Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin sowie die Hofräte Dr. Weber, Mag. Fitz, Mag. Jelinek und MMag. Dr. Dobler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* S*, vertreten durch Dr. Janovsky Rechtsanwalts GmbH Co KG in Schwaz, gegen die beklagte Partei U* AG, *, vertreten durch Rainer Theurl Platzgummer Rechtsanwälte OG in Innsbruck, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 18. Juni 2025, GZ 4 R 72/25g-22, den
Beschluss
gefasst:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Kläger hat bei der Beklagten einen Haushaltsversicherungsvertrag abgeschlossen, der auch eine Privathaftpflichtversicherung umfasst. Dem Vertrag liegen die „Klipp und Klar-Bedingungen für die Zuhause Glücklich Wohnungsversicherung Deckungsvariante 'Premium' (ZGWP) Fassung 01/2023“ zugrunde, die auszugsweise lauten:
„ Privathaftpflichtversicherung
Was gilt als Versicherungsfall? – Artikel 5
Ein Versicherungsfall ist ein Schadenereignis, das dem privaten Risikobereich entspringt und aus welchem den versicherten Personen Schadenersatzverpflichtungen erwachsen oder erwachsen könnten.
Die Privathaftpflichtversicherung deckt Personen- und Sachschäden sowie Vermögensschäden, die auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen sind. […]
Welche Gefahren sind versichert? – Artikel 7
Die Versicherung erstreckt sich auf Schadenersatzverpflichtungen des Versicherungsnehmers […] aus den Gefahren des täglichen Lebens mit Ausnahme der Gefahr einer betrieblichen, beruflichen oder gewerbsmäßigen Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes, insbesonders
[…]
• aus dem erlaubten Abbrennen von Feuerwerken der Klassen F1 und F2 gemäß Pyrotechnikgesetz 2010 (BGBl I 131/2009) in der jeweils gültigen Fassung;
[…]
Die Leistung der Versicherung – Artikel 11
[…]
2. Privathaftpflichtversicherung
• Die Erfüllung von Schadenersatzverpflichtungen, die dem Versicherungsnehmer oder den mitversicherten Personen wegen eines Personenschadens, eines Sachschadens oder eines Vermögensschadens, der auf einen versicherten Personen- oder Sachschaden zurückzuführen ist, auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen privatrechtlichen Inhaltes erwachsen.[…]
• Die Kosten der Feststellung und Abwehr (auch vor Gericht) einer von einem Dritten behaupteten Schadenersatzverpflichtung, und zwar auch im Falle eines unberechtigten Anspruches. Diese Kosten werden auf die Höchsthaftungssumme angerechnet. “
[2] Bei einer Weihnachtsfeier in einem Betrieb, die außerhalb der Dienstzeit der Teilnehmer stattfand, zündete der Kläger im Freien im alkoholisierten Zustand zunächst einen Feuerwerkskörper der Klasse F2, den er in eine Blechdose legte, die er mit einem Deckel verschloss. Durch die Explosion gab es einen lauten Knall und der Deckel der Dose wurde ca 1 m in die Luft geschleudert. Einen zweiten Feuerwerkskörper der gleichen Klasse warf er in Richtung einer offenstehenden Tür einer Werkstatt. Nicht festgestellt werden konnte, wo der Feuerwerkskörper explodierte, insbesondere konnte nicht festgestellt werden, ob der Kläger den Feuerwerkskörper in die Werkstatt hineinwarf und in Kauf nahm, den dort gerade tätigen Mitarbeiter zu verletzen.
[3] Der Mitarbeiter verspürte eine Detonation, durch die Besen und Schaufeln, die sich im Eingangsbereich befanden, umgeworfen und Betonstücke, die am Boden lagen, gegen die Tür geschleudert wurden. Der Mitarbeiter macht Schadenersatzansprüche gegen den Kläger gerichtlich geltend und bringt dazu vor, durch die Detonation des Feuerwerkskörpers in der Werkstatt diverse Verletzungen erlitten zu haben .
[4] Der Kläger begehrt die Feststellung der Deckungspflicht der Beklagten.
[5] Die Beklagte wendet – soweit hier wesentlich – ein, es habe sich keine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht.
[6] Das Erstgericht stellte die Deckungspflicht fest.
[7] Das Berufungsgericht änderte die Entscheidung in eine Klageabweisung ab.
[8] Der Kläger zeigt mit seiner dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionkeine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:
[9] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor:
[10]1.1 Die Frage, ob sich eine Gefahr des täglichen Lebens verwirklicht hat, war Kern des gesamten Verfahrens. Kommt das Berufungsgericht anhand derselben Tatsachen zu einer anderen rechtlichen Beurteilung als das Erstgericht, liegt darin allein keine Überraschungsentscheidung (vgl RS0037300 [T30]).
[11] 1.2 Die Beklagte ist in ihrer Berufung nicht von den Feststellungen des Erstgerichts abgewichen, sondern hat in ihrer Rechtsrüge lediglich Wertungen zum Sachverhalt vorgenommen. Die vom Berufungsgericht behandelte Rechtsrüge war somit entgegen dem Revisionsvorbringen gesetzmäßig ausgeführt.
[12]2. Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den AGB oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei Vertragsabwicklung zu informieren ( RS0115217 [T41]). Dies setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig ist oder von ihm jedenfalls festgestellt werden kann ( RS0115217 [T21]).
[13] Warum der Begriff „Abbrennen“ in Art 7 Punkt 8 ZGWP unklar oder unverständlich sein soll, zeigt die Revision allein mit dem Hinweis, dass ein dynamischer Verweis auf das PyroTG vorliegt und die darin enthaltenen Begriffsdefinitionen keine Definition des Begriffs „Abbrennen“ enthalten, nicht auf.
[14] 3. Der versicherungsrechtliche Begriff der „Gefahr des täglichen Lebens“ ist nach ständiger Rechtsprechung so auszulegen, dass davon jene Gefahren, mit denen üblicherweise im Privatleben eines Menschen gerechnet werden muss, umfasst sind ( RS0081099 ). Die Gefahr, haftpflichtig zu werden, stellt im Leben eines Durchschnittsmenschen nach wie vor eine Ausnahme dar. Deshalb will die Privathaftpflichtversicherung prinzipiell Deckung auch für außergewöhnliche Situationen schaffen, in die auch ein Durchschnittsmensch hineingeraten kann. Freilich sind damit nicht alle ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeiten abgedeckt ( RS0081276 ). Für das Vorliegen einer Gefahr des täglichen Lebens ist nicht erforderlich, dass sie geradezu täglich auftritt. Vielmehr genügt es, wenn die Gefahr erfahrungsgemäß im normalen Lebensverlauf immer wieder, sei es auch seltener, eintritt. Es darf sich nur nicht um eine ungewöhnliche Gefahr handeln, wobei Rechtswidrigkeit oder Sorglosigkeit eines Vorhabens den daraus entspringenden Gefahren noch nicht die Qualität als solche des täglichen Lebens nehmen. Voraussetzung für einen aus einer Gefahr des täglichen Lebens verursachten Schadenfall ist nämlich eine Fehlleistung oder eine schuldhafte Unterlassung des Versicherungsnehmers ( RS0081070 ). Auch ein vernünftiger Durchschnittsmensch kann aus Unvorsichtigkeit eine außergewöhnliche Gefahrensituation schaffen oder sich in einer solchen völlig falsch verhalten oder sich zu einer gefährlichen Tätigkeit, aus der die entsprechenden Folgen erwachsen, hinreißen lassen. Derartigen Fällen liegt eine falsche Einschätzung der jeweiligen Sachlage zu Grunde ( RS0081081 ).
[15]Die Abgrenzung zwischen dem gedeckten Eskalieren einer Alltagssituation und einer nicht gedeckten ungewöhnlichen und gefährlichen Tätigkeit hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, was in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO begründet (7 Ob 87/23d; 7 Ob 21/24z; 7 Ob 55/24z je mwN).
[16] Das Berufungsgericht vertrat in Anwendung dieser Rechtsprechung, dass angesichts des Gefahrenpotentials von Feuerwerkskörpern für die körperliche Unversehrtheit keine solche vom gedeckten Risiko umfasste Gefahr des täglichen Lebens vorliege, wenn ein Feuerwerkskörper der Klasse F2 unerlaubt in einem geschlossenen Raum abgebrannt wird. Diese Entscheidung hält sich im Rahmen der dargelegten Judikatur und ist im Einzelfall nicht zu beanstanden.
[17] 4. Nach der Systematik der ZGWP wird in Art 7 die primäre Risikoumschreibung vorgenommen und der Risikobereich „Gefahren des täglichen Lebens“ unter Versicherungsschutz gestellt. Die weitere Auflistung definiert („insbesonders“) spezielle versicherte Gefahren als zu den „Gefahren des täglichen Lebens“ gehörend (vgl 7 Ob 184/14f [Punkt 6.1] mwN).
[18] Für das Vorliegen eines Versicherungsfalls trifft nach der allgemeinen Risikoumschreibung den Versicherungsnehmer die Beweislast ( RS0043438 ).
[19] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass der Kläger den Versicherungsfall nicht nachgewiesen habe, ist nicht korrekturbedürftig.
[20]5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rückverweise
Keine Verweise gefunden