JudikaturOGH

1Ob71/25k – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
24. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Dr. Wurdinger als Vorsitzenden sowie die Hofrätin und die Hofräte Dr. Steger, Mag. Wessely Kristöfel, Dr. Parzmayr und Dr. Vollmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Landesstelle Graz, Graz, Göstinger Straße 26, und 2. Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Steiermark, Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, beide vertreten durch Mag. Werner Thurner, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich (Bund) und 2. Land Burgenland, Eisenstadt, Europaplatz 1, beide vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 154.645,93 EUR sA sowie Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 20. März 2025, GZ 14 R 140/24x 57, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerinnen erbrachten aufgrund eines Arbeitsunfalls bei der Benutzung eines Aufzugs in den Betriebsräumen einer Ölmühle Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung an ihren – durch den Unfall – geschädigten Versicherungsnehmer. Sie machen gemäß § 332 ASVG auf sie übergegangene Regressansprüche (Amtshaftungsansprüche) gegen die beklagten Rechtsträger als (Mit-)Verursacher des Unfalls geltend. Den diesen funktionell (Erstbeklagte) und organisatorisch (Zweitbeklagte) zuzurechnenden Organen der Bezirkshauptmannschaft sei vorzuwerfen, dass ihnen weder bei einer gewerbebehördlichen Überprüfung der in den Betriebsräumen ursprünglich betriebenen Betriebsanlage (Getreidemühle) im Jahr 2007 noch anlässlich des 2015 und 2016 durchgeführten Verfahrens zur Genehmigung der darin zuletzt betriebenen Betriebsanlage (Ölmühle) Sicherheitsmängel des dort errichteten Aufzugs aufgefallen seien und sie daher dessen Betrieb nicht untersagt hätten, wodurch der Unfall verhindert worden wäre.

[2] Das Erstgericht wies die Klage ab.

[3] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zu.

[4] Zur behaupteten Pflichtverletzung bei Überprüfung der ursprünglichen Betriebsanlage (Getreidemühle) im Jahr 2007 scheiterten Amtshaftungsansprüche schon daran, dass nicht feststehe, ob für die Organe der Gewerbebehörde (damals) erkennbar gewesen sei, dass sich in den Betriebsräumen ein funktionsfähiger Aufzug befunden habe. Davon abgesehen habe sich der Unfall nicht beim Betrieb dieser Betriebsanlage (Getreidemühle) ereignet, sondern beim Betrieb einer erst danach bewilligten Betriebsanlage (Ölmühle). Die Vorschriften über die gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung bezweckten aber keine Verhinderung von Gefahren, die durch eine andere als die zu überprüfende Betriebsanlage entstünden, weshalb der geltend gemachte – beim Betrieb der Ölmühle entstandene – Schaden in keinem Rechtswidrigkeitszusammenhang mit dem behaupteten Pflichtverstoß bei der Überprüfung der zum Unfallszeitpunkt nicht mehr bestehenden Betriebsanlage (Getreidemühle) stehe.

[5] Einer Haftung wegen einer Pflichtverletzung bei Bewilligung der neuen Betriebsanlage (Ölmühle) stehe entgegen, dass das Bestehen eines funktionsfähigen Aufzugs für die Organe der Gewerbebehörde bei Überprüfung dieser Betriebsanlage nicht erkennbar gewesen sei. Der Aufzug sei auch nicht Gegenstand der zu bewilligenden (neuen) Betriebsanlage und für deren Betrieb nicht notwendig gewesen, sodass sich die Überprüfungspflicht der Behörde nicht auf diesen bezogen habe.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerinnen ist mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig .

[7] 1. Die behaupteten Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft, sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

2. Zur Rechtsrüge :

2.1. Zur Überprüfung der Getreidemühle :

[8] 2.1.1. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen war der Aufzugsschacht bei der gewerberechtlichen Überprüfung der (zum Unfallszeitpunkt nicht mehr bestehenden) Getreidemühle im Jahr 2007 von zumindest drei Seiten „verplankt“, wobei nicht festgestellt werden konnte, ob auch die vierte Seite verplankt war. Dass das Berufungsgericht davon ausging, dass daher nicht feststehe, ob das Bestehen eines funktionsfähigen Aufzugs (und nicht bloß eines Aufzugschachts) bei dieser Überprüfung erkennbar gewesen sei, ist jedenfalls vertretbar (RS0118891 [T10]). Davon ausgehend ist den Klägerinnen aber der ihnen obliegende (vgl RS0022469) Beweis der behaupteten Rechtsverletzung – nämlich der unterlassenen Untersagung des Betriebs eines erkennbar funktionsfähigen Aufzugs wegen Sicherheitsmängeln – nicht gelungen. Soweit sie in dritter Instanz argumentieren, dass das Bestehen des Aufzugs bei Überprüfung der (ursprünglichen) Betriebsanlage (Getreidemühle) im Jahr 2007 „offenkundig“ gewesen sei, widerspricht dies dem vom Berufungsgericht zugrundegelegten Sachverhalt, sodass die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (RS0043312 [T12, T14]).

[9] 2.1.2. Die Klägerinnen treten auch der (Hilfs-)Begründung des Berufungsgerichts, wonach die Überprüfung der ursprünglichen Betriebsanlage (Getreidemühle) keinen Schutz vor Gefahren bezwecke, die von einer anderen (später bewilligten) Betriebsanlage (Ölmühle) ausgehen, mit keinen tauglichen Argumenten entgegen. Mit ihrer Behauptung, der Unfall wäre nicht erfolgt, wenn der Betrieb des Aufzugs bei Überprüfung der ursprünglichen Betriebsanlage (Getreidemühle) untersagt worden wäre, sprechen sie nur den Kausalzusammenhang an. Auch sonst lässt die Revision keine konkrete Auseinandersetzung mit dem Argument des Berufungsgerichts zum fehlenden Rechtswidrigkeitszusammenhang erkennen (RS0043603 [T9]).

2.2. Zur Überprüfung der Ölmühle :

[10] 2.2.1. Das Erstgericht stellte fest, dass die neue Betriebsanlage (Ölmühle) nach dem im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren eingereichten Plan nur im Erdgeschoss betrieben werden sollte, der Aufzugsschacht in diesem Plan nur „wie eine Säule oder ein Einbau“ eingezeichnet war, dieser bei Überprüfung durch die Organe der Gewerbebehörde von allen Seiten „fest verplankt“ (mit verschraubten Platten verbarrikadiert) war und ein Gesellschafter der Bewilligungswerberin gegenüber diesen Organen (wahrheitswidrig) angab, dass es den Aufzug „nicht mehr gebe“.

[11] 2.2.2. Diese Feststellungen legen die Beurteilung des Berufungsgerichts nahe, dass das Bestehen eines funktionsfähigen Aufzugs für die Organe der Gewerbebehörde bei Überprüfung der neuen Betriebsanlage (Ölmühle) nicht erkennbar war. Davon ausgehend zeigen die Klägerinnen aber nicht auf, warum dennoch – und obwohl der Aufzug nicht Teil der zu bewilligenden Betriebsanlage war – eine Pflicht der Gewerbebehörde zu dessen Überprüfung bestanden haben soll. Ihre Behauptung, die vom Aufzug ausgehende Gefahr sei bei Überprüfung der (neuen) Betriebsanlage (Ölmühle) „offenkundig“ und der Aufzug deren „Bestandteil“ gewesen, widerspricht den getroffenen Feststellungen.