10Nc14/25b – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hargassner als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi und die Hofrätin Dr. WallnerFriedl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj C*, geboren am * 2021, *, wegen Übertragung der Zuständigkeit nach § 111 Abs 2 JN in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Döbling vom 4. April 2025, GZ 10 Ps 99/24v18, gemäß § 111 JN verfügte Übertragung der Zuständigkeit zur Besorgung der Pflegschaftssache hinsichtlich des mj C* an das Bezirksgericht Wels wird genehmigt.
Text
Begründung:
[1] Das Bezirksgericht Döbling übertrug mit Beschluss vom 4. April 2025 dieZuständigkeit hinsichtlich der Personensorgesache gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Wels.
[2] Das Bezirksgericht Wels lehnte die Übernahme des Akts ab.
Rechtliche Beurteilung
[3]Nach Eintritt der Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses legte das Bezirksgericht Döbling den Akt dem Obersten Gerichtshof als gemeinsam übergeordneten Gericht nach § 111 Abs 2 JN vor.
[4]1. Gemäß § 111 Abs 2 Satz 2 JN bedarf im Falle der Weigerung des anderen Gerichts die Übertragung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des den beiden Gerichten zunächst übergeordneten gemeinsamen höheren Gerichts.
[5] Die Übertragung ist berechtigt.
[6]2.1. In der Regel entspricht es den Interessen des Kindes, wenn als Pflegschaftsgericht jenes Gericht tätig wird, in dessen Sprengel der Mittelpunkt seiner Lebensführung liegt (RS0047300 [T1]). Ändert sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes, ist daher typischerweise anzunehmen, dass die Übertragung der Zuständigkeit die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich fördern wird (RS0046929 [T5]).
[7]2.2. Offene Anträge sind kein grundsätzliches Übertragungshindernis; es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob die Entscheidung über einen solchen Antrag durch das bisherige Gericht zweckmäßiger ist (RS0047027 [T8]). Offene Anträge sprechen nur dann gegen die Zuständigkeitsübertragung, wenn das übertragende Gericht diese effizienter erledigen könnte, etwa weil es bereits unmittelbar Beweise aufgenommen hat – etwa formelle Zeugen- und Parteienvernehmungen durchgeführt hat (vgl 8 Nc 26/19v) – oder die Ermittlungen überhaupt schon abgeschlossen hat, nicht aber, wenn das Beweisverfahren noch gar nicht begonnen hat oder sich die Ermittlungen in einem sehr frühen Stadium befinden (RS0047032 [T38]). Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob und wie lange sich das bisher zuständige Gericht um die Ermittlung von Sachverhaltsgrundlagen bemüht hat, sondern ausschließlich darauf, welches Gericht eher in der Lage ist, die aktuelle Lebenssituation aller Beteiligten zu erforschen und zu beurteilen (RS0047027 [T7]; RS0047032 [T41]).
[8] 3. Im vorliegenden Fall hat zwar das übertragende Gericht beide Eltern bereits einmal einvernommen und eine fachliche Stellungnahme der Familien- und Jugendgerichtshilfe eingeholt, allerdings sind seit der Einvernahme der Eltern durch das Gericht bereits mehr als zehn Monate und seit der Begutachtung durch die Familien und Jugendgerichtshilfe bereits etwa acht Monate vergangen. Zudem wird die aktuelle Lebens und Wohnsituation der Familie am neuen Wohnort noch genauer zu ermittelnsein (RS0106312; vgl auch RS0048632 [T4]). Dies ist durch das Bezirksgericht am nunmehrigen Wohnort der Eltern einfacherdurchzuführen. Die schriftliche Stellungnahme der Familien- und Jugendgerichtshilfe kann jedenfalls auch vom neu zuständigen Gericht verwertet werden (vgl 3 Nc 2/19b).
[9] 4. Dass die Eltern durch den Umzug versuchen würden, den bisher zuständigen Behörden zu entfliehen, ist derzeit aufgrund der Aktenlage zwar denkbar , aber nicht gesichert, insbesondere da sie zurück in die Nähe ihrer Eltern gezogen sind.Eine ungewisse Aufenthaltsdauer des Kindes im Sprengel des übertragenen Gerichts bildet kein Übertragungshindernis, weil ungewisse in der Zukunft vielleicht eintretende Änderungen der Verhältnisse für den Übertragungszeitpunkt keine Wirksamkeit entfalten (RS0047300 [T13]). Dass der derzeitige Lebensmittelpunkt des Kindes instabil sei, ist dem Akteninhalt nicht entnehmbar (vgl RS0047300 [T30]).
[10] 5. Die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Wels war daher zu genehmigen.