JudikaturOGH

2Ob43/24y – OGH Entscheidung

Entscheidung
Erbrecht
25. Juli 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Sloboda, Dr. Thunhart und Dr. Kikinger und die Hofrätin Mag. Fitz in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. V*, und 2. K*, beide vertreten durch Dr. Hans Moritz Pott, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die beklagte Partei M*, vertreten durch Dr. Elmar Ther, Rechtsanwalt in Villach, wegen Rechnungslegung, Auskunft und Zahlung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. Februar 2024, GZ 4 R 225/23z 50, mit welchem das Teilurteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 4. Oktober 2023, GZ 50 Cg 12/22w 39, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 1.655,63 EUR (darin 275,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1] Die Kläger sind die Enkelkinder des 2020 verstorbenen Erblassers. Die Beklagte ist aufgrund des Testaments vom 4. 2. 2020 die Alleinerbin. Bereits mit Übergabsvertrag vom 13. 10. 2015 haben der Erblasser und seine Ehefrau ihre Hälfteanteile an einer Liegenschaft ihrem Sohn übertragen. Nach dessen Tod haben die Kläger als seine Erben die Liegenschaft erhalten. Die Liegenschaft hatte im Zeitpunkt des Übergabsvertrags einen Wert von 746.000 EUR, valorisiert zum Todestag des nunmehrigen Erblassers 800.000 EUR. Der Wert des Hälfteanteils betrug im Zeitpunkt des Übergabsvertrags 336.000 EUR, valorisiert zum Todestag des Erblassers 360.000 EUR.

[2] Die Kläger begehren unter Berufung auf ihr Pflichtteilsrecht von jeweils einem Viertel Rechnungslegung und Auskunft sowie Zahlung des sich daraus jeweils ergebenden Pflichtteils, jedenfalls aber 25.000 EUR.

[3] Die Beklagte wendet ein, dass der Pflichtteilsanspruch der Kläger bereits durch den Erhalt der Liegenschaft gedeckt sei.

[4] Das Erstgericht gab mit dem angefochtenen Teilurteil dem Rechnungslegungs und Auskunftsbegehren teilweise statt und sprach den Klägern jeweils 22.000 EUR zu. Das Mehrbegehren wurde abgewiesen. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, dass sich die Kläger die Schenkung des Hälfteanteils der Liegenschaft mit 360.000 EUR anrechnen lassen müssten.

[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung, mit welcher die Beklagte den Zuspruch von jeweils 22.000 EUR bekämpfte, nicht Folge. Auch wenn der Vater der Kläger letztlich die gesamte Liegenschaft erhalten habe, sei bei der Bewertung des geschenkten Hälfteanteils ein Abschlag wegen Miteigentums vorzunehmen. Es sei das Geschenk des Erblassers zu bewerten und nicht, wie sich dieses Geschenk im Vermögen des Beschenkten auswirkt. Der Pflichtteilsberechtigte sei nämlich so zu stellen, als ob sich die Sache noch im Nachlass befinden würde.

[6] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision nachträglich zur Frage zu, ob bei der Schenkung des Hälfteanteils einer Liegenschaft auch dann ein Abschlag wegen des Miteigentums vorzunehmen sei, wenn der Geschenknehmer den zweiten Hälfteanteil von einem Dritten erhält.

[7] Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, mit welcher sie eine Abänderung der Entscheidung dahin anstrebt, dass den Klägern lediglich jeweils 12.610,43 EUR zugesprochen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[8] Die Kläger beantragen die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

[10] 1. Auf Verlangen des Erben sind Schenkungen an pflichtteilsberechtigte Personen nach § 783 ABGB der Verlassenschaft hinzuzurechnen und auf den Pflichtteil der beschenkten oder der an ihre Stelle tretenden Person anzurechnen. Die Schenkung ist der Verlassenschaft nach § 787 rechnerisch hinzuzuschlagen, sodass die Pflichtteile von der dadurch vergrößerten Verlassenschaft unter Abzug der jeweils erhaltenen Schenkung zu ermitteln sind. Das Rechtsmittelverfahren beschränkt sich auf die Frage, ob der Liegenschaftsanteil, der dem Rechtsvorgänger der Kläger übergeben wurde, unter Berücksichtigung eines Abschlags für das Miteigentum zu bewerten ist. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass kein Abschlag wegen des Miteigentums vorzunehmen sei, weil der Rechtsvorgänger der Kläger mit dem Übergabevertrag die gesamte Liegenschaft erhalten hat.

[11] 2. Nach § 788 ABGB ist die geschenkte Sache nach dem Zeitpunkt zu bewerten, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde, und dieser Wert sodann auf den Todeszeitpunkt nach einem von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex anzupassen. Durch das Abstellen auf den Zeitpunkt der Schenkung sollen wertverändernde Umstände, die zwischen der Schenkung und dem Todeszeitpunkt eingetreten sind, außer Betracht bleiben ( ErläutR V 688 BlgNR 25. GP 35 f). Allerdings ist ein vom Erblasser vorbehaltenes Wohnungsgebrauchs oder Fruchtgenussrechtsrecht, auch wenn es den Wert der Liegenschaft im Zeitpunkt der Übergabe erheblich mindert, bei der Schenkungsanrechnung nach ständiger Rechtsprechung außer Ansatz zu lassen, weil bereits im Übergabszeitpunkt mit völliger Sicherheit feststeht, dass diese Belastung im Zeitpunkt des Erbanfalls weggefallen sein wird (RS0012946 ; RS0133183) . Auch Nutzungsrechte Dritter sind nur insoweit zu berücksichtigen, als sie beim Tod des Erblassers noch bestehen ( RS0133516) .

[12] 3. Die Beklagte will daraus ableiten, dass die Vorinstanzen keinen Abschlag für das Hälfteeigentum vornehmen hätten dürfen, weil der Rechtsvorgänger der Kläger mit dem Übergabevertrag die gesamte Liegenschaft erhalten hat. Dem ist aber entgegenzuhalten, dass der Rechtsvorgänger der Kläger den zweiten Hälfteanteil nicht vom Erblasser, sondern von dessen Ehefrau erhalten hat, sodass der Verweis auf die Rechtsprechung zum Wegfall von Personaldienstbarkeiten, die sich der Erblasser vorbehalten hat, von vornherein ins Leere geht. Es wäre auch nicht einzusehen, wenn die Zuwendung eines Dritten an den Geschenknehmer zu einer höheren Bewertung der Zuwendung des Erblassers führte.

[13] 4. Die Anrechnung von Schenkungen soll sicherstellen, dass die Pflichtteilsberechtigten so gestellt werden, wie sie stünden, wenn die Schenkung unterblieben wäre ( RS0012936; RS0133183 [T1] ). Entscheidend ist deshalb, welchen Wert die Verlassenschaft hätte, wenn die pflichtteilswidrige Schenkung nicht stattgefunden hätte ( RS0012973) . Belastungen, die durch die Zuwendung weggefallen sind, aber im Vermögen des Erblassers fortbestanden hätten, müssen daher bei der Schenkungsanrechnung wertmindernd berücksichtigt werden (zur Schenkung einer mit einem Bestandrecht belasteten Liegenschaft an den Bestandnehmer 1 Ob 136/11y). Dementsprechend hat der Oberste Gerichtshof zu 2 Ob 108/16w ausgesprochen, dass im Rahmen der Schenkungsanrechnung ein „Miteigentumsabschlag“ vorzunehmen ist, wenn der Erblasser seinen Liegenschaftsanteil dem anderen Hälfteigentümer übertragen hat.

[14] 5. Diese Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall: Wenn die Liegenschaft nicht mit Übergabsvertrag vom 13. 10. 2015 an den Vater der Kläger übertragen worden wäre, würde sich im Nachlass nur der Hälfteanteil des Erblassers finden, sodass – wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben – auch im Rahmen der Schenkungsanrechnung ein Miteigentumsabschlag vorzunehmen war.

[15] 6. Der Revision der Beklagten war daher keine Folge zu geben.

[16] 7. Die Kostenentscheidung im Revisionsverfahren beruht auf §§ 50, 41 Abs 1 ZPO.

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