12Os73/25i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17. September 2025 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als Vorsitzende sowie die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Oshidari, Dr. SetzHummel LL.M., Dr. Haslwanter LL.M. und Dr. Sadoghi PMM in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Hinteregger in der Strafsache gegen * S* und andere Beschuldigte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 316 HR 256/23a des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des * F* auf Erneuerung des Strafverfahrens und dessen damit verbundenen Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Text
Gründe:
[1]Die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) führt zu (nunmehr) AZ 17 St 18/23x (unter anderem) gegen * F* ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens der Untreue nach §§ 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall, 12 dritter Fall StGB und des Verbrechens der Bestechung nach § 307 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (BS 2 im Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 8. Mai 2025, AZ 17 Bs 73/25x).
[2]In diesem Verfahren wurde am 6. Oktober 2021 im Zuge einer Durchsuchung von Orten in den Geschäftsräumlichkeiten des * F* umfangreiches Datenmaterial sichergestellt und infolge des Widerspruchs des Betroffenen gemäß § 112 Abs 1 StPO (idF vor BGBl I 2024/157) gesichert, beim Landesgericht für Strafsachen Wien hinterlegt, von einem IT Experten des Haft- und Rechtsschutzrichters teilweise gefiltert und letztlich in mehrere Kategorien eingeteilt (BS 2 f).
[3] Mit Beschluss vom 3. März 2025, GZ 316 HR 256/23a 5581, erklärte das Landesgericht für Strafsachen Wien – soweit vorliegend von Bedeutung – die Übermittlung von Dateien der Kategorie 2.h./ („Inhaltliche Gestaltung von Inseraten [davon umfasst sind Advertorials, Werbekonzepte, Produktplatzierungen, 'Presenting Spots' usw] sowie kaufmännische Unterlagen bezüglich Inserate samt Kooperationsverträgen, dazugehöriger Kommunikation, Rechnungen usw“) an die WKStA für zulässig (BS 1 iVm 5 f, 9).
[4] Der dagegen erhobenen Beschwerde des * F* (ON 5612) gab das Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht mit Beschluss vom 8. Mai 2025, AZ 17 Bs 73/25x (ON 5725), nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
[5] Dagegen richtet sich der nicht auf ein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte gestützte Antrag des * F* auf Erneuerung des Strafverfahrens, mit welchem dieser eine Verletzung in seinem Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung nach Art 10 MRK geltend macht. Der Antrag ist nicht im Recht.
[6] Für einen – wie hier – nicht auf ein Urteil des EGMR gestützten Erneuerungsantrag gelten die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Art 34 und 35 MRK sinngemäß (RISJustiz RS0122737).
[7] Demnach hat, weil die Opfereigenschaft nach Art 34 MRK nur anzunehmen ist, wenn der Beschwerdeführer substantiiert und schlüssig vorträgt, in einem bestimmten Konventionsrecht verletzt zu sein ( Grabenwarter/Pabel, EMRK 7§ 13 Rz 16), auch ein Erneuerungsantrag deutlich und bestimmt darzulegen, worin eine – vom Obersten Gerichtshof sodann selbst zu beurteilende – Grundrechtsverletzung im Sinn des § 363a Abs 1 StPO zu erblicken sei (RIS-Justiz RS0122737 [T17]). Dabei hat er sich mit der als grundrechtswidrig bezeichneten Entscheidung in allen relevanten Punkten auseinanderzusetzen (RIS-Justiz RS0124359) und – soweit er auf der Grundlage der Gesamtheit der Entscheidungsgründe nicht Begründungsmängel aufzuzeigen oder erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit getroffener Feststellungen aufzudecken vermag – seine Argumentation auf der Basis der Tatsachenannahmen der bekämpften Entscheidung zu entwickeln (RIS-Justiz RS0125393 [T1]).
Davon ausgehend ist dem Erneuerungsantrag Folgendes entgegenzuhalten:
[8]Gegenstand des hier in grundrechtlicher Hinsicht ausschließlich zu prüfenden Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht vom 8. Mai 2025, AZ 17 Bs 73/25x, ist das über Widerspruch des Erneuerungswerbers gegen die Sicherstellung unter Berufung auf das Redaktionsgeheimnis (§ 157 Abs 1 Z 4 StPO) geführte Sichtungsverfahren, demnach die Prüfung, ob die Offenlegung der sichergestellten Dateien (der Kategorie 2.h./) eine Umgehung dieses vom Widersprechenden behaupteten gesetzlich anerkannten Verschwiegenheitsrechts bedeuten würde.
[9] Die nicht auf diesen Entscheidungsgegenstand bezogene Kritik mangelnder Verhältnismäßigkeit „des geplanten Vorgehens“ der WKStA und (vermeintlich) fehlenden Bezugs der sichergestellten Dateien zum Tatverdacht unterliegt daher ebenso wenig der Prüfung im Rahmen des gegenständlichen Erneuerungsantrags (vgl RISJustiz RS0131837; jüngst 12 Os 91/24k) wie das Vorbringen, dass langjährige Inserenten aufgrund der Involvierung in ein Strafverfahren ausbleiben würden, was sich im Falle einer Kontaktaufnahme durch die Ermittlungsbehörde noch steigern würde, wodurch ein unliebsames Medium mundtot gemacht werden könnte, und der Erneuerungswerber durch Einkommensverminderung und Prestigeverlust persönlich geschädigt sei.
[10] Mit dem Argument, die in der Entscheidung des EGMR (16. 7. 2013, Nagla gegen Lettland , Bsw 73469/10, Rz 31) referierten Definitionen der Begriffe „Journalist“, „Information“ und „Quelle“ in der Empfehlung Nummer R (2000) 7, angenommen vom Ministerkomittee des Europarats am 8. März 2000, würden auf Informationen eines Inserenten an ihn als für „Advertorials und Inserate“ zuständigen Medienmitarbeiter „exakt“ zutreffen, wird kein Bezug zwischen dem angefochtenen Beschluss und der reklamierten Grundrechtsverletzung hergestellt (vgl aber RISJustiz RS0128393 [T2]).
[11] Gleiches gilt für die pauschale Behauptung, dass „nicht nur der unmittelbare Schutz von Quellen der Schutzzweck [ist], sondern alles, was seine Funktion als Public Watchdog beeinträchtigen kann“, sowie für die unter dem Aspekt des Art 10 Abs 2 MRK angestellten Überlegungen zur Schutzbedürftigkeit von Inserenten .
[12]Indem der Antragsteller schließlich einen Verstoß gegen das Redaktionsgeheimnis nach § 31 MedienG reklamiertund den angefochtenen Beschluss auf einfachgesetzlicher Ebene kritisiert, übersieht er, dass die Behandlung von Erneuerungsanträgen gerade nicht eine Auseinandersetzung nach Art einer zusätzlichen Beschwerde- oder Berufungsinstanz bedeutet, sondern sich diese vielmehr auf die Prüfung der reklamierten Verletzung eines Rechts nach der MRK oder einem ihrer Zusatzprotokolle beschränkt (RIS-Justiz RS0129606 [T2, T3], RS0132365).
[13]Der Erneuerungsantrag war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – gemäß § 363b Abs 2 Z 3 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
[14]Ebenso war mit dem unter einem gestellten, (anders als nach Art 39 der VerfO des EGMR) innerstaatlich nicht vorgesehenen Antrag auf Zuerkennung aufschiebender Wirkung zu verfahren (RIS-Justiz RS0125705 [T3]).
