JudikaturOGH

9Ob58/24f – OGH Entscheidung

Entscheidung
Familienrecht
23. Juli 2024

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, Dr. Stiefsohn und Dr. Wallner-Friedl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen S* 2010, aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters G*, und der Mutter E*, beide vertreten durch Mag. Wilhelm Lackner, Rechtsanwalt in Eisenstadt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Eisenstadt als Rekursgericht vom 22. April 2024, GZ 20 R 137/23f 49, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

[1] Mit Schreiben vom 16. 1. 2023 beantragte die Kinder- und Jugendhilfe, Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt Umgebung, die Obsorge für den Minderjährigen an sie zu übertragen.

[2]Das Erstgericht verkündete nach Einholung eines Gutachtens, am 28. 8. 2024 den Beschluss, den Eltern gemäß § 107 Abs 2 AußStrG die Obsorge in den Bereichen Pflege, Erziehung und gesetzliche Vertretung vorläufig zu entziehen und dem Land als Kinderund Jugendhilfeträger zu übertragen. Diese Entscheidung wurde gemäß § 107 Abs 2 Satz 3 AußStrG für vorläufig verbindlich und vollstreckbar erklärt. Zugleich wurde mit den Eltern vereinbart, dass der Minderjährige am 29. 8. 2024 in eine Wohngemeinschaft gebracht wird, in der er sich seither aufhält.

Rechtliche Beurteilung

[3] Das von den Eltern angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Dagegen wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Eltern.

[4] Die Aktenvorlage erfolgte verfrüht.

[5]Der mj S* ist am * 2010 geboren und damit iSd § 104 Abs 1 AußStrG im Verfahren über Pflege und Erziehung seit Vollendung des 14. Lebensjahres selbständig verfahrensfähig, wobei diese eigene Verfahrensfähigkeit auf den persönlichen Bereich im Pflegschaftsverfahren – vor allem auf Obsorge- und Besuchsrechtsregelungen – beschränkt ist (7 Ob 209/05v mwN). Das vorliegende Verfahren betrifft diesen Bereich. Der Minderjährige ist daher antragslegitimiert, kann zu Begehren der anderen Parteien oder zu den Verfahrensergebnissen Stellung nehmen und Rechtsmittel erheben oder Rekursbeantwortungen erstatten. Vollendet das Kind das 14. Lebensjahr während des Verfahrens, stehen ihm ab diesem Zeitpunkt die Verfahrensrechte gemäß § 104 AußStrG zu (9 Ob 82/15x).

[6]Daraus ergibt sich, dass der Minderjährige, der vor der Entscheidung des Rekursgerichts das 14. Lebensjahr vollendet hat, selbst ein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung einbringen kann (7 Ob 209/05v mwN). Dabei bedarf er einer Vertretung durch einen Rechtsanwalt (§ 6 Abs 1 AußStrG). Allenfalls ist ihm auf Antrag Verfahrenshilfe zu gewähren (§ 104 Abs 3 AußStrG). Es hat daher zunächst eine Zustellung der Rekursentscheidung und des Rechtsmittels der Eltern (§ 68 Abs 1 AußStrG) an den Minderjährigen samt Rechtsmittelbelehrung zu erfolgen.

[7] Erst nach Ablauf der Frist zur Einbringung eines eigenen Rechtsmittels oder zur Beantwortung des Revisionsrekurses wird der Akt dem Obersten Gerichtshof neuerlich vorzulegen sein.