10Ob58/25i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden, den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofräte Dr. Annerl und Dr. Vollmaier sowie die Hofrätin Dr. Wallner Friedl in der Pflegschaftssache der Minderjährigen 1. J*, 2. L*, und 3. R*, wegen Obsorge, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Mutter P*, vertreten durch Dr. Gerald Zauner und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 3. September 2025, GZ 15 R 285/25z 164, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Rohrbach vom 30. Juni 2025, GZ 2 Ps 220/24a 149, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Minderjährigen lebten nach der Trennung der Eltern und der Wegweisung der Mutter am 10. 12. 2022 zunächst beim Vater und infolge des Beschlusses vom 10. 7. 2023 (ON 17) bei der Mutter. Dieser Beschluss wurde über Rekurs des Vaters vom Rekursgericht aufgehoben. Am 26. 2. 2024 vereinbarten die Eltern, dass der Hauptaufenthalt der drei Minderjährigen (bei aufrecht bleibender gemeinsamer Obsorge) mit 1. 3. 2024 zum Vater verlegt wird.
[2] Die Minderjährigen leben seit dieser Zeit hauptsächlich beim Vater, besuchen an ihrem Hauptbetreuungsort auch die Schule und sie üben seither auch ein regelmäßiges Kontaktrecht zur Mutter aus.
[3] L* und J* sprachen sich (schon) im bisherigen Verfahrensverlauf mehrfach und immer wieder für einen Hauptaufenthalt bei der Mutter aus.
[4] Die Mutter beantragte am 25. 11. 2024 die Festlegung des Hauptaufenthalts der Minderjährigen bei ihr und begründete diesen Antrag mit dem Wunsch der Minderjährigen, wieder hauptsächlich von ihr betreut zu werden.
[5] Das Erstgericht legte den hauptsächlichen Aufenthalt der Minderjährigen bei der Mutter fest. Das Argument der Betreuungskontinuität sei dem von beiden Söhnen klar geäußerten Willen unterzuordnen.
[6] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es den Antrag der Mutter, den Hauptaufenthalt der Minderjährigen bei ihr festzulegen, abwies. Eine derart gewichtige Änderung der Verhältnisse, die eine nachträgliche Änderung einer bestehenden Obsorgeregelung rechtfertigen würde und aufgrund derer das zu berücksichtigende Postulat der Erziehungskontinuität in den Hintergrund trete, liege nicht vor. Der Wille der beiden Söhne sei schon bisher aktenkundig gewesen.
[7] Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nicht zu.
[8] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter, mit dem sie die Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts begehrt.
Rechtliche Beurteilung
[9] Das Rechtsmittel zeigt keine erheblichen Rechtsfragen auf und ist daher zurückzuweisen.
[10] 1.Die nachträgliche Änderung einer Obsorgeregelung nach § 180 Abs 3 ABGB setzt keine Gefährdung des Kindeswohls voraus. Die Änderung der Verhältnisse muss aber derart gewichtig sein, dass das zu berücksichtigende Postulat der Erziehungskontinuität in den Hintergrund tritt ( RS0132056 ; RS0128809[T5]). Dies kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden und wirft im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG auf, es sei denn, es wurde dabei auf das Kindeswohl nicht ausreichend Bedacht genommen (vgl RS0115719 ; RS0007101 ).
[11] Nach ständiger Rechtsprechung ( RS0133864) gilt § 180 Abs 3 ABGB auch für den – hier vorliegenden – Fall, wonach zwar die vereinbarte Obsorge beider Elternteile aufrecht erhalten werden soll, aber über den Antrag eines Elternteils zu entscheiden ist, der eine hauptsächliche Betreuung des Minderjährigen in seinem Haushalt anstrebt. Der Umstand, dass die hauptsächliche Betreuung bei einem Elternteil auf einer Vereinbarung der Eltern beruht, ändert daran nichts (vgl RS0128809 [T1]).
[12] 2. Das Rekursgericht ging davon aus, dass sich die für die Festlegung des hauptsächlichen Aufenthaltsorts der drei Minderjährigen maßgeblichen Verhältnisse seit der Vereinbarung der hauptsächlichen Betreuung durch den Vater (im Februar 2024) nicht wesentlich geändert hätten.
[13] 3. Eine Überschreitung des dem Rekursgericht zukommenden Beurteilungsspielraums zeigt der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter nicht auf. Entgegen der gegenteiligen Behauptung der Mutter tat das Rekursgericht den Willen der Minderjährigen nicht als unbeachtlich ab und es ging auch nicht davon aus, dass die beiden älteren Minderjährigen nicht urteilsfähig wären. Es sah im Wunsch der beiden älteren Minderjährigen angesichts ihrer bisherigen Äußerungen vielmehr keine wesentliche Änderung. Mit der bloßen Betonung des Wunsches der beiden älteren Minderjährigen legt der Revisionsrekurs eine solche wesentliche Änderung der Verhältnisse ebenso wenig dar.
[14] 4.Die Frage, ob ein (hier kinderpsychologisches) Sachverständigengutachten eingeholt hätte werden müssen, ist eine Frage der Beweiswürdigung und unterliegt – auch im Außerstreitverfahren – nicht der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof (RS0043320 [insb T9, T10, T11]; RS0043414). Mit der Behauptung, ein solches Gutachten wäre zur Klärung der Beeinflussung der Kinder durch die Mutter notwendig gewesen, übergeht der Revisionsrekurs überdies, dass das Rekursgericht den Willen der beiden älteren Minderjährigen ohnedies als den ihrigen betrachtete und die Entscheidung gar nicht darauf stützte, dass dieser infolge Beeinflussung durch die Mutter nicht oder weniger beachtlich sei.