Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.Prof. PD Dr. Rassi und den Hofrat Dr. Annerl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj M*, geboren am * 2011, *, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 25. Juli 2025, GZ 30 Pu 61/25a66, gemäß § 111 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache hinsichtlich der Unterhaltssache an das Bezirksgericht Graz-Ost wird nicht genehmigt.
Begründung:
[1]Der durch die Wiener Kinder- und Jugendhilfe (als Kinder- und Jugendhilfeträger) vertretene Minderjährige begehrte im März 2025, den Vater zu einem bestimmten Unterhaltsbeitrag und zu einem vorläufigen Unterhalt nach § 382a EO zu verpflichten. Ende Juni 2025 verlegten die Mutter und der Minderjährige ihren Wohnsitz von Wien nach Graz. Der Vater wohnt weiterhin in Wien. Der Unterhaltsantrag wurde vom Bezirksgerichts Hernals bisher in einem bloßen Aktenverfahren geprüft, eine Entscheidung ist noch offen.
[2] Das Bezirksgericht Hernals übertrug mit Beschluss vom 25. 7. 2025 dieZuständigkeit der Pflegschaftssache (nur) hinsichtlich der Unterhaltssache nach § 111 JN an das Bezirksgericht Graz-Ost. Das Bezirksgericht Graz-Ost lehnte die Übernahme des Akts ab.
[3]Nach Eintritt der Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses legte das Bezirksgericht Hernals den Akt dem Obersten Gerichtshof als gemeinsam übergeordnetem Gericht nach § 111 Abs 2 JN vor. [4] Die Übertragung ist nicht zu genehmigen .
[5]1.1 Nach § 111 Abs 1 JN kann das Pflegschaftsgericht seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse des Minderjährigen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird.
[6]1.2 Ausschlaggebendes Kriterium einer Zuständigkeitsübertragung nach § 111 Abs 1 JN ist stets das Kindeswohl (RS0047074), wobei wegen der Abweichung von der gesetzlichen Zuständigkeit die Bestimmung des § 111 JN allerdings restriktiv auszulegen ist (RS0047300 [T16]; RS0046908 [T9]).
[7] 2. Wenngleich es inder Regel den Interessen des Kindes entspricht, wenn als Pflegschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (RS0047300 [T1]) und auch offene Anträge kein grundsätzliches Übertragungshindernis sind, ist imAnlassfall nicht erkennbar, dass die räumliche Nähe ein entscheidender Maßstab für die Zuständigkeitsübertragung der unerledigten Unterhaltssache eine Rolle spielen soll (vgl RS0046908 [T15]). Für die Prüfung des gegenständlichen Unterhaltsantrags liegen keine Hinweise vor, wonach das Bezirksgericht Graz-Ost eher in der Lage wäre, die zu klärenden Fragen anhand des Akteninhalts zu prüfen (vgl RS0047027 [T7]; RS0047032 [T41]).
[8] 3. Hinzukommt, dass die Personenobsorgesache des weiterhin von der Wiener Kinder- und Jugendhilfe vertretenen Kindes nach wie vor noch beim Bezirksgericht Hernals behängt (vgl 4 Nc 25/23y Rz 18 [mit Hinweis auf die durch eine Spaltung eines Pflegschaftsakts drohenden Nachteile]).
[9]4. Im gegebenen Zeitpunkt entspricht die vom Bezirksgericht Hernals beschlossene Übertragung der Zuständigkeit der Unterhaltssache daher insgesamt nicht dem Kindeswohl. Der Übertragungsbeschluss war daher nicht nach § 111 Abs 2 JN zu genehmigen.
Rückverweise
Keine Verweise gefunden