JudikaturOGH

12Os107/25i – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
17. September 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. SetzHummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen * T* und * Z* wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung, AZ 22 Hv 33/24p des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde der genannten Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 14. August 2025, AZ 7 Bs 207/25m, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

* T* und * Z* wurden im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Der angefochtene Beschluss wird nicht aufgehoben.

Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von jeweils 960 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.

Text

Gründe:

[1]Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legte * T* und * Z* mit (insoweit) rechtswirksamer Anklageschrift vom 25. März 2024 unter anderem jeweils dem Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB subsumierte Tathandlungen zur Last (ON 74).

[2]Am 14. Juli 2025 wurden die beiden Angeklagten aufgrund einer Festnahmeanordnung des Landesgerichts Innsbruck (ON 211) festgenommen. Nach Vernehmung zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft (ON 241, 242) wies das Landesgericht Innsbruck den Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck, über die Angeklagten die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO zu verhängen, mit Beschluss vom 1 5 . Juli 2025, GZ 22 Hv 33/24p-243, ab.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtete sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck mit dem Antrag auf Verhängung der Untersuchungshaft über * T* und * Z* (ON 245).

[4]Mit dem angefochtenen Beschluss (ON 263.3) gab das Oberlandesgericht Innsbruck der Beschwerde der Staatsanwaltschaft Innsbruck Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf, verhängte über die Angeklagten die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO und trug dem Erstgericht die Erlassung einer Festnahmeanordnung auf (zur Befugnis des Anstaltsleiters zur Vorführung als Ausfluss seiner Vollzugskompetenz [§ 182 Abs 4 StPO iVm § 106 Abs 1 und 2 StVG] vgl aber Ratz , EvBl 2020/62, 421; Ratz, Verfahrensführung und Rechtsschutz nach der StPO 2Rz 52; aM 12 Os 4/20k).

[5] Dabei ging das Oberlandesgericht Innsbruck – teilweise unter identifizierender Bezugnahme (zur prinzipiellen Zulässigkeit einer solchen Vorgehensweise RISJustiz RS0124017; Kier in WK 2GRBG § 2 Rz 25) auf seinen Beschluss vom 22. August 2024, AZ 7 Bs 113/24m (ON 122) – zusammengefasst von der Verdachtslage aus, * T* habe sich ihm auf Leasingbasis unter Eigentumsvorbehalt übergebene Fahrzeuge in einem 300.000 Euro übersteigenden Wert zugeeignet, indem er „ – nachdem er ab März 2022 und nachfolgend die Leasingraten für die im Eigentum der finanzierenden Banken stehenden Fahrzeuge nicht mehr bezahlte […] – sich weigerte, trotz einer durch ein Interventionsteam veranlassten Abholung die Fahrzeuge herauszugeben“ (ON 122 S 14).

[6] * Z* habe zu diesen Tathandlungen „einen zumindest psychischen Tatbeitrag“ geleistet, indem sie dem Zeugen S* anlässlich der versuchten Rückholung der Fahrzeuge versichert habe, dass die „Fahrzeuge bereits beglichen seien und daher kein Grund für eine Mitnahme derselben bestünde“ (BS 12).

[7]Diesen Sachverhalt subsumierte das Beschwerdegericht dem – von * Z* in der Beteiligungsform nach § 12 dritter Fall StGB verübten – Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB.

[8] Die gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck erhobene Beschwerde der Angeklagten zeigt zutreffend eine Grundrechtsverletzung auf.

[9] Trifft das Oberlandesgericht eine meritorische Entscheidung in Bezug auf die Untersuchungshaft, so muss es selbst Sachverhaltsannahmenzum dringenden Tatverdacht treffen, welche die rechtliche Beurteilung ermöglichen, ob durch die solcherart als sehr wahrscheinlich angenommenen Tatsachen – objektiv wie subjektiv – eine hafttragende strafbare Handlung begründet wird (RIS-Justiz RS0120817, RS0119859). Diesem Erfordernis wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

[10] Im Ergebnis zutreffend verweist die Beschwerde nämlich darauf, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts – auch unter Einbeziehung der Entscheidung AZ 7 Bs 113/24m (ON 122), auf welche sie identifizierend verweist – vor allem in subjektiver Hinsicht keine Sachverhaltsannahmen zum dringenden Tatverdacht enthält.

[11] Voranzustellen ist, dass es sich bei der in Rede stehenden Vorentscheidung um eine Entscheidung über die Anklageeinsprüche der (zum damaligen Zeitpunkt auf freiem Fuß befindlichen) Angeklagten handelt, die allein zum Vorliegen eines einfachen Tatverdachts Aussagen traf (vgl BS 16 in ON 122). Unter den Gesichtspunkten der Voraussetzungen für die Verhängung von Untersuchungshaft geht daher der Verweis des angefochtenen Beschlusses auf diese Entscheidung ins Leere.

[12]Ebenso wenig enthält der nunmehr angefochtene Beschluss entsprechende Tatsachenannahmen zur hoch wahrscheinlichen Verwirklichung des Tatbestands der Veruntreuung iSd § 133 StGB. Danach ist der auf alle Tatbestandsmerkmale bezogene Eventualvorsatz erforderlich, dass dem Täter ein Gut mit Tauschwert anvertraut worden ist, welches er sich oder einem Dritten zueignet, und darüber hinaus noch – und hier insbesondere von Relevanz – ein auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteter Vorsatz ( Salimi in WK 2StGB § 133 Rz 99 ff).

[13] Der vom Beschwerdegericht – auf der Begründungsebene – abgegebene Hinweis, dass aufgrund des dargelegten Geschehensablaufs auch das Vorliegen der inneren Tatseite bei beiden Angeklagten hoch wahrscheinlich sei (BS 13), entspricht den eingangs dargestellten Anforderungen an eine meritorische Haftentscheidung nicht.

[14]Die angeführten Defizite der angefochtenen Entscheidung erfordern – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – die unverzügliche Klärung der Haftvoraussetzungen im Rahmen einer Haftverhandlung, nicht jedoch die Aufhebung des Beschlusses, weil eine grundrechtskonforme Entscheidung nach der Aktenlage grundsätzlich getroffen werden könnte (§ 7 Abs 1 GRBG; RIS-Justiz RS0119858).

[15]Demgemäß erübrigt sich ein Eingehen auf die (im Übrigen nicht erfolgversprechenden) Beschwerdeausführungen betreffend den Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO sowie zur Verletzung des ZustG in Bezug auf die Ladungen zu einer Befundaufnahme und einem Verhandlungstermin.

[16] Die – sich auf jeden der beiden Beschwerdeführer beziehende (vgl Kier in WK 2§§ 8, 9 GRBG Rz 8) – Kostenentscheidung beruht auf § 8 GRBG. Die Höhe der Beschwerdekosten gründet auf § 1 der GRBKV 2020 BGBl II 2019/416.