3Ob160/25p – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch die Jandl Schöberl Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. I*, vertreten durch Dr. Harald Friedl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 223.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. August 2025, GZ 10 R 43/25d 55, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Vorinstanzen verpflichteten die Beklagte zur Rückzahlung jener Beträge, die sie als vormalige Liegenschaftsverwalterin rechtsgrundlos vom Verwaltungskonto auf ihr eigenes Konto überwiesen hatte. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[2] In ihrer außerordentlichen Revision gelingt es der Beklagten nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen.
[3] 1. Im Verfahren ist unstrittig, dass die Beklagte die Überweisung jener Beträge, deren Rückzahlung die Klägerin als Liegenschaftseigentümerin begehrte, vom Verwaltungskonto auf ihr eigenes Konto vorgenommen hat. Die Klägerin machte geltend, die Beklagte habe sämtliche Überweisungen rechtsgrundlos vorgenommen.
[4] Soweit das Klagebegehren die Rückzahlung der der Beklagten zustehenden Verwalterhonorare und jener Beträge betraf, die die Beklagte zu Lebzeiten des fruchtgenussberechtigten Vaters der Klägerin an sich selbst überwies, wurde das Klagebegehren bereits rechtskräftig abgewiesen. Das Revisionsverfahren betrifft daher nur mehr jene Überweisungen, die die Beklagte nach dem Tod des Vaters der Klägerin vornahm, sowie die Überweisung der Mieterkautionen.
[5] 2.1. Unter dem Oberbegriff des Insichgeschäfts werden zwei Fälle verstanden: Einerseits d as Selbstkontrahieren, wenn der Vertreter ein Geschäft für den Vertretenen mit sich selbst abschließt, also dieselbe Person auf der einen Seite als Vertreter, auf der anderen Seite im eigenen Namen handelt, und andererseits die Doppeloder Mehrfachvertretung, wenn ein Vertreter für zwei oder mehrere Vertretene, für die er vertretungsberechtigt ist, ein Geschäft abschließt, wenn also dieselbe Person beide Seiten vertritt (RS0019621). Insichgeschäfte sind nach der Rechtsprechung im Allgemeinen nur wirksam, wenn der Machthaber damit einverstanden ist oder wenn das Selbstkontrahieren dem Vertretenen ausschließlich rechtliche Vorteile bringt. Ferner ist das Selbstkontrahieren gestattet, wenn keine Gefahr oder Schädigung des Vertretenen besteht, insbesondere wenn die Ware oder Leistung einen Marktoder Börsenpreis hat (6 Ob 73/99z mwN; RS0019350 [T3], RS0108252).Ein Insichgeschäft ist jedenfalls nur dann rechtswirksam, wenn es vom gefährdeten Machtgeber entweder durch eine vorher erteilte Einwilligung oder durch eine nachträgliche Genehmigung gedeckt ist, wobei diese Zustimmung oder Genehmigung nicht wiederum vom Vertreter erteilt werden kann (RS0019350).
[6] 2.2. Von den Grundsätzen dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen nicht abgewichen, indem sie die den von der Beklagten vorgenommenen Überweisungen vom Verwaltungskonto auf ihr privates Konto zugrunde liegenden Vereinbarungen der Beklagten mit sich selbst (als Vertreterin der Klägerin) im Sinn der von ihr an sich selbst ausgestellten korrespondierenden Rechnungenals – mangels nachträglicher Genehmigung durch die Klägerin – unzulässige Insichgeschäfte qualifizierten. Dem Einwand der Beklagten, wonach eine Rechnung eine bloße Beweisurkunde und daher grundsätzlich nicht als rechtsgeschäftliche Willenserklärung anzusehen sei (vgl 1 Ob 144/04i), weshalb sie auch kein Insichgeschäft begründen könne, kommt im gegebenen Zusammenhang keine Bedeutung zu.
[7] 3.1. Es begründet auch keine erhebliche Rechtsfrage, dass die Vorinstanzen die Beklagte überdies zur Rückzahlung der von ihr als Verwalterin vom Verwaltungskonto auf ihr „privates“ Konto überwiesenen Mieterkautionen in Höhe von 40.000 EUR verpflichteten.
[8]3.2. Die Beklagte hat in erster Instanz nicht vorgebracht, dass sie die Kautionen bereits an die Mieter ausgefolgt hätte. Vielmehr hat sie sich bloß darauf gestützt, dass ihr ein Zurückbehaltungsrecht daran zustehe. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Beklagte mit Auflösung des Verwaltungsvertrags infolge Kündigung der Vollmacht durch die Klägerin gemäß § 1009 ABGB zur Herausgabe der Kautionen an die Klägerin verpflichtet und der geltend gemachte Herausgabeanspruch daher berechtigt sei, steht mit der Rechtslage im Einklang (vgl 6 Ob 14/23m).
[9]3.3. Soweit sich die Beklagte in diesem Zusammenhang auf § 16b MRG beruft und geltend macht, der Zuspruch an die Klägerin zu Handen der Klagevertreter sei im Hinblick auf das Kostenpfandrecht nach § 19a RAO unzulässig, weil dadurch der Ausfolgungsanspruch der Mieter vereitelt werden könnte, ist ihr zu erwidern, dass es hier nicht um das durch § 16b MRG geregelte Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter, sondern um den Anspruch der Klägerin als Liegenschaftseigentümerin auf Rückzahlung der von der Beklagten als Liegenschaftsverwalterin nach Beendigung des Verwaltungsvertrags unrechtmäßig einbehaltenen Mieterkautionen geht.
[10] 4. Die erstmals in dritter Instanz aufgeworfene Frage nach dem Fälligkeitszeitpunkt der Rückforderung stellt sich ebenfalls nicht, weil die Beklagte den von der Klägerin behaupteten Beginn des Zinsenlaufs in erster Instanz nicht substanziiert bestritten hat.