JudikaturOGH

11Os64/25h – OGH Entscheidung

Entscheidung
Strafrecht
29. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. Juli 2025 durch dieVizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz, Dr. Oberressl, Dr. Brenner und Mag. Riffel in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ebner als Schriftführerin in der Strafsache gegen * M* und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten * M* und * P* gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. März 2025, GZ 94 Hv 2/25i 72.2, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * P* wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Schuldspruch und demzufolge im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) dieses Angeklagten sowie im Verfallsausspruch betreffend * P* aufgehoben und es wird die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten * M* wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wird * P* auf die Aufhebung des Strafausspruchs verwiesen.

Die Entscheidung über die Berufung des * M* kommt dem Oberlandesgericht Wien zu.

Dem Angeklagten * M* fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1]Mit dem angefochtenen Urteil wurden * M*, * Pa* und * P* jeweils des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (* M* iVm § 12 dritter Fall StGB) schuldig erkannt.

[2] Danach haben am 31. Oktober 2024 in W*

A/ * Pa* und * P* im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 erster Fall StGB) fremde bewegliche Sachen mit Gewalt gegen eine Person mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz weggenommen, indem * Pa* den 86 jährigen, auf eine Gehhilfe angewiesenen * G* von hinten umklammerte, die Geldbörse samt 4.000 Euro, eine Bankomatkarte und eine E Card aus dessen Umhängetasche entnahm und dem Opfer, das die Tasche festhalten wollte, die Finger verbog und es zu Boden stieß, während * P* unmittelbar daneben stand und jederzeit eingriffsbereit war,

B/ * M* zu der unter A genannten strafbaren Handlung des * Pa* und des * P* dadurch beigetragen, dass er gemeinsam mit den beiden den Tatplan schmiedete, das Opfer verfolgte und während der Ausführungshandlung Aufpasserdienste leistete.

Rechtliche Beurteilung

[3] Ihre dagegen gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden stützen* M* auf Z 5 und 9 lit a, * P* auf Z 5 des § 281 Abs 1 StPO.

[4] Allein der Beschwerde des Letzteren kommt, wie die Generalprokuratur in ihrer Stellungnahme zutreffend aufzeigt, Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des * P*:

[5] Nach den Urteilsfeststellungen zur objektiven Tatseite stand der Beschwerdeführer bei der Tathandlung des * Pa* unmittelbar daneben und vermittelte dem Opfer den Eindruck, nötigenfalls in den Ablauf der Ereignisse auf Seiten des Handelnden jederzeit einzugreifen (US 5 f, 11). Zur subjektiven Tatseite stellte das Erstgericht – insoweit nicht deckungsgleich – fest, dass * P* mit dem Vorsatz handelte, mit Gewalt gegen das Opfer, nämlich indem er ihm gemeinsam mit Pa* die Finger verbog und es zu Boden stieß, diesem fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld in Höhe von 4.000 Euro, aus dessen Geldbörse wegzunehmen, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern (US 6).

[6] Zutreffend (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) zeigt die Beschwerde auf, dass diese Konstatierungen die Subsumtion nach § 142 Abs 1 nicht tragen. Denn sie bringen weder zum Ausdruck, dass der Beschwerdeführer die Tat (oder auch nur einen Teilakt derselben [vgl Eder-Rieder in WK 2StGB § 142 Rz 53]) eigenhändig ausführte, was für die Annahme unmittelbarer Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) erforderlich ist (vgl RIS-Justiz RS0117320 und RS0089808; Fabrizy in WK 2StGB § 12 Rz 18), noch dass er durch seine Anwesenheit am Tatort und die dem Opfer signalisierte Einsatzbereitschaft dem Angeklagten Pa* (physische oder psychische) Unterstützung gewährte und damit einen kausalen Tatbeitrag zu dessen strafbarer Handlung leistete (§ 12 dritter Fall StGB; vgl RIS-Justiz RS0090497 [insbes T5] und RS0089799).

[7]Schon dieser Rechtsfehler mangels Feststellungen erforderte die Aufhebung des Urteils wie aus dem Tenor ersichtlich bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO).

[8] Mit seiner Berufung war * P* auf die Aufhebung des Strafausspruchs zu verweisen.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des * M*:

[9] Soweit sich die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) gegen die Feststellungen wendet, wonach die drei Angeklagten das Opfer im Bereich des * beobachteten und dabei feststellten, dass sich in dessen Geldbörse ein größerer Bargeldbetrag befindet, woraufhin sie beschlossen, diesen dem gehbehinderten Opfer nötigenfalls unter Gewaltanwendung wegzunehmen (US 4), bekämpft sie keine für die Lösung der Schuld- oder der Subsumtionsfrage entscheidenden Konstatierungen (vgl zum Begriff Ratz , WKStPO § 281 Rz 398 ff). Solcherart verfehlt sie den Bezugspunkt des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RISJustiz RS0117499).

[10] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich mit der Behauptung mangelnder Kausalität der Beitragshandlung des Beschwerdeführers nicht an den tatrichterlichen Feststellungen, wonach * M* dem Tatplan entsprechend in unmittelbarer Nähe des Tatorts Aufpasserdienste leistete, um die „beiden unmittelbaren Täter“ bei Ansichtigwerden von Passanten oder Polizeibeamten nötigenfalls zu warnen (US 5; vgl dazu Fabrizy in WK 2 § 12 Rz 83 und 87 f). Solcherart verfehlt sie die prozessordnungsgemäße Darstellung der geltend gemachten materiell rechtlichen Nichtigkeit (RISJustiz RS0099810).

[11]Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen.

[12]Die Entscheidung über die Berufung des * M* kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[13]Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.