldspruch des L* zu B/VII erfassten PKW, sohin eine fremde bewegliche Sache, mit dem Vorsatz weggenommen, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Raub unter Verwendung einer Waffe verübt hätten;
(2) B* weiters vom Vorwurf, er habe L * als Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützt oder zu unterstützen versucht, den zu B/VII genannten PKW, sohin eine Sache, die L* durch sie erlangt ha be , nämlich durch das (gemeint:) zu B/VII beschriebene Verhalten, zu verheimlichen oder zu verwerten, indem er sich mit einer „Reklamation“ an das Opfer gewendet habe, um die „Wiederherstellung der Fahrtauglichkeit des Fahrzeugs zu gewährleisten“, wobei er eine Sache im Wert von mehr als 5.000 Euro verhehlt habe und die mit Strafe bedrohte Handlung durch die die Sache erlangt worden sei, aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer fünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sei, und B* die Umstände gekannt habe, die diese Strafdrohung begründet hätten.
Rechtliche Beurteilung
[4]Gegen die rechtliche Unterstellung der zu B/VII dargestellten Tat unter § 105 Abs 1 StGB sowie gegen den Freispruch der Angeklagten U* und B* richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der keine Berechtigung zukommt.
Zum Schuldspruch des L* zu B/VII sowie zum Freispruch des U* und des B* zu 1:
[5] Indem die einen Schuldspruch nach§§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10, nominell Z 9 lit a) vorbringt, der Angeklagte L* habe mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben das in Rede stehende Fahrzeug dem N* weggenommen oder abgenötigt, orientiert sie sich nicht am Urteilssachverhalt, wonach L* N* mit Gewalt und durch Drohung mit einer Verletzung am Körper zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Rückforderung des Fahrzeugs nötigte (US 10; vgl aber RISJustiz RS0099810).
[6]Zum Freispruch der Angeklagten U* und B* verneinten die Tatrichter (auf Tatsachenebene) jedwede Tatbeteiligung (US 9). Da die Rechtsrüge (Z 9 lit a) diese einem Schuldspruch nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter Fall StGB (oder auch nach § 105 Abs 1 StGB) entgegenstehenden Feststellungen nicht bekämpft, sondern ein (in der Beschwerde näher spezifiziertes) einverständliches Zusammenwirken bloß behauptet, verfehlt sie ebenfalls den im Urteilssachverhalt gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.
Zum Freispruch des B* zu 2:
[7]Vorausgeschickt wird, dass dem Urteilssachverhalt keine Feststellungen zu entnehmen sind, welche die rechtliche Beurteilung tragen würden, dass der Angeklagte L* das in Rede stehende Fahrzeug durch eine mit Strafe bedrohte Handlung (vgl zu diesem Begriff, der auch die Erfüllung des subjektiven Tatbestands verlangt RIS-Justiz RS0119623; Florain Leukauf/Steininger, StGB 5 § 164 Rz 6) gegen fremdes Vermögen erlangt hat.
[8] Gründet das Gericht den Freispruch auf die Verneinung der Täterschaft des Angeklagten, ohne eine Aussage zu sämtlichen Tatbestandselementen zu treffen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme (der Negativfeststellung zur Täterschaft) aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, unter Berufung auf derartige Feststellungen indizierende und in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (RISJustiz RS0127315).
[9] Dem letztgenannten Erfordernis wird die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht gerecht, weil sie Feststellungsmängel zu den für einen Schuldspruch erforderlichen Konstatierungen hinsichtlich einer hehlereitauglichen Vortat nicht geltend macht. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf die Mängelrüge (Z 5) zur (zu B* getroffenen) Negativfeststellung in Ansehung der subjektiven Tatseite (US 10).
[10]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen sowie die Beschwerde folgt (§§ 285i, 498 Abs 3 StPO).
[11] Bleibt lediglich der Vollständigkeit halber mit Blick auf die durch die Staatsanwaltschaft ohne erkennbaren Anfechtungswillen in den Raum gestellte Behauptung eines Schuldspruchs des U* wegen einer Tat, von der er im ersten Rechtsgang rechtskräftig freigesprochen worden sei, zu bemerken, dass das Erstgericht den im ersten Rechtsgang gefällten Schuldspruch bloß deklarativ wiederholt hat (vgl RISJustiz RS0100041 [T11, T12]). Im ersten Rechtsgang erging im Übrigen – wovon auch die Staatsanwaltschaft ausgeht – nach dem unzweifelhaften Entscheidungswillen des Gerichts hinsichtlich U* ein Freispruch zu B/V des Schuldspruchs der Angeklagten L* und B* (ON 132.4, 5, 10 f und 25).