JudikaturOGH

8ObA19/25i – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Mag. Malesich als Vorsitzende, die Hofräte MMag. Matzka und Mag. Dr. Sengstschmid sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Elke Wostri (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Nicolai Wohlmuth (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D* K*, vertreten durch Dr. Robert Kugler und Mag. Georg Kugler, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei M* GmbH, *, vertreten durch die JuS Juri Schuster Thon Zankl Rechtsanwälte GmbH in Wolfsberg, wegen Feststellung des Fortbestands eines Dienstverhältnisses, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Februar 2025, GZ 7 Ra 7/25s 20, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Dezember 2024, GZ 31 Cga 128/24p 12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.883,40 EUR (darin enthalten 313,90 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

[1] Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage zu, ob ein E-Mail an ein Servicecenter eines Landesgerichts ohne tatsächliche Weiterleitung an die Einlaufstelle als unzulässig und nicht fristwahrend anzusehen sei.

Rechtliche Beurteilung

[2]Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[3]1. Die Frage, ob ein Schreiben ein bloßes Ersuchen um Rechtsauskunft oder bereits eine verbesserungsbedürftige Klage ist, hängt von der konkreten Formulierung der Eingabe ab. Sie ist deshalb schon von vornherein so einzelfallbezogen, dass darin grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu erblicken ist (vgl RS0042828; RS0036258 [T12]; RS0114544).

[4]Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (RS0044088 [T2]).

[5]2. Die Beklagte richtete am 3. 10. 2024 folgende E-Mail mit dem Betreff: „Fristlose Kündigung eines Arbeitnehmers“ an das Servicecenter (vgl § 47b GOG) des Erstgerichts:

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben eine Mitarbeiterin die gestern von der Polizei des Diebstahls in unseren Räumlichkeiten überführt und festgenommen wurde.

Nun soll die F RISTLOSE Kündigung ausgesprochen werden.

Aufgrund dessen, dass eine Schwangerschaft vorliegt hat der Anwalt und die Polizei mich informiert, dass ich die gerichtliche Zustimmung dafür benötige.

Das Polizeiprotokoll liegt noch nicht auf, allerdings wurde die Mitarbeiterin bereits bei der Staatsanwalt schaft angezeigt und ist geständig.

Bitte um Info wie ich hier genau vorzugehen habe und um Rückruf!

Mit freundlichen Grüßen

[6] Die Vorinstanzen werteten dieses Schreiben nicht als eine – einer Verbesserung zugänglichen – Klage, sondern als bloßes Ersuchen um Rechtsauskunft. Dass dies nach dem Inhalt der Eingabe unvertretbar wäre, wird in der Revision zu Recht nicht behauptet.

[7]3. Ausgehend davon hat die Beklagte erst am 11. 11. 2024 – und damit verspätet (RS0111954) – eine Klage auf Zustimmung zur Entlassung der Klägerin eingebracht. Ein bloßes Ersuchen um Rechtsauskunft, auch wenn es unbeantwortet bleibt, weil es irrtümlich an eine falsche Stelle weitergeleitet wurde, kann die nach § 12 Abs 4 MSchG geforderte unverzügliche Klageerhebung nicht ersetzen.

[8] 4. Ob die Einbringung einer – als verbesserungsfähige Klage zu wertenden – Eingabe beim Servicecenter des Erstgerichts mittels EMail als zulässig und rechtzeitig zu beurteilen wäre, kann hier dahingestellt bleiben. Fehlende Präjudizialität (Relevanz) für die Entscheidung des zu beurteilenden Falls schließt aber das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage aus, weshalb die Revision zurückzuweisen ist (RS0088931 [T2, T8]).

[9]5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.