3Ob60/25g – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * Gemeinnützige Privatstiftung, *, vertreten durch Dr. Wolfgang Schöberl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. * Rechtsanwälte OG, *, 2. MMag. Dr. *, und 3. Mag. *, alle *, alle vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, wegen 465.253,54 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Februar 2025, GZ 3 R 193/24k 29.1, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin war von der späteren Erblasserin in einem bei der erstbeklagten Rechtsanwaltsgesellschaft errichteten Testament bedacht worden. Dieses entsprach zum Errichtungszeitpunkt den damals nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs einzuhaltenden Erfordernissen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob die spätere Erblasserin von der Erstbeklagten, nachdem der Oberste Gerichtshof wenig später in seiner Judikatur weitere Formerfordernisse für ein fremdhändiges Testament statuiert hatte, über die nunmehr anzunehmende Ungültigkeit ihres Testaments und die Notwendigkeit einer Neuerrichtung informiert wurde und was gegebenenfalls dabei vom Zweitbeklagten – der so wie der Drittbeklagte unbeschränkt haftender Gesellschafter der Erstbeklagten ist – gesagt wurde; jedenfalls wurde über eine solche Aufklärung kein Aktenvermerk der Erstbeklagten errichtet.
[2] Die auf das – fremdhändige, aus zwei mit einer Heftklammer verbundenen Seiten bestehende – Testament gestützte Erbantrittserklärung der Klägerin wurde wegen Formungültigkeit rechtskräftig abgewiesen ( 2 Ob 82/22f ). Die Verlassenschaft wurde einer gesetzlichen Erbin eingeantwortet.
[3] Das Berufungsgericht bestätigte die Abweisung der Schadenersatzklage durch das Erstgericht.
Rechtliche Beurteilung
[4] Mit der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf.
[5] 1. Erweist sich eine letztwillige Verfügung wegen eines dem dazu vom späteren Erblasser beauftragten Rechtsanwalt oder Notar unterlaufenen Fehlers als ungültig, so kann der in ihr Bedachte vom Rechtsfreund nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter Schadenersatz verlangen (vgl 6 Ob 292/00k ; 6 Ob 94/18v [Pkt 1.2.]; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek , ABGB 4 [2016] § 1300 Rz 7 f ; im Ergebnis bereits GlUNF 330 ). Den Beweis für das Bestehen einer Sorgfaltspflicht und deren Verletzung hat der Geschädigte zu erbringen ( RS0023498 [T9]).
[6] Dass im Anlassfall nicht festgestellt werden konnte, ob die spätere Erblasserin von der Erstbeklagten über die drohende Ungültigkeit ihres letzten Willens verständigt und was dabei allenfalls gesprochen wurde, fällt somit der Klägerin zur Last.
[7] 2. Das – demgegenüber feststehende – Fehlen einer Dokumentation der (allenfalls erfolgten) Verständigung begründet keine Sorgfaltswidrigkeit, weil die Erstbeklagte zu einer solchen Dokumentation nicht verpflichtet war. Soweit sich die Klägerin dazu auf die Rechtslage für Ärzte beruft, ist ihr entgegenzuhalten, dass im ärztlichen Bereich die Dokumentationspflicht gesetzlich verankert ist; diese wurde mit BGBl 1994/100 als § 22a des damaligen Ärztegesetzes 1984 eingeführt, in das ÄrzteG 1998, BGBl I 1998/169, als § 51 mit Adaptierungen übernommen und zwischenzeitlich mehrfach geändert. Beim Fehlen einer dem § 51 ÄrzteG entsprechenden Vorschrift für Rechtsanwälte ist von einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers auszugehen, zumal diesem nicht unterstellt werden kann, er hätte die unterschiedlichen Anforderungen im Berufsrecht der beiden Berufsgruppen verkannt. Wurde vom Gesetzgeber aber für einen bestimmten Sachverhalt eine bestimmte Rechtsfolge bewusst nicht angeordnet, so fehlt es an einer planwidrigen Gesetzeslücke und daher auch an der Zulässigkeit ergänzender Rechtsfindung ( RS0008866 [T8, T13]; vgl auch RS0008870 [T7]).
[8] 3. Darüber hinaus hat der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen, dass – anders als bei ärztlichen Behandlungsfehlern – dem Geschädigten bei Verletzung etwa einer Aufklärungs- oder einer Erkundungspflicht des Rechtsanwalts der Nachweis der Kausalität des Verhaltens des Schädigers für den eingetretenen Schaden zuzumuten ist ( 1 Ob 151/01i ; RS0106890 [T12]). Die – weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung geteilte – Ansicht der Revisionswerberin, ein Rechtsanwalt hafte bereits dann, wenn er die Erfüllung seiner Pflicht, den Mandanten über einen bestimmten Umstand aufzuklären, nicht dokumentierte, bzw dass ihn in einem solchen Fall jedenfalls die Beweislast treffe, stünde mit der zuvor genannten Rechtsprechung in einem Spannungsverhältnis. Dass eine selbstständige allgemeine Dokumentationspflicht, deren Verletzung schadenersatzpflichtig macht, bei Rechtsanwälten und auch bei Steuerberatern abzulehnen ist, ist zudem bei insofern vergleichbarer Rechtslage in Deutschland in der Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, wobei betont wird, dass sich eine solche Pflicht weder aus dem Vertrag noch aus dem diesem vorausgehenden vorvertraglichen Schuldverhältnis ableiten lasse (BGH IX ZR 105/91 = NJW 1992, 1695 [Pkt II.2.a.] ; IX ZR 105/06 = NJW 2008, 371 [Rz 13 f] ; Schwaiger in Borgmann/Jungk/Schwaiger , Anwaltshaftung 6 [2020] Kap IX Rz 1 und 13; Fahrendorf in Fahrendorf/Mennemeyer , Die Haftung des Rechtsanwalts 9 [2021] Kap 2 Rz 188 f ua).
[9] 4. Da es der Klägerin nicht gelingt, eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.