JudikaturOGH

2Ob8/25b – OGH Entscheidung

Entscheidung
Erbrecht
29. April 2025

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richterin und weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*, vertreten durch Dr. Bernhard Eigner, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Reif und Partner Rechtsanwälte OG in Feldbach, wegen zuletzt 21.171,09 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. November 2024, GZ 2 R 152/24a 18, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 19. Juli 2024, GZ 14 Cg 79/23t 13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

D er Revision wird nicht Folge gegeben .

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.599,90 EUR (darin enthalten 266,65 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Streitteile sind zwei von vier Kindern des 2020 verstorbenen Erblassers, dessen überschuldeter Nachlass dem Beklagten an Zahlungs statt überlassen wurde.

[2] Der Erblasser und seine 2023 ebenfalls verstorbene Ehefrau schenkten dem Beklagten mit Übergabsvertrag vom 22. 12. 2015 eine ihnen jeweils zur Hälfte gehörende Liegenschaft samt landwirtschaftlichem Betrieb.

[3] Zum Überga b szeitpunkt ließ sich ein (fiktives) landwirtschaftliches Nettoeinkommen von 13.991,21 EUR erwirtschaften. Zum Todeszeitpunkt des Erblassers betrug das (tatsächlich erzielte) landwirtschaftliche Nettoeinkommen aus dem Betrieb 51.300 EUR.

[4] Der Verkehrswert der Gesamtliegenschaft betrug zum Übergabszeitpunkt 503.000 EUR und angepasst nach dem VPI zum Todeszeitpunkt 536.701 EUR.

[5] Der Übernahmswert zum Übergabszeitpunkt betrug 56.000 EUR und angepasst nach dem VPI zum Todeszeitpunkt 59.752 EUR.

[6] Die Klägerinbegehrt gestützt auf § 789 ABGB vom Beklagten die Zahlung ihres Pflichtteils nach ihrem Vater. Die Bewertung des geschenkten Hälfteanteils habe mit dem Verkehrswert zu erfolgen. Das AnerbenG komme nicht zur Anwendung, weil die geschenkte Liegenschaft nicht (mehr) Gegenstand des Nachlasses gewesen und keine gesetzliche oder testamentarische Erbfolge eingetreten sei. Sowohl nach dem im Übergabszeitpunkt als auch im Todeszeitpunkt geltenden § 1 Abs 1 AnerbenG habe überdies im für die Bewertung gemäß § 788 ABGB maßgeblichen Übergabszeitpunkt mangels ausreichend erzielbaren Nettoeinkommens kein Erbhof bestanden.

[7] Der Beklagte wendet – soweit Gegenstand des Revisionsverfahrens – ein, die übergebene Liegenschaft( shälfte) sei aufgrund analoger Anwendung des anerbenrechtlichen Wohlbestehensgrundsatzes mit dem Übernahmspreis zu bewerten. Die Erbhofeigenschaft sei zum Übergabszeitpunkt zu beurteilen. Gemäß § 1 Abs 1 AnerbenG idF des – aufgrund des Ablebens des Erblassers nach dem 31. 5. 2019 maßgeblichen (§ 22 Abs 5 AnerbenG) – ZZRÄG 2019, BGBl I 38/2019, reiche ein zur angemessenen Erhaltung einer erwachsenen Person erzielbarer Durchschnittsertrag aus.

[8] Das Erstgericht bejahte die analoge Anwendbarkeit des anerbenrechtlichen Wohlbestehensgrundsatzes und wies die Pflichtteilsklage unter Zugrundelegung des (halben) Übernahmspreises im überwiegenden Umfang ab.

[9] Das nur von der Klägerin angerufene Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung und ließ die Revision zu. Der anerbenrechtliche Wohlbestehensgrundsatz sei auch dann anzuwenden, wenn Erbhöfe zu Lebzeiten des Erblassers übergeben würden und darin zumindest eine gemischte Schenkung liege. Der Gesetzgeber des ZZRÄG 2019 habe durch die Herabsetzung des erforderlichen Durchschnittsertrags auf das für die Erhaltung nur mehr einer erwachsenen Person Erforderliche sein Interesse am Fortbestand auch landwirtschaftlicher Kleinstbetriebe zum Ausdruck gebracht. Dieser aktuellen Wertung des Gesetzgebers sei dadurch Rechnung zu tragen, dass die hypothetische Erbhofeigenschaft entgegen der Annahme des Erstgerichts nicht zum Übergabszeitpunkt, sondern zum Zeitpunkt des Erbanfalls, aber unter Zugrundelegung der betrieblichen Verhältnisse zum Übertragungszeitpunkt zu beurteilen und dabei die zum Todeszeitpunkt maßgebliche Rechtslage (§ 1 Abs 1 AnerbenG idFd ZZRÄG 2019) anzuwenden sei. Das zum Todeszeitpunkt - basierend auf den unstrittig unverändert gebliebenen Verhältnissen zum Übergabszeitpunkt – erzielte landwirtschaftliche Nettoeinkommen von 51.300 EUR reiche jedenfalls zur Erhaltung einer erwachsenen Person aus. Die Revision ließ das Berufungsgericht zur Frage zu, für welchen Zeitpunkt bei Betriebsübergaben zu Lebzeiten des Erblassers die hypothetische Erbhofeigenschaft zu prüfen sei.

[10] Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Abänderungsantrag, ihrer Klage vollinhaltlich stattzugeben.

[11] Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision der Klägerin ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig , aber nicht berechtigt .

[13] Die Revision argumentiert zusammengefasst , seit dem ErbRÄG 2015 habedie Bewertung der geschenkten Sache gemäß § 788 ABGB zum Zeitpunkt der Übergabe zu erfolgen. Maßgeblich sei daher der faktische und rechtliche Zustand der zu bewertenden Sache im Zeitpunkt des Vermögensopfers. Nach de r zum Überga b szeitpunkt geltenden Fassung des § 1 Abs 1 AnerbenGsei ein landwirtschaftlicher Betrieb aber nur dann ein Erbhof gewesen, wenn der erzielbare Durchschnittsertrag zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen gereicht habe. Die anerbenrechtlichen Vorschriften könnten § 788 ABGB nicht verdrängen. Eine Rückwirkung des § 1 Abs 1 AnerbenG idFd ZZRÄG 2019 im Rahmen der analogen Anwendung des Wohlbestehensgrundsatzes komme nicht in Betracht. Der Beklagte habe sich auch nicht darauf berufen, bei einer Pflichtteilsbemessung auf Basis des Verkehrswerts nicht wohl bestehen zu können.

[14]1. Wird ein Erbhof schon zu Lebzeiten des Erblassers übergeben und liegt darin zumindest eine gemischte Schenkung, sind nach nunmehr ständiger Rechtsprechung bei Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs die höferechtlichen Bestimmungen über den Übernahmspreis (Übernahmswert) analog anzuwenden (zuletzt 2 Ob 9/24y Rz 13 mwN). Analogievoraussetzung ist die (hypothetische) Erbhofeigenschaft des übergebenen bäuerlichen Betriebs ( 2 Ob 83/21aRz 40; 2 Ob 9/24y Rz 14).

[15] Wie schon das Berufungsgericht betont hat, sind dabei – im hier gegebenen Zusammenhang – zwei Fragen zu unterscheiden. Einerseits ist zu klären, ob die (hypothetische) Erbhofeigenschaft zum Zeitpunkt des Vermögensopfers (hier also zum Übergabezeitpunkt), zum Zeitpunkt des Erbanfalls oder zu beiden Zeitpunkten vorliegen muss. Andererseits stellt sich die Frage nach der auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt (analog) anwendbaren Fassung des § 1 Abs 1 AnerbenG. Nach dem zum Übergabszeitpunkt geltenden § 1 Abs 1 AnerbenG idF BGBl I 659/1989 musste der Betrieb zur Erhaltung von zwei Erwachsenen geeignet sein. Hingegen reicht nach der durch das ZZRÄG 2019, BGBl I 38/2019, geänderten, am 1. 6. 2019 in Kraft getretenen (§ 22 Abs 5 AnerbenG) Fassung die Eignung des Betriebs zur Erhaltung von einem Erwachsenen aus, um die Erbhofeigenschaft zu begründen.

2. Zum Beurteilungszeitpunkt für die (hypothetische) Erbhofeigenschaft

[16] 2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Leistungsfähigkeit des zu beurteilenden Hofs im unmittelbaren Anwendungsbereich des AnerbenG grundsätzlich für den Zeitpunkt des Todesdes Erblassers zu beurteilen (RS0113948; RS0050224 [T2]).

[17] 2.2. Hier ist demgegenüber zu beurteilen, für welchen Zeitpunkt die Erbhofeigenschaft bei Betriebsübergaben unter Lebenden zu beurteilen ist.

[18] 2.2.1. Die Rechtsprechung gibt dazu kein einheitliches Bild: In den Entscheidungen 6 Ob 37/02p und 4 Ob 46/05awurde die hypothetische Erbhofeigenschaft als Analogievoraussetzung betont und die Erbhofqualität des übergebenen Guts ohne weitere Eörterung nach dem Übergabszeitpunkt beurteilt. Hingegen hat der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 154/06z – ebenfalls ohne nähere Begründung – explizit ausgeführt, dass auch bei Übergaben unter Lebenden die (hypothetische) Erbhofeigenschaft bezogen auf den Zeitpunkt des Erbanfalls zu prüfen sei.

[19] 2.2.2. Die Lehre setzt sich – soweit überblickbar – mit dieser Frage nicht ausdrücklich auseinander. Einzelne Literaturstimmen lassen sich aber als Präferenz für den Zeitpunk des Erbanfalls deuten.

[20] So führen Walch und Umlauft aus, dass der Wohlbestehensgrundsatz bei der Pflichtteilsbemessung dann zu berücksichtigen sei, wenn der Hof im Erbfall (hypothetisch) unter die anerbenrechtlichen Bestimmungen fiele ( Walch , Der Grundsatz des Wohlbestehenkönnens im bäuerlichen Erbrecht, NZ 2021/20; Umlauft , Hinzu- und Anrechnung² 305). Diese Autoren scheinen daher den Zeitpunkt des Erbanfalls für maßgeblich zu halten.

[21] Zemen (Zum Übernahmswert bei der bäuerlichen Hofübergabe unter Lebenden, JBl 2009, 560 [569]) führt zur alten (erbrechtlichen) Rechtslage aus, dass für die Bemessung des Übernahmswerts an sich der Erbfall der maßgebliche Zeitpunkt sei, bei gravierenden Änderungen der Hofverhältnisse aber – unter dem Gesichtspunkt des Wohlbestehenkönnens – die Entwicklung bis zur gerichtlichen Feststellung der Pflichtteile mitzuberücksichtigen wäre. Auf Grundlage dieser Auffassung wäre es wohl folgerichtig, auch die Frage, ob das Anerbenrecht überhaupt analog anzuwenden ist, nach dem Zeitpunkt des Erbanfalls (oder allenfalls auch einem späteren Zeitpunkt), nicht aber nach dem Übergabezeitpunkt zu beurteilen.

[22] 2.3. Auch nach Ansicht des Senats sprechen die besseren Gründe für die (grundsätzliche) Maßgeblichkeit des Todeszeitpunkts:

[23]2.3.1. Ziel des Höferechts ist die Erhaltung einer krisenfesten landwirtschaftlichen Struktur. Die Zersplitterung bäuerlicher Betriebe soll möglichst vermieden werden, um die für eine rationale Bewirtschaftung erforderlichen Betriebsgrößen zu erhalten. Dieses Ziel wird – neben der Zuweisung an den Anerben im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens – insbesondere durch die Bemessung des Übernahmspreises nach dem Grundsatz des Wohlbestehens erreicht, weil der Übernehmer sonst in vielen Fällen gezwungen wäre, zur Entrichtung des Übernahmspreises Betriebsteile zu verkaufen (2 Ob 9/24y Rz 32 mwN). Auch die (analoge) Anwendung des Grundsatzes des Wohlbestehenkönnens bei Übergaben unter Lebenden soll den Übernehmer des landwirtschaftlichen Betriebs in die Lage versetzen, diesen trotz allenfalls zu übernehmender Lasten und allfälliger Pflichtteilsansprüche weiterhin gut zu erhalten ( Umlauftin Klang³ § 788 ABGB Rz 10; ders , Hinzu- und Anrechnung² 307).

[24]Der Pflichtteilsberechtigte erwirbt aber erst mit dem Tod des Erblassers den (mangels Nachlassdeckung) vom beschenkten Übernehmer gemäß § 789 ABGB zu erfüllenden Pflichtteilsanspruch (§ 765 Abs 1 ABGB). Erst zu diesem Zeitpunkt kann es zur Hinzurechnung einer der Zuwendung nach §§ 781 ff ABGB kommen und daher beurteilt werden, ob es zur Verwirklichung der Zielsetzungen des Anerbenrechts einer Pflichtteilsberechnung auf Basis (nur) des Übernahmswerts bedarf. Liegt im Erbanfallszeitpunkt kein Erbhof (mehr) vor, bedarf es des Wohlbestehensgrundsatzes nicht.

[25]Jedenfalls zum Zeitpunkt des Erbanfalls muss daher die (hypothetische) Erbhofeigenschaft des übergebenen bäuerlichen Betriebs vorliegen. Ob es einer analogen Anwendung des Wohlbestehensgrundsatzes auch dann bedürfte, wenn nicht – wie hier – subsidiär der Hofübernehmer nach § 789 ABGB, sondern der ausreichende Nachlass oder nach Einantwortung andere Erben herangezogen werden, bedarf im konkreten Fall keiner Klärung.

[26]2.3.2. Nicht erforderlich ist demgegenüber, dass der übergebene Betrieb auch zum Übergabszeitpunkt als Erbhof zu qualifizieren gewesen wäre. Die Revision stützt sich für diesen Standpunkt auf § 788 ABGB. Diese Bestimmung soll allerdings nur das Problem von Wertveränderungen der Sache zwischen der Schenkung und dem Tod des Erblassers lösen (2 Ob 124/20d Rz 28 ff; zuletzt 2 Ob 43/24y Rz 11). Aus ihr ist daher nichts für die Frage zu gewinnen, zu welchem Zeitpunkt die (hypothetische) Erbhofeigenschaft, die eine Bewertung mit dem Übernahmspreis zum Vermögensopferzeitpunkt eröffnet, vorliegen muss.

[27] Entscheidend ist hier wieder der Zweck des Anerbenrechts: Es ist nicht erkennbar, weshalb der damit angestrebte Schutz (auch) kleiner landwirtschaftlicher Betriebe davon abhängig sein soll, dass die erforderliche Ertragskraft (oder auch die für die Anwendung erforderliche Hofstelle) schon im Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. Dies würde einen Übernehmer belasten, der durch eigene Leistung – etwa durch Umstellung von Forst- auf Landwirtschaft oder durch Errichten einer Hofstelle – einen schützenswerten Betrieb schuf. Sein Interesse wiegt – ausgehend von den Wertungen des Anerbenrechts – aber höher als jenes weichender Pflichtteilsberechtigter, die im Zeitpunkt der Übergabe noch über keine rechtlich geschützte Position verfügten. Bei Unterbleiben der Übergabe wäre schlechtes Wirtschaften durch den Erblasser, das unter Umständen zum vollständigen Verlust des Erbes führen könnte, ebenso ihr Risiko wie eine durch Leistung des Erblassers bewirkte Verbesserung der (objektiven) Ertragskraft, die zur Anwendbarkeit des Anerbenrechts führte. Es ist nicht erkennbar, weshalb eine Übergabe an dieser Risikoverteilung etwas ändern sollte.

[28]Diese Erwägungen entsprechen dem allgemeinen Grundsatz, dass die Hinzurechnung von Schenkungen – wie auch nach alter Rechtslage – ganz generell (immerhin, aber doch nur) dazu führen soll, dass Pflichtteilsberechtigte so stehen, wie sie stünden, wenn die Schenkung – also die nach der Wertung des Gesetzes „pflichtteilswidrige“ Verfügung – unterblieben und die Sache daher (im Todeszeitpunkt) noch im Nachlass wäre. Die Hinzurechnung (also das Wegdenken der pflichtteilswidrigen Verfügung) soll verhindern, dass ein Pflichtteilsberechtigter durch eine Zuwendung zu Lebzeiten schlechter steht, als wenn der Erblasser über die betroffene Sache erst von Todes wegen verfügt hätte (2 Ob 124/20d Rz 26). Wäre der Betrieb im Nachlass verblieben, wäre die Erbhofqualität ebenfalls zum Erbanfallszeitpunkt zu beurteilen und – Erbhofqualität vorausgesetzt – ein allfälliger Pflichtteilsanspruch ausgehend vom Übernahmswert zu berechnen. Die gleiche Lage soll grundsätzlich durch die Hinzu- und Anrechnung geschaffen werden. Sie soll dem Pflichteilsberechtigten gegenüber einem Unterbleiben der Verfügung auch keinen Vorteil verschaffen, was unter Umständen der Fall wäre, wenn man für eine Anwendung des Wohlbestehensgrundsatzes das Vorliegen der Erbhofeigenschaft auch zum Übergabszeitpunkt forderte.

Zusammengefasst ist daher festzuhalten:

[29]Die (hypothetische) Erbhofeigenschaft als Voraussetzung für die Bewertung eines zu Lebzeiten des Erblassers übergebenen bäuerlichen Betriebs mit dem Übernahmswert bei einer (subsidiären) Haftung des Beschenkten nach § 789 ABGB ist nach objektiven Kriterien zum Zeitpunkt des Erbanfalls zu prüfen. Auf die Erbhofqualität zum Übergabszeitpunkt (Zeitpunkt des Vermögensopfers) kommt es nicht an.

[30] 3. Aufgrund der Maßgeblichkeit des Todeszeitpunkts für die Ermittlung der (hypothetischen) Erbhofeigenschaft hat auch die zu diesem Zeitpunkt geltende Rechtslage Anwendung zu finden.

[31] Ziel der Neuregelung des Höferechts mit dem ZZRÄG 2019, BGBl I 38/2019, war es, auch Kleinstbetriebe in ihrem Bestand zu schützen, wobei die Gesetzesmaterialien auf geänderte tatsächliche Verhältnisse und das fortbestehende Interesse an der Erhaltung und Förderung land- und forstwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetriebe hinweisen (ErläutRV 560 BlgNR 26. GP 1). Dieser Gesetzeszweck erfordert die Anwendung der geänderten Ertragsgrenzen nicht nur bei einer Erbhofprüfung im Verlassenschaftsverfahren, sondern auch dann, wenn Betriebe schon früher übergeben wurden, aber sich die Frage der Pflichtteilsberechnung erst aufgrund des im zeitlichen Anwendungsbereich der Neuregelung eingetretenen Todes des Übergebers stellt.

[32]Wäre die Übergabe unterblieben und unterläge der Betrieb der Rechtsnachfolge von Todes wegen, käme aufgrund des Ablebens des Erblassers nach dem 31. 5. 2019 § 1 AnerbenG idFd ZZRÄG 2019, BGBl I 38/2019, zur Anwendung, wonach Erbhöfe mit einer Hofstelle versehene land- und forstwirtschaftliche Betriebe sind, die im Eigentum einer natürlichen Person, von Ehegatten oder eines Elternteils und eines Kindes (§ 42 ABGB) stehen und mindestens einen zur angemessenen Erhaltung einer erwachsenen Person ausreichenden, jedoch das Vierzigfache dieses Ausmaßes nicht übersteigenden Durchschnittsertrag haben. Diese Voraussetzung liegt hier unstrittig vor.

[33] 4. Zwar können bei der Ermittlung der Höhe des Übernahmswerts auch die persönlichen Verhältnisse des Übernehmers zu berücksichtigen sein ( 1 Ob 184/72 ). Dies bedeutet aber nicht, dass der (konkrete) Hofübernehmer – wie die Revision meint – für die (analoge) Anwendbarkeit des AnerbenG zu behaupten und zu beweisen hätte, dass er ohne Pflichtteilsbemessung auf Grundlage des Übernahmswerts nicht wohl bestehen könnte. Eine derartige (sachliche) Anwendungsvoraussetzung normiert das AnerbenG nicht.

[34] 5. Die Vorinstanzen sind daher im Ergebnis zutreffend von der Maßgeblichkeit des Übernahmswerts bei der Pflichtteilsermittlung ausgegangen. Die Höhe des Übernahmswerts hat die Klägerin ausdrücklich außer Streit gestellt.

[35] Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

[36]6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.