3Ob32/25i – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Brenn als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun Mohr und Dr. Kodek und die Hofräte Dr. Stefula und Mag. Schober als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* Gibraltar, vertreten durch die Mag. Simon Wallner Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei G*, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 EO, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 10. Jänner 2025, GZ 47 R 292/24z 49, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 11. November 2024, GZ 75 C 20/23f 42, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das klageabweisende Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.827,12 EUR (darin 304,52 EUR USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung sowie die mit 2.842,40 EUR (darin 219,40 EUR USt und 1.526 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
[1] Mit Beschluss vom 30. August 2023 bewilligte das Erstgericht dem nunmehrigen Beklagten als Betreibendem antragsgemäß die Exekution gegen die Verpflichtete E* Limited durch Pfändung und Verwertung der Domain „l*.at“ und stellte der Drittschuldnerin (der zuständigen Registrierungsstelle nic.at) die Exekutionsbewilligung zu.
[2] Die zunächst als I* Limited bezeichnete Klägerin begehrte, die Exekution für unzulässig zu erklären. Sie sei bereits vor Einbringung des Exekutionsantrags die neue Inhaberin der nun gepfändeten Domain geworden.
[3] Der Beklagte wendete im Wesentlichen ein, ohne Einbindung der Drittschuldnerin sei eine Übertragung der Domain nicht möglich. Die Klage sei unschlüssig, weil eine solche Beteiligung der Drittschuldnerin nicht einmal behauptet worden sei.
[4] Das Erstgericht berichtigte infolge der am 15. Jänner 2024 erfolgten Änderung des Firmennamens der Klägerin (auf S* Limited) deren Parteibezeichnung und wies die Klage ab.
[5] Die Vertragsbeziehung zwischen dem Anmelder einer Domain und der Registrierungs oder Vergabestelle sei eine gemischte Vereinbarung. Eine Übertragung einer solchen Vertragsbeziehung erfordere nicht nur einen Gläubiger- sondern auch einen Schuldnerwechsel. Da die Klägerin eine Zustimmung der zentralen Registrierungsstelle nicht einmal behauptet habe, sei das Vorbringen nicht schlüssig und die Klage abzuweisen.
[6] Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
[7] Eine Überraschungsentscheidung liege zwar – entgegen der Behauptung der Klägerin – nicht vor, weil der Beklagte bereits eingewendet habe, dass eine bloß interne Übertragung der Domain ohne Einbindung der Registrierungsstelle nicht ausreiche. Der Klägerin sei allerdings zuzugestehen, dass ihr (erstmals in der Berufung erstattetes) Vorbringen darüber, dass die Domain nach den – gemäß einer Bestimmung des vorgelegten Vertrags auf diesen anzuwendenden – Gesetzen von Gibraltar rechtswirksam übertragen worden sei, nicht erörtert worden sei. Eine Aufhebung des angefochtenen Urteils sei aus diesem Grund unumgänglich. Außerdem sei der Zeitpunkt der Zustellung der Exekutionsbewilligung an die Verpflichtete nicht festgestellt worden. Die Pfändung der Rechte aus einer Internet-Domain sei aber durch ein Verfügungsverbot an den Verpflichteten zu bewirken, während ein Leistungsverbot an den Drittschuldner unterbleiben könne; die Drittschuldnerin sei von der Pfändung der Domain nur zu verständigen. Für den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Pfändung sei daher die Zustellung der Exekutionsbewilligung an die Verpflichtete maßgeblich.
[8] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zur Frage zulässig, ob sich Titel und Modus der Übertragung einer Domain zwischen zwei Unternehmen, die ihren Sitz im Ausland haben, nach fremdem Recht richteten, auch wenn die Registrierungsstelle im Inland ansässig sei.
[9] In seinem Rekurs an den Obersten Gerichtshof wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung beantragt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts.
[10] Die Klägerin beantragt in ihrer Rekursbeantwortung , den Rekurs zurückzuweisen, hilfsweise, diesem nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[11] Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.
[12] 1.1 Gemäß § 37 Abs 1 EO kann eine dritte Person gegen eine Exekution „Widerspruch“ (eine Exszindierungsklage) erheben, wenn sie „an einem durch die Exekution betroffenen Gegenstande, an einem Teil eines solchen oder an einzelnen Gegenständen des Zubehöres einer in Exekution gezogenen Liegenschaft ein Recht behauptet, welches die Vornahme der Exekution unzulässig machen würde“. Der Begriff des Gegenstands in § 37 Abs 1 EO ist nicht bloß als körperliche Sache zu verstehen, sondern darunter fallen auch Forderungen und Rechte ( Lippitsch in Garber / Simotta , EO § 37 Rz 2 mwN; Jakusch in Angst / Oberhammer , EO 3 § 37 Rz 3 mwN; vgl auch Geroldinger / Holzner in Deixler Hübner , Exekutionsordnung, § 37 Rz 72 f). Die Klage richtet sich auf die Beseitigung (Einstellung) einer bestimmten Exekution in Bezug auf ein bestimmtes Exekutionsobjekt (vgl RS0001266 [T3]).
[13] 1.2 Nach der Rechtsprechung des Senats ist eine Exekutionsführung in die Rechte an einer Internet Domain möglich und zulässig (vgl RS 0053178 [T23]; vgl auch RS0135250 ). Gegenstand der Pfändung eines solchen Vermögensrechts im Sinn des § 326 EO (früher § 331 EO aF) ist die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche, die dem Inhaber der Domain gegenüber der Registrierungsstelle aus dem der Domain Registrierung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zustehen (vgl RS0124636 ). Auch gegen eine solche Exekutionsführung kann ein Dritter, der einen Eingriff in das die Domain betreffende Verfügungsrecht geltend macht, grundsätzlich eine Exszindierungsklage erheben.
[14] 2.1 Eine Domain bzw ein Domainname ist ein eindeutiger, leicht verständlicher Name („Adresse im Internet“), der einer bestimmten Internetpräsenz zugeordnet wird und dazu dient, komplizierte IP Adressen durch verständliche Begriffe zu ersetzen, um Websites und Internet-Dienste eindeutig zu identifizieren und Internetinhalte über Computer, Server oder Internet-Dienste leichter abrufen zu können. Jeder Domainname kann weltweit nur einmal vergeben werden. Er ist hierarchisch aufgebaut und setzt sich aus der Top Level Domain (zB „.at“, „.com“), der Second-Level Domain (der eigentliche Name, den ein Unternehmen, eine Organisation oder eine Privatperson ausgewählt hat) und einer oder mehreren Sub Domains (zB „www“ oder „shop“) zusammen. Die Top-Level-Domain kennzeichnet bei länderspezifischen Bezeichnungen den Staat der Registrierung (zB „.at“ für Österreich oder „.de“ für Deutschland) und bei generischen Domains den Typus (zB „.com“ für kommerziell, „.org“ für Organisationen oder „.net“ für Netzwerk; Seite.991507.html ; vgl auch 3 Nc 78/24m).
[15] 2.2 Die Vergabe von Domainnamen erfolgt auf mehreren organisatorischen Ebenen. Die h öchste Instanz ist die ICANN (Internet Corporation for Assigned Names and Numbers). Sie koordiniert weltweit die Zuteilung der Top-Level Domains, legt die grundlegenden Regeln fest und beauftragt sogenannte „Registries“ (Registrierungsstellen) mit dem Betrieb einzelner Top Level Domains. Die jeweilige Registrierungsstelle ist also die technische und administrative Betreiberin einer bestimmten Domain-Endung. Für jede Top-Level Domain gibt es nur eine Registrierungsstelle.
[16] Die Registrierung einer Domain mit den Endungen „.at“, „.or.at“ und „.co.at“ erfolgt über die „nic.at“. Sie ist die österreichische Registrierungsstelle und Vertragspartnerin der jeweiligen Domain-Inhaber ( https://de.wikipedia.org/wiki/Nic.at ; https://www.nic.at/de/das-unternehmen/unsere-aufgaben).
[17] 3.1 Aufgrund der technischen Gegebenheiten schließt die Innehabung einer Domain andere Personen als den registrierten Inhaber von der Registrierung derselben Domain aus. Rein rechtlich verschafft die Innehabung einer Domain dem Inhaber aber lediglich eine vertragliche Rechtsposition aus dem Registrierungsvertrag mit der Registrierungsstelle. Grundsätzlich sind Domains zwar übertragbar und auch pfändbar. Auf den Erwerber wird aber nur die vertragliche Rechtsposition übertragen (vgl Thiele , Verträge über Internet Domains, ecolex 2000, 210; ders , Pfändung von Internet Domains, ecolex 2001, 38). Die Übertragung einer Domain erfolgt somit nach den Grundsätzen der Vertragsübernahme (samt Abtretung der vertraglichen Rechte) unter Einbindung der Registrierungsstelle, wobei der Registrierungsvertrag bzw die diesem zugrunde liegenden AGB der Registrierungsstelle in der Regel nähere Bestimmungen dafür vorsehen. Die Übertragung einer Domain bedarf somit jedenfalls der Mitwirkung und grundsätzlich auch der Zustimmung der jeweiligen Registrierungsstelle. Die gesonderte Zustimmung ist entbehrlich, wenn die Registrierungsstelle die Domains in ihren AGB als frei übertragbar erklärt hat. Sind mit dem Domainnamen geschützte Rechte, wie etwa Marken- oder Urheberrechte verbunden, so müssen dem Erwerber zur unbeschränkten Nutzung der Domain auch die entsprechenden Nutzungsrechte eingeräumt werden. Die Nutzung der Domain ist somit von der (bloßen) Übertragung derselben zu unterscheiden.
[18] 3.2 Die Übertragung einer .at Domain läuft nach den AGB der nic.at, die Inhalt des (zu übertragenden) Registrierungsvertrags sind, in der Regel in zwei Schritten ab: Zunächst muss der nic.at eine schriftliche, sowohl vom bisherigen Inhaber als auch vom Übernehmer der Domain unterschriebene Inhaberwechsel-Bestätigung übermittelt werden. Danach muss (innerhalb einer bestimmten Frist) zusätzlich ein Online-Auftrag des Übernehmers bei der nic.at einlangen. Gegenüber der nic.at gilt nur derjenige als Domain Inhaber, der in die entsprechende Datenbank der nic.at als Inhaber eingetragen ist. Nur dieser kann wirksam über die Domain verfügen. Der Erwerber erlangt somit erst mit der Eintragung (seiner Daten) als neuer Domain-Inhaber in die Datenbank die Rechtsposition als Domain-Inhaber und die Verfügungsbefugnis über die Domain ( Vartian in Hausmaninger/Petsche/Vartian , Wiener Vertragshandbuch II 3 Pkt IV.3 Anm 5 ff).
[19] 4.1 Nach den – von der Klägerin selbst für ihren Rechtsstandpunkt angeführten – AGB der nic.at regelt Punkt 3.6. den „Inhaberwechsel“ (die „Übertragung einer Domain“) dahin, dass dieser eine übereinstimmende Willenserklärung des bisherigen und des künftigen Domain-Inhabers voraussetzt. Als weiteres Erfordernis für eine solche Übertragung wird ein „vollständig ausgefülltes elektronisches Formular ( www.nic.at/onlineauftrag )“ verlangt.
[20] 4.2 Dass die Klägerin ein solches Formular vor der Wirksamkeit der exekutiven Pfändung der zugrunde liegenden Domain ausgefüllt und an die nic.at übermittelt hätte, behauptet sie auch in ihrer Rekursbeantwortung nicht. Sie argumentiert – wie im gesamten Verfahren – ausschließlich dahin, dass sie durch den zwischen ihr und der Verpflichteten mündlich abgeschlossenen, „zu Dokumentationszwecken zu einem späteren Zeitpunkt verschriftlichten“ Kaufvertrag rechtswirksam Eigentümerin der Domain geworden sei.
[21] Der Zeitpunkt der „Verschriftlichung“ lag aber unstrittig nach der bereits durchgeführten gerichtlichen Pfändung (Exekutionsbewilligung am 30. August 2023; Zustellung an die nic.at am 1. September 2023; Datum des schriftlichen Vertrags ist der 19. September 2023).
[22] 4.3 Außerdem hat die Klägerin vorgebracht, dass sich die nic.at mit dem Hinweis auf die bereits erfolgte exekutive Pfändung rechtswidrig geweigert habe, die Klägerin als neue Anspruchsinhaberin der Domain zu registrieren. Der Umstand, dass „weiterhin“ die Verpflichtete als Domain-Inhaberin aufgeschienen sei, sei „erst im Zuge der an diese zugestellten Exekutionsbewilligung bemerkt“ worden. Daraufhin sei die Registrierungsstelle nic.at umgehend kontaktiert und über den bereits erfolgten Inhaberwechsel informiert worden.
[23] Auch daraus ergibt sich gerade nicht, dass die Voraussetzungen für eine wirksame Übertragung der zugrunde liegenden Domain auf die Klägerin erfüllt wären.
[24] 4.4 Soweit die Klägerin argumentiert, die Tatsache, dass es kein neues Vertragsverhältnis zwischen ihr und der Registrierungsstelle nic.at gebe, liege „einzig an der Weigerung von nic.at und nicht an einem fehlenden Modus“, übersieht sie, dass diese „Weigerung“ auf den Umstand zurückzuführen ist, dass im Zeitpunkt der exekutiven Pfändung der Inhaberwechsel nicht durchgeführt war und die nic.at als Drittschuldnerin daher eine nach diesem Zeitpunkt begehrte Änderung nicht vornehmen durfte. Davon, dass – wie die Klägerin meint – die Registrierungsstelle den „Modus absichtlich verunmöglicht“ hätte, kann keine Rede sein.
[25] 4.5 Warum die von der Klägerin zitierten Entscheidungen des BGH, die (im Einklang mit der österreichischen Rechtslage) hervorheben, dass Gegenstand der Pfändung einer Internet-Domain die Gesamtheit der schuldrechtlichen Ansprüche ist, die dem Inhaber gegenüber der Vergabestelle aus dem der Domainregistrierung zugrunde liegenden Vertragsverhältnis zustehen, für ihren Rechtsstandpunkt sprechen sollen, ist nicht erkennbar.
[26] 5.1 Zusammenfassend folgt, dass sich aus dem gesamten Vorbringen der Klägerin eine wirksame Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem von der Verpflichteten mit der nic.at abgeschlossenen Domain-Registrierungsvertrag vor dem mit der Klage nach § 37 EO bekämpften exekutiven Zugriff und damit die Berechtigung des Begehrens auf Unzulässigerklärung der Exekution nicht ableiten lässt. Die Klage ist damit – ohne Vorliegen eines Erörterungsmangels – unschlüssig geblieben, was das Erstgericht zutreffend erkannt hat. Damit war in Stattgebung des Rekurses in der Sache selbst zu erkennen und das die Klage abweisende Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.
[27] Die vom Berufungsgericht dem Erstgericht aufgetragene Verfahrensergänzung erweist sich als entbehrlich. Gleiches gilt für die Erhebung der Rechtslage in Gibraltar, weil es jedenfalls an der – nach den in den zu übertragenden Vertrag einbezogenen AGB – für die wirksame rechtsgeschäftliche Übertragung der Domain erforderlichen Einbindung der Registrierungsstelle nic.at mangelt.
[28] 5.2 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.