34R7/23s – LG für ZRS Wien Entscheidung
Kopf
Das Landesgericht für ZRS Wien als Rekursgericht fasst durch den Richter Mag. Ulf Marschner als Vorsitzenden sowie die Richterinnen Mag. Ingeborg Hawlicek und Dr. Julia Kömürcü-Spielbüchler in der Rechtssache der klagenden Partei A* GmbH, ** Straße **, **, vertreten durch Mag. Heinz Wolfbauer, wider die beklagte Partei Mag. B*, ** Straße **, C*, vertreten durch Mag. Michael Wirrer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Besitzstörung, über den Rekurs der Beklagten gegen den Endbeschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 22.11.2022, 5 C 1053/22w-8, den
B e s c h l u s s :
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit 280,54 Euro bestimmte Kosten des Rekursverfahrens (darin 46,76 Euro USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Der Revisionsrekurs ist gemäß § 528 Abs 2 Z 6 ZPO jedenfalls unzulässig.
Text
B e g r ü n d u n g :
Das Rechtsmittelgericht erachtet die Rekursausführungen für nicht stichhältig, die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts hingegen für zutreffend, weshalb eine kurze Begründung genügt (§§ 526 Abs 3 iVm 500a ZPO).
Die Klägerin ist Nutzungsberechtigte einer Liegenschaft in C* auf der sich ein Fachmarktzentrum sowie Kundenparkplätze befinden. Das Parken ist nur den Bestandnehmern der Klägerin und deren Kunden während der Geschäftszeiten vorbehalten; das Befahren außerhalb der Geschäftsöffnungszeiten ist unzulässig. Darauf wird auf Schildern im Einfahrtsbereich hingewiesen.
Die Beklagte fuhr mit ihrem PKW an einem Sonntag (außerhalb der Geschäftszeiten) auf den Parkplatz und stellte ihr Fahrzeug dort für wenige Minuten ab.
Die Klägerin begehrte, es wolle festgestellt werden, dass die Beklagte dadurch den ruhige Besitz der Klägerin an der Liegenschaft gestört habe und schuldig sei, derartige Störungen hinkünftig zu unterlassen.
Die Beklagte wandte ein, sie sei vom Klagevertreter aufgefordert worden, eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterfertigen und die bisher angefallenen Kosten von 400 Euro zu zahlen. Daraufhin habe sie eine adaptierte Unterlassungserklärung unterfertigt. Ferner habe sie einen Kostenbetrag von 90 Euro gezahlt; es bestehe daher keine Wiederholungsgefahr.
Mit dem angefochtenen Endbeschluss gab das Erstgericht der Besitzstörungsklage statt. Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt wies es darauf hin, dass die für den Unterlassungsanspruch geforderte Wiederholungsgefahr anzunehmen sei, wenn die ernstliche Besorgnis bestehe, der Beklagte werde weitere Verletzungshandlungen begehen. Habe bereits eine Störung stattgefunden, werde das Vorliegen der Wiederholungsgefahr vermutet. Die Behauptungs- und Beweislast für den Wegfall der Wiederholungsgefahr trage der Störer. In der Regel beseitige das Angebot eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches die Wiederholungsgefahr. Die bloße Zusage des Störers, künftige Störungen zu unterlassen bzw eine außergerichtliche Unterlassungserklärung reiche noch nicht aus. Nur ein exekutionsfähiger Titel biete der klagenden Partei alles was sie auch durch ein Urteil erhalten könne, und erfülle somit ihr Rechtsschutzziel (LGZ Wien 34 R 175/16m, 35 R 321/15p ua). Die von der Beklagten unterzeichnete Unterlassungserklärung erfülle nicht die Voraussetzungen eines exekutionsfähigen Vergleiches, sodass damit auch nicht die Wiederholungsgefahr beseitigt werde. Nach stRsp des LGZ Wien sei die Übersendung einer vom Störer zu unterfertigenden Unterlassungserklärung unter gleichzeitiger Bezahlung des damit geforderten Kostenersatzes bei vollständiger Annahme durch den Beklagten als Vereinbarung zwischen den Parteien über einen Verzicht auf die Klagsführung wegen Besitzstörung anzusehen. Nehme der Störer das betreffende Angebot nicht vollständig an, komme die betreffende Vereinbarung über einen Verzicht auf die Klagsführung nicht zustande (LGZ Wien 35 R 126/21w). Da die Beklagte eine abgeänderte Unterlassungserklärung abgegeben und lediglich 90 anstelle der geforderten 400 Euro gezahlt habe, sei keine Vereinbarung geschlossen worden und die Klägerin zur Klagsführung berechtigt gewesen.
Gegen diesen Endbeschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten. Sie strebt eine Klagsabweisung an.
Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte argumentiert im Wesentlichen, bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr komme es nicht auf die Vollstreckbarkeit des Unterlassungsanspruchs an. Es treffe nicht zu, dass der Störer den Sinneswandel nur durch das Angebot eines umfassenden vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches oder durch Einhalten eines mit einem Dritten geschlossenen Unterlassungsvergleiches dokumentieren könne. Daher genüge die Abgabe (bzw das Anbot) einer außergerichtlichen Unterlassungserklärung. Wenn man berücksichtige, dass die Beklagte die Besitzstörung nie abgestritten, sondern umgehend eine schriftliche Unterlassungserklärung abgegeben und einen über RATG liegenden Kostenersatz geleistet habe, könne ihr Verhalten nur dahingehend verstanden werden, dass sie ernstlich gewillt sei, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen. Somit habe zum Zeitpunkt der Einbringung der Besitzstörungsklage keine Wiederholungsgefahr vorgelegen. Im Übrigen habe die Klägerin selbst keine exequierbare Unterlassungserklärung sondern nur eine pönalisierte Unterlassungserklärung verlangt. Sohin hätte die Beklagte nach der Argumentation des Erstgerichts erst recht die von der Klägerin übermittelte Unterlassungserklärung adaptierten müssen, um eine vollstreckbare Unterlassungserklärung abgeben zu können; dies könne aber von ihr nicht verlangt werden.
Dazu wurde erwogen :
Die Beweislast für die für das Unterlassungsbegehren erforderliche Wiederholungsgefahr trägt grundsätzlich der Kläger, wobei allerdings aus dem Umstand, dass bereits eine Störung stattgefunden hat, regelmäßig geschlossen werden kann, dass auch weitere Störungen drohen, sofern nicht besondere Umstände dagegen sprechen (vgl RIS-Justiz RS0037661). Allfällige Ausnahmen davon (vgl dazu G. Kodek , DieBesitzstörung, 430) nahm die Beklagte für sich nicht in Anspruch. Dem Störer steht offen nachzuweisen, dass seinem Verhalten in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (vgl RS0012087). Der Beklagten ist also darin zuzustimmen, dass die Wiederholungsgefahr nicht nur durch das Anbot einer exekutionsfähigen Unterlassungserklärung beseitigt wird; vielmehr kann der Störer die indizierte Wiederholungsgefahr auch auf andere Art widerlegen, indem er Umstände nachweist, denen gewichtige Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (vgl RS0012087, RS0037661, RS0079782; RS0079640; RS0079782 [T8]). Diese Beurteilung hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab (LGZ Wien 37 R 338/08t).
Auf einen Irrtum über die Besitzverhältnisse oder die Berechtigung zum Eingriff (vgl dazu G.Kodek in Fasching/Konecny³ § 454 ZPO Rz 99; ders in Die Besitzstörung, 262, 428 f; LGZ Wien 63 R 62/15f) beruft sich die Beklagte in ihrem Rekurs nicht. Vielmehr stützt sie sich ausschließlich auf die abgegebene Unterlassungserklärung.
Diese Zusage, in Hinkunft gleichartige Störungen zu unterlassen, wird regelmäßig ebenso wenig als ausreichend erachtet, wie das Anbot eines außergerichtlichen, nicht vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs (stRsp LGZ Wien, 34 R 14/13f; 36 R 132/21k; 35 R 236/22y uva). Denn sie gewährt dem Gestörten keine ausreichende Sicherheit gegen eine Wiederholung der Störung. Nur ein exekutionsfähiger Titel bietet dem Kläger alles, was er auch durch eine Entscheidung des Gerichts erhalten kann, und erfüllt somit sein Rechtsschutzziel (LGZ Wien 36 R 132/21k).
Der Beklagten wäre es frei gestanden, dem Kläger einen an keine Bedingungen geknüpften (prätorischen) Vergleich oder einen vollstreckbaren Notariatsakt anzubieten (vgl LGZ Wien 35 R 411/12v; 36 R 330/12i; vgl auch RS0079966; RS0079899); ein Eingehen auf die finanziellen Forderungen des Klägers war daher zur Vermeidung einer erfolgreichen Klagsführung nicht notwendig. Denn das Schreiben des Klägers stellte nur ein Anbot einer Vereinbarung über den Verzicht auf die Klagsführung dar (vgl LGZ Wien 34 R 175/16m; 36 R 263/16t; 35 R 31/18w; 64 R 56/19m) und keinen exekutionsfähigen Titel.
Das Erstgericht ist daher zutreffend vom Bestehen der Wiederholungsgefahr ausgegangen, was zur Klagsstattgebung führte.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass § 23 Abs 9 RATG ausschließlich für das Berufungsverfahren, sohin nicht für das Rekursverfahren gilt.