JudikaturJustizRS0118442

RS0118442 – OGH Rechtssatz

Rechtssatz
13. September 2006

Mit dem am 14. August 2002 in Kraft getretenen Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/134, entfiel die Strafbestimmung des § 209 StGB. Der neu eingeführte § 207b StGB pönalisiert unter speziellen Voraussetzungen ua auch, jedoch ohne geschlechtsspezifische Differenzierung, homosexuelle Kontakte mit Jugendlichen und weist zudem deutlich reduzierte Strafdrohungen auf. Nach den Übergangsbestimmungen (Art X) sind die durch dieses Bundesgesetz geänderten Strafbestimmungen in Strafsachen nicht anzuwenden, in denen vor ihrem Inkrafttreten das Urteil erster Instanz gefällt wurde. Nach Aufhebung eines solchen Urteils infolge Erneuerung des Strafverfahrens sind bei einem Vorgehen nach §§ 1, 61 StGB nur jene Strafbestimmungen zu beachten, die nicht im konkreten Anlassfall vom EGMR als konventionswidrig festgestellt wurden. In dem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) vom 9. Jänner 2003 (Lausch und Versat gegen Österreich, applications nos 39392/98 und 39829/98) wurde in der Verurteilung nach § 209 StGB eine Verletzung des Art 14 iVm Art 8 MRK festgestellt, weil die in der zitierten Strafbestimmung normierte Beschränkung der Strafbarkeit sexueller Kontakte auf nur (männliche) homosexuelle Partner sachlich nicht gerechtfertigt sei und außerdem das Recht auf Achtung des Privatlebens verletze. Daraus ergibt sich, dass § 209 StGB als Vergleichsnorm nicht berücksichtigt werden darf und demgemäß eine Verurteilung nach § 207b StGB infolge des Rückwirkungsverbotes des § 1 StGB nicht in Betracht kommt.

Entscheidungen
4