JudikaturOGH

5Ob32/25d – OGH Entscheidung

Entscheidung
Zivilrecht
03. Juni 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Painsi, Dr. Weixelbraun Mohr, Dr. Steger und Dr. Pfurtscheller als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch Mag. Wolfgang Steiner, Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. B* GmbH, *, und 2. H*, beide vertreten durch Oberlojer Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, wegen 51.262,38 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. November 2024, GZ 3 R 143/24g 82, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 4. Juni 2024, GZ 21 Cg 23/22a 72, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger und die Erstbeklagte sind (neben anderen Personen) Mit und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Wien.

[2] Mit dem Wohnungseigentum des Klägers sind die Nutzungsrechte an den drei der Straße zugewandten, von ihm jeweils vermieteten Geschäftslokalen im Erdgeschoß verbunden. Der Zweitbeklagte ist der alleinige Gesellschafter und Geschäftsführer der Erstbeklagten.

[3] Im Zuge einer „Entwicklung der Liegenschaft“ durch die Erstbeklagte sollte das Hofgebäude abgerissen und neu errichtet, eine Tiefgarage gebaut und in den bestehen bleibenden Gebäudeteilen die Dachböden ausgebaut werden, ein Personenlift eingebaut und Balkone/Terrassen errichtet sowie die allgemeinen Teile des Hauses saniert werden. Zur Absicherung der (Nutzungs )Rechte des Klägers und zur Abgeltung seiner Zustimmung zu diesen Umbaumaßnahmen schlossen die Parteien im August 2019 eine Vereinbarung, in der unter anderem festgehalten wurde, dass der Kläger von allen Ansprüchen seiner Mieter im Zusammenhang mit dem Bauprojekt „vollkommen schad und klaglos gehalten“ werde, und er seinerseits „jedenfalls keine unvertretbaren bzw. mutwilligen Forderungen der Mieter akzeptieren“ sollte. Für den Fall eines Verzugs mit der (binnen 24 Monaten ab Rechtskraft der Baubewilligung) geplanten Fertigstellung vereinbarten die Parteien eine (für jedes Monat der Verzögerung zu leistende) Pönale in Höhe des Brutto-Monatsmietzinses für die vom Kläger vermieteten Objekte.

[4] Die Baubewilligung war am 14. November 2019 rechtskräftig. Ab Oktober 2021 gab es keine spürbaren Beeinträchtigungen der Mieter der drei Geschäftslokale des Klägers durch die Baumaßnahmen mehr. Ab Ende Mai 2022 war die Baustelle „überwiegend fertig“. Alle drei Geschäftslokale wurden von den Mietern des Klägers auch während der Umbauarbeiten durchgehend betrieben.

[5] Der Kläger begehrte von den Beklagten für drei Monate (13. November 2021 bis 13. Februar 2022) die vertragliche Pönale (24.604,89 EUR) sowie den Ersatz der von seinen Mietern eingewendeten Mietzinsminderungen für Beeinträchtigungen in den Monaten April 2021 bis Dezember 2021 (26.657,49 EUR).

[6] Die Beklagten wendeten – soweit noch relevant – ein, sie hätten ihren in der Vereinbarung enthaltenen Verpflichtungen entsprochen. Die im Vertrag vorgesehene Konventionalstrafe sei sittenwidrig und unwirksam; jedenfalls sei sie nach § 1336 Abs 2 ABGB zu mäßigen, weil dem Kläger kein Schaden entstanden sei.

[7] Das Erstgericht stellte die Klageforderung mit 29.649,66 EUR als zu Recht bestehend und die von den Beklagten eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend fest, verpflichtete die Beklagten zur Zahlung dieses Betrags samt Zinsen und wies das Mehrbegehren ab.

[8] Die vertragliche Pönale für drei Monate (insgesamt 24.604,89 EUR) hätten die Beklagten schon deswegen zu zahlen, weil entgegen der Vereinbarung während dieser Zeit der barrierefreie Zugang von einem Geschäftslokal zu den zugehörigen WCs noch nicht hergestellt gewesen sei. Außerdem sei ein Teil der vom Kläger akzeptierten, von seinen Mietern geltend gemachten Mietzinsminderung für zwei der drei Geschäftslokale im Ausmaß von 25 % für April 2021 und von weiteren 10 % für Mai bis September 2021 (insgesamt 5.044,77 EUR) gerechtfertigt.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte die Entscheidung dahin ab, dass es die Klageforderung als mit 17.347,22 EUR zu Recht bestehend, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend feststellte, die Beklagten zur Zahlung dieses Betrags samt Zinsen verpflichtete und das (gesamte) Mehrbegehren abwies.

[10] Die von den Parteien vereinbarte Vertragsstrafe sei zu zahlen, weil der behindertengerechte Zugang vom Geschäftslokal zu den WCs noch nicht errichtet gewesen sei (es fehlte eine Anrampung der Stufe). Allerdings sei zu berücksichtigen, dass der Mieter des Geschäftslokals das Objekt durchgehend als Speiselokal betrieben und die fehlende Anrampung der zugehörigen WCs nur einen sehr geringen Teil (der vereinbarten Leistungen) umfasst habe. Bei einer Gesamtbetrachtung sei daher eine Mäßigung der Pönale auf 50 % gerechtfertigt. Die von den Beklagten bekämpfte, vom Erstgericht für die Beeinträchtigungen der Mieter der Geschäftslokale durch die Bauarbeiten insgesamt als angemessen erachtete Mietzinsminderung sei hingegen nicht zu beanstanden.

[11] Die Revision ließ das Berufungsgericht zur Klarstellung zu, inwieweit eine Vertragsstrafe zu mäßigen sei, wenn nur ein geringer Schaden entstanden sei und die Pönale vor allem die rechtzeitige Erfüllung sichern sollte.

[12] Gegen die Entscheidung wendet sich die Revision des Klägers wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen, hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

[13] Die Beklagten erstatteten keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

[15] 1.1 Eine Vertragsstrafe ist ein für einen definierten Anlassfall vereinbarter pauschalierter Schadenersatz. Sie soll einerseits den Schuldner zur korrekten Erfüllung seiner Vertragspflichten veranlassen und andererseits dem vereinfachten Ausgleich der dem Gläubiger aus einer trotzdem erfolgten Vertragsverletzung erwachsenden Nachteile durch Pauschalierung seines Schadenersatzanspruchs dienen (RS0032072 [T7]; RS0032013 [T7]).

[16] 1.2 Eine Konventionalstrafe ist bei Übermäßigkeit nach dem Grundsatz der Billigkeit zu reduzieren. Übermäßigkeit im Sinn des § 1336 Abs 2 ABGB liegt insbesondere dann vor, wenn der erlittene Schaden unverhältnismäßig kleiner ist als der bedungene Vergütungsbetrag (RS0032138; vgl auch RS0032156 [T2]).

[17] 1.3 Die Ausübung des richterlichen Mäßigungsrechts für eine begehrte Konventionalstrafe nach § 1336 Abs 2 ABGB kann immer nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls beantwortet werden und wirft damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage auf (vgl RS0119673).

[18] 2.1 Der Kläger meint, das Berufungsgericht habe in seiner Entscheidung nicht beachtet, dass dem Beklagten in einem Verfahren über eine Vertragsstrafe die Behauptungs und Beweislast für einen tatsächlich eingetretenen niedrigeren Schaden zukomme. Dabei übersieht er, dass sich Fragen der Behauptungs und Beweislast hier nicht stellen: Die Beklagten haben stets eingewendet, die Vertragsstrafe sei zu mäßigen; es steht auch fest, dass die Geschäftslokale des Klägers auch während der Baumaßnahmen durchgehend (wenngleich zeitweise mit näher festgestellten Beeinträchtigungen, für die auch eine entsprechende Mietzinsminderung als gerechtfertigt erkannt wurde) genutzt wurden.

[19] 2.2 Die Parteien haben für die Bemessung der Vertragsstrafe den Brutto Monatsmietzins herangezogen, den der Kläger beim Vertragsabschluss aus seinen drei Geschäftslokalen erzielte. Das Berufungsgericht halbierte die vereinbarte Pönale und berücksichtigte insbesondere die von der Erstbeklagten übernommenen (sehr umfangreichen) Leistungspflichten und den Umstand, dass die Mieter des Klägers sämtliche seiner Geschäftslokale durchgehend nutzen konnten. Eine Überschreitung des dem Berufungsgericht zukommenden Ermessensspielraums vermag die Revision nicht aufzuzeigen; eine solche ist auch nicht zu erkennen.

[20] 3. Der Kläger beanstandet außerdem, dass im dreigliedrigen Spruch der Berufungsentscheidung nach Ausspruch über das Zurechtbestehen von Klage- und Gegenforderung das gesamte Mehrbegehren (und nicht nur der nach unbekämpft in Rechtskraft erwachsener Abweisung eines Teils davon verbliebene Rest) abgewiesen wurde. Er macht dies als Nichtigkeitsgrund sowie als Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend. Auch damit zeigt er keine erhebliche Rechtsfrage auf:

[21] Das – nur von den Beklagten angerufene – Berufsgericht befasste sich (wie dies auch der Kläger nicht anzweifelt) ausschließlich mit dem im Berufungsverfahren gegenständlichen Teil des Klagebegehrens. Ein Verstoß gegen die Rechtskraft liegt daher nicht vor. Dass es den „unbekämpft rechtskräftigen abweisenden Teil“ des Ersturteils miteinbezog, begründet weder eine „Nichtigkeit“ noch ein Verfahrensmangel.

[22] 4. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen, weil die Beklagten keine Revisionsbeantwortung erstattet haben.