9Ob23/25k – OGH Entscheidung
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner Friedl in der Rechtssache der klagenden Partei DI S*, vertreten durch Mag. Andrea Zapotoczky, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch MMag. Dr. Desiree Prantl, Rechtsanwältin in Wien, diese vertreten durch Mag. Marcus Blumencron, Rechtsanwalt in Wien, wegen 117.000 EUR sA und Feststellung (Streitwert 6.000 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. November 2024, GZ 14 R 126/24p 198, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
[1] Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Berufungsgericht die Berufungen des Klägers und der Beklagten sowie die jeweiligen Berufungsbeantwortungen zum Rechtsmittel des Gegners zurück. Über den (vormaligen) Klagevertreter sei mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17. 6. 2022 die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in der Dauer von sechs Monaten verhängt worden. Die Berufung des Klägers sei am 20. 6. 2024 von seinem früheren Vertreter, die der Beklagten am 19. 6. 2024 erhoben worden. Die Berufungsbeantwortung der Beklagten sei am 10. 7. 2024 erstattet worden. Am 26. 8. 2024 sei die Berufungsbeantwortung des Klägers, durch die nunmehrige Klagevertreterin eingebracht worden.
[2]Da dem früheren Klagevertreter aufgrund einer Disziplinarmaßnahme die Vertretung untersagt worden sei, sei gemäß § 160 ZPO die Unterbrechung des Verfahrens eingetreten, die für beide Parteien wirke. Die Unterbrechung dauere solange an, bis die Partei einen anderen Rechtsanwalt bestellt und von diesem die Bestellung unter gleichzeitiger Aufnahme des Verfahrens dem Gegner angezeigt werde. Die bloße Einbringung einer Rechtsmittelbeantwortung oder einer damit verbundenen Vertretungsanzeige stelle keinen tauglichen Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens dar.
[3] Das Berufungsgericht sprach aus, dass „der Wert des Entscheidungsgegenstandes 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei“.
[4] Gegen diesen Beschluss wendet sich der Rekurs des Klägers mit dem Antrag, den Beschluss ersatzlos zu beheben.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Beklagte beteiligte sich nicht am Rekursverfahren.
[6]1. Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem es die Berufung ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen zurückgewiesen hat, ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO mit (Voll)Rekurs anfechtbar (RS0043893; RS0098745). Demgemäß bedurfte es auch keines Ausspruchs des Berufungsgerichts über die Zulässigkeit eines Rekurses. Der dennoch erfolgte Ausspruch ist als nicht beigesetzt anzusehen (vgl 3 Ob 555/90; 3 Ob 13/89).
[7] Der Rekurs des Klägers ist aber nicht berechtigt.
[8]2. Nach § 34 Abs 2 RAO ruht die Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft entweder aufgrund eines Beschlusses des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer (Z 1) oder eines im Disziplinarverfahren ergehenden Beschlusses auf Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft (Z 2).
[9]Das Ruhen tritt nur im erstgenannten Fall, aus den Gründen des § 34 Abs 2 Z 1 RAO, aufgrund der Entscheidung des Ausschusses ein. Wird hingegen in einem Disziplinarverfahren die Ausübung der Rechtsanwaltschaft untersagt, folgt das Ruhen der Berufsberechtigung ex lege als automatische Konsequenz dieser Entscheidung im Disziplinarverfahren (8 Ob 13/23d; vgl Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO 11 § 34 Rz 13).
[10]3. Über den (vormaligen) Klagevertreter wurde mit Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 17. 6. 2022 die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft im Sinn des § 34 Abs 2 RAO verhängt. Die Rechtsanwaltskammer Wien hat mit ihrem Beschluss gemäß § 70 Abs 1 DSt diese Entscheidung lediglich kundgemacht, nämlich dass „die Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft im Ausmaß von 6 Monaten, sohin von 17. 6. 2024 bis 16. 12. 2024, verhängt worden ist“. Das Ruhen der Berechtigung zur Berufsausübung des früheren Klagevertreters ist daher mit 17. 6. 2024 eingetreten.
[11]4. Nach § 160 ZPO tritt mit dem Erlöschen der Befugnis eines Rechtsanwalts ex lege die Unterbrechung des Verfahrens ein und ist von Amts wegen zu berücksichtigen (RS0036533 [T3]). Das gilt allerdings nur in jenen Fällen, in denen – wie im vorliegenden – die gesetzliche Pflicht zur Vertretung durch einen Rechtsanwalt oder Notar besteht. Eines Unterbrechungsbeschlusses bedarf es nicht (vgl RS0036903 [T1]).
[12]Da die Berechtigung des Klagevertreters zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft – wie ausgeführt – ab 17. 6. 2024 ruhte, war das Verfahren seit diesem Zeitpunkt gemäß § 160 Abs 1 ZPO unterbrochen.
[13]5. Die Unterbrechung dauert solange, bis der Kläger einen anderen Rechtsanwalt bestellt und dies dem Prozessgegner unter gleichzeitiger Aufnahme des Verfahrens mitgeteilt wird (§ 160 Abs 1 ZPO) oder das Verfahren nach § 160 Abs 2 ZPO als aufgenommen anzusehen ist.
[14] Demgemäß endet die Unterbrechung, wenn der neu bestellte Rechtsanwalt seine Bestellung „anzeigt“ und gleichzeitig einen Aufnahmeantrag stellt ( Fink in Fasching/Konecny 3II/3 § 160 ZPO Rz 19). In der Bekanntgabe der Vollmacht kann noch kein den Erfordernissen des § 160 Abs 1 ZPO entsprechender Antrag auf Aufnahme des unterbrochenen Verfahrens (§ 164 ZPO) erblickt werden (vgl RS0037177). Aus der Vollmachtsbekanntgabe allein ist der auf die Fortsetzung des unterbrochenen Verfahrens zielende Antragswille nicht deutlich erkennbar (1 Ob 30/18w). Die nach § 160 ZPO geforderte Anzeige der Bestellung eines anderen Rechtsanwalts muss im Text des Schriftsatzes erfolgen, der bloße Vermerk im Rubrum genügt nicht (RS0036910).
[15]6. Das Gericht kann über ein nach Eintritt der Unterbrechung des Verfahrens eingebrachtes Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen ist, nicht meritorisch entscheiden, sondern kann nur mit der Zurückweisung dieses Rechtsmittels beziehungsweise der erstatteten Rechtsmittelschriften vorgehen (RS0037023; RS0037150).
[16] 7. Da sowohl die Berufungen als auch die Berufungsbeantwortungen beider Parteien erst nach dem Beschluss auf Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft gegenüber dem früheren Klagevertreter und vor Anzeige der Bestellung eines anderen Vertreters eingebracht wurden – die bloße Nennung einer neuen Klagevertreterin in der Berufungsbeantwortung reicht dafür, wie ausgeführt nicht aus –, hat das Berufungsgericht die Rechtsmittel und Rechtsmittelbeantwortungen richtigerweise zurückgewiesen.
[17] 8. Dem Rekurs des Klägers war daher nicht Folge zu geben.