JudikaturOGH

10Ob40/25t – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
10. Juli 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Nowotny als Vorsitzenden und den Vizepräsidenten Hon. Prof. PD Dr. Rassi, die Hofräte Dr. Annerl sowie Dr. Vollmaier und die Hofrätin Dr. Wallner Friedl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *, vertreten durch Fieldfisher Rechtsanwälte GmbH Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei *gesellschaft m.b.H., *, wegen Rechnungslegung und Leistung (Stufenklage gemäß Art XLII EGZPO), über den (richtig) Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien als Rekursgericht vom 28. Mai 2025, GZ 1 R 26/25g 13, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 31. Oktober 2024, GZ 15 C 862/24k 2, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahingehend abgeändert, dass er in der Hauptsache folgendermaßen zu lauten hat:

„Der angefochtene Beschluss wird ersatzlos aufgehoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.“

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Mit ihrer Stufenklage begehrt die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft , die (von ihr als ihre ehemalige Hausverwalterin in Anspruch genommene) Beklagte zu verpflichten, 1. über eine thermisch-energetische Sanierung der Liegenschaft Rechnung zu legen und 2. der Klägerin den sich aufgrund der Rechnungslegung ergebenden „– nicht rechtmäßig und ohne Beschluss genehmigten Kostenbetrag –“ in voller Höhe rückzuerstatten, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des Zahlungsbegehrens bis zur gemäß Punkt 1. des Urteilsspruchs erfolgten Rechnungslegung vorbehalten bleibt.

[2] Die Finanzierung der Ausgaben für die fast zehn Jahre dauernde Sanierung habe sich als äußerst intransparent gestaltet, weil es die beklagte Partei unterlassen habe, Abrechnungen betreffend die Werkverträge mit den jeweiligen Auftragnehmern der Fassadensanierung sowie im Zusammenhang mit der anwaltlichen Vertretung sämtlicher Gerichtsverfahren zu legen. Aus diesem Grund sei es der klagenden Partei auch nicht möglich, einen Überblick über die tatsächlich angefallenen Gesamtkosten zu erhalten. Die Beklagte sei gegenüber der Klägerin verpflichtet, eine Abschlussrechnung hinsichtlich sämtlicher Aufwendungen im Zusammenhang mit der Sanierung zu legen.

[3] Das Erstgericht sprach a limine litis aus, dass es für die vorliegende Rechtssache unzuständig sei und die gemäß § 40a JN in einen Antrag nach § 52 Abs 1 Z 6 iVm § 20 Abs 3 WEG 2002 umgedeutete Klage dem Bezirksgericht Döbling überwiesen werde.

[4] Nach dem Vorbringen richte sich der Anspruch der Klägerin unzweifelhaft auf die Legung der Abrechnung in Zusammenhang mit der thermisch energetischen Sanierung. Die Verpflichtung zur ordentlichen und richtigen Abrechnung des Hausverwalters solle der Wohnungseigentümergemeinschaft ermöglichen, die Kosten und Aufwendungen der thermisch energetischen Sanierung überprüfen zu können. Dass eine unrichtige Rechnungslegung die Wohnungseigentümergemeinschaft möglicherweise zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen berechtige – deren Bestehen derzeit völlig ungewiss sei – ändere nichts daran, dass nach dem gesamten Vorbringen der Klägerin die Klage als Antrag auf Rechnungslegung zu qualifizieren sei. Andernfalls läge es im Belieben der Wohnungseigentümer-gemeinschaft, die Bestimmung des § 52 Abs 1 Z 6 WEG zu umgehen.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin Folge, hob den angefochtenen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf.

[6] In seiner Begründung ging das Rekursgericht davon aus, dass die Verbindung des Rechnungslegungs-begehrens und des Leistungsbegehrens wegen der unterschiedlichen Verfahrensart unzulässig sei, dies auch in Form einer Stufenklage. Es trug dem Erstgericht daher auf, im fortgesetzten Verfahren die Stufenklage der Klägerin zur Verbesserung zurückzustellen. Sollte die Klägerin ihr Leistungsbegehren fallen lassen, wäre das Erstgericht unzuständig und die in einen Antrag umzudeutende Klage an das Bezirksgericht Döbling zu überweisen. Sollte hingegen das Rechnungslegungsbegehren fallengelassen werden, wäre das Leistungsbegehren gemäß § 226 ZPO bestimmt anzugeben.

[7] Das Rekursgericht vertrat den Rechtsstandpunkt, dass Rechnungslegungsansprüche, die in das Außerstreitverfahren verwiesen sind, im Falle einer Stufenklage im streitigen Verfahren nicht mitdurchgesetzt werden könnten. Es bezog sich dabei auf die Bestimmung des § 20 Abs 3 WEG 2002, wonach der Verwalter den Wohnungseigentümern Abrechnung zu legen habe. Eine Geltendmachung des Abrechnungsanspruchs im Wege einer Stufenklage würde hier zu einer Umgehung der zwingenden Bestimmungen über das wohnungseigentumsrechtliche Außerstreitverfahren in § 52 WEG 2002 führen.

[8] Mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung über die Zulässigkeit der Verbindung eines Rechnungslegungs-anspruchs nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 mit einer Stufenklage nach Art XLII EGZPO ließ das Rekursgericht den (richtig:) Rekurs zu.

[9] In ihrem dagegen erhobenen Rechtsmittel richtet sich die klagende Partei gegen den in der Begründung des Rekursgerichts erteilten Auftrag zur Verbesserung der Stufenklage. Sie begehrt weiters, dem Erstgericht aufzutragen, sowohl über das Rechnungslegungs als auch über das daraus abgeleitete Leistungsbegehren zu entscheiden.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Rekurs ist zulässig und auch berechtigt, weil das Rekursgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der klagenden Partei die Einbringung einer Stufenklage mit Hinweis auf § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 verwehrt werden könnte.

[11] 1. Vorweg ist klarzustellen, dass es sich ungeachtet der Bezeichnung als Revisionsrekurs gegenständlich um einen (vom Zweitgericht im Anlassfall auch zugelassenen) Rekurs nach § 527 Abs 2 ZPO handelt. Es wird hier nämlich ein „echter“ Aufhebungsbeschluss bekämpft, weil dem Erstgericht die Ergänzung des Verfahrens durch Erteilung eines Verbesserungsauftrags aufgetragen wurde, was im fortgesetzten Verfahren zu einem (neuerlichen) Überweisungsbeschluss führen könnte. Das Rekursgericht hat damit eine selbständig zu entscheidende Frage (in casu: Zuständigkeit des Erstgerichts) noch nicht abschließend beurteilt (RS0044037 [T15]; RS0044102).

[12] 2. Ein Aufhebungsbeschluss, dessen Bekämpfung vom Zweitgericht ausdrücklich zugelassen wurde, kann auch nur hinsichtlich seiner Begründung bekämpft werden (RS0043848; RS0007094). Auch jene Partei kann gegen einen Aufhebungsbeschluss Rekurs erheben, die selbst die Aufhebung erwirkt hat (RS0007094 [T5]; RS0043817 [T7]). Die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft kann hier daher den Aufhebungsbeschluss hinsichtlich der Begründung anfechten.

[13] 3. Die Klägerin betont in ihrem Rechtsmittel, dass sie die Abrechnungspflicht vorliegend gar nicht auf § 20 Abs 3 WEG 2002 gestützt habe, weil dieser Anspruch (nur) dem einzelnen Wohnungseigentümer zustehe (vgl RS0110524 [T11]), zudem (nur) einer periodenbezogenen Kontrolle diene (vgl § 34 WEG 2002) und – wegen Verjährung (§ 34 Abs 1 WEG 2002, 5 Ob 200/18z) – der Klägerin auch objektiv nicht zur Verfügung stünde. Vielmehr mache sie „einen funktional anderen, zivilrechtlich begründeten Anspruch im Wege der Stufenklage geltend“.

[14] 3. 1 Bei der Klärung der Frage, in welcher Verfahrensart der geltend gemachte Anspruch zu entscheiden ist, muss auf diese Argumentation nicht eingegangen werden. Die Prüfung, ob (und warum) die Klägerin einen zivilrechtlichen Abrechnungsanspruch zu Recht geltend macht, bleibt der inhaltlichen Entscheidung vorbehalten. Selbst wenn die Klägerin nämlich mit der angestrebten Abrechnung im Zusammenhang mit einem Sanierungsprojekt „die Durchsetzung der Pflichten des Verwalters“ anstrebt, die nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 grundsätzlich dem Außerstreitverfahren zugewiesen wäre, spräche das nicht dagegen, dass über die gegenständliche Stufenklage im Prozess zu entscheiden ist.

[15] 4. Der Senat teilt nicht die Begründung des Rekursgerichts. Die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht widerspricht vielmehr der Entscheidung des verstärkten Senats zu 8 Ob 527/92 SZ 65/165.

[16] 4.1 Bei dieser Entscheidung war zu beurteilen, ob ein selbständiger Handelsvertreter ungeachtet des Umstands, dass dieser das Recht auf Buchauszug und Bucheinsicht (§ 15 HVG aF nunmehr § 16 HVertrG 1993) im Außerstreitverfahren (vgl 9 Ob 52/23x Rz 20) durchsetzen muss, auch eine Stufenklage nach Art XLII EGZPO wählen kann. In der umfassend begründeten Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof diese Frage bejaht und ist davon ausgegangen, dass die Verweisung einer Form des Manifestationsanspruchs in das Außerstreitverfahren nicht ausschließt, dass andere solche Ansprüche (auch) klagsweise geltend gemacht werden können (vgl dazu auch Labner in Kodek/Oberhammer , ZPO ON Art XLII EGZPO Rz 8). Demnach ist die Gewährung eines im kostensparenden und deshalb wenig kostenriskanten außerstreitigen Verfahren verfolgbaren Auskunftsrechts als den Handelsvertreter begünstigende Maßnahme zu qualifizieren, die ihm aber deshalb nicht das unabhängig davon bestehende Klagerecht nach Art XLII EGZPO nehmen will. Es bleibt rechtsdogmatisch kein Raum für die Annahme, der Gesetzgeber habe damit das streitige Verfahren nach Art XLII EGZPO ausschließen wollen.

[17] 4.2 Daran ist auch für die hier vorliegende Konstellation anzuknüpfen.

[18] 4.2.1 Es wäre nicht einzusehen, warum der klagenden Eigentümergemeinschaft nur mit Hinweis auf die Möglichkeit, eine (bloße) Rechnungslegung im Außerstreitverfahren nach § 52 Abs 1 Z 6 WEG 2002 durchzusetzen, die Stufenklage nicht zur Verfügung stehen soll, zumal der Verfahrensgegenstand auch ein gänzlich anderer als bei der Durchsetzung der Rechnungslegung ist ( Rassi , Verfahrensrechtliche Fragen der Bucheinsicht, ÖJZ 1997, 891).

[19] 4.2.2 Als eine der Ausnahmen vom Bestimmtheitsgebot des § 226 Abs 1 ZPO zielt die Stufenklage nämlich darauf ab, dass auch Forderungen, deren genaue Höhe dem Kläger unbekannt ist, eingeklagt werden können. Wer die Stufenklage in Anspruch nimmt, hat sich bereits dazu entschlossen, einen Geldbetrag einzuklagen, dessen genaue Höhe er noch nicht kennt, weil der Beklagte die nötigen Unterlagen hat. Wird hingegen nur die Rechnungslegung begehrt, ist damit über ein allfälliges späteres Leistungsbegehren noch nichts gesagt. Es würde dem präventiven Charakter des außerstreitigen Verfahrens zur Rechnungslegung und der Verfahrensökonomie widersprechen, wenn einem Rechnungslegungsberechtigten, der schon entschlossen ist, eine Leistungsklage einzubringen, die erleichternde Bestimmung des Art XLII EGZPO verweigert wird, um ihn über den Umweg eines Außerstreitverfahrens zu einem a limine bestimmten Begehren in einem nachfolgenden Zivilprozess zu nötigen.

[20] 4.2.3 Folgt man der Rechtsansicht des Rekursgerichts, wäre die klagende Partei zu einer unökonomischen Vorgangsweise gezwungen, nämlich die Aufklärung (hier: Rechnungslegung) als (bloße) Hilfsfunktion bei der Rechtsdurchsetzung und den Leistungsanspruch in zwei gesonderten Erkenntnisverfahren geltend zu machen. Demgegenüber ist aber Art XLII EGZPO gerade vom Ökonomiezweck geprägt, der für eine Koppelung von Aufklärungs und Herausgabebegehren in der jeweils für den Hauptanspruch maßgeblichen Verfahrensart spricht ( Konecny in Fasching/Konecny 3 Art XLII EGZPO Rz 113 mwN).

[21] 5. Auch der vom Erstgericht gewählte Ansatz bietet keine gangbare Alternative für die vom Rechtsmittel vertretene Ansicht. Das Erstgericht ging davon aus, dass die Begehren auf Abrechnung und Zahlung im Außerstreitverfahren geltend gemacht werden können und hat die Klage im Wege des § 40a JN damit erkennbar als solchen außerstreitigen „Stufenantrag“ qualifiziert.

[22] 5.1 Wenngleich eine solche Koppelung zwar auch im Bereich des Außerstreitverfahrens nicht ausgeschlossen ist (siehe sogleich), ist es im Anlassfall zu verneinen, dass der konkrete Rechtsschutzantrag im Außerstreitverfahren geltend zu machen ist.

[23] 5.2 Der Oberste Gerichtshof hat zu 7 Ob 2199/96z die damals geltende Bestimmung des § 235 Abs 1 AußStrG aF („Ansprüche ... hinsichtlich ehelichen Gebrauchsvermögens oder ehelicher Ersparnisse“) verfahrensökonomisch dahin (weit) ausgelegt, dass auch der Anspruch auf Rechnungslegung oder eidliche Vermögensangabe gemäß Art XLII EGZPO darunter fällt, wenn er das eheliche Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse betrifft (RS0106019). Damit wurde (ausnahmsweise) ein außerstreitiger „Stufenantrag“ bejaht ( Konecny in Fasching/Konecny 3 Art XLII EGZPO Rz 113).

[24] 5.3 Schließlich ist auch auf die Spezialbestimmung des § 31 Abs 3 WEG 2002 hinzuweisen, wonach bei Beendigung des Verwaltervertrags betreffend die Rücklage die Durchsetzung des Anspruchs auf Legung einer ordentlichen und richtigen Abrechnung und Herausgabe des Überschusses vorgesehen ist. Ein entsprechendes Begehren ist im Außerstreitverfahren zu behandeln und einer Stufenklage nachgebildet (5 Ob 175/09k; 5 Ob 178/23x, Rz 34).

[25] 5.4 Abgesehen von solchen Ausnahmen ist die Rechtsprechung freilich vom Grundsatz geprägt, dass ein Manifestationsbegehren im Prozess geltend zu machen ist (RS0106019 [T2]). Die Möglichkeit eines außerstreitigen „Stufenantrags“ sieht das Gesetz für die hier geltend gemachte Abrechnungspflicht des beklagten Verwalters gerade nicht vor. In dem hier zu beurteilenden Bereich liegt vielmehr kein Herausgabeanspruch (Leistungsanspruch) vor, der mittels Außerstreitantrags geltend gemacht werden könnte. Die oben angeführten Argumente sprechen somit dafür, dass die klagende Wohnungseigentümergemeinschaft ihren Rechnungslegungs und Leistungsanspruch gekoppelt mittels Stufenklage im streitigen Rechtsweg geltend machen kann. Das angerufene Erstgericht ist somit zuständig und hat im streitigen Verfahren über den Rechtsschutzantrag der Klägerin zu entscheiden.

[26] 6. Das Rechtsmittel hat somit Erfolg.

[27] 7. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.