JudikaturJustiz9Os189/85

9Os189/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. März 1986

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19.März 1986 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Kuch sowie Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Enzenhofer als Schriftführer in der Strafsache gegen Rudolf P*** wegen des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 17.Oktober 1985, GZ 24 Vr 2996/84-34, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und des Angeklagten, jedoch in Abwesenheit des Verteidigers Dr. Larcher zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Rudolf P*** ist schuldig, er hat am 12.April 1983 in Hall in Tirol die österreichische Staatsbürgerin Isabella A***, welche ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Hall in Tirol hatte, dadurch in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt und in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, der gewerbsmäßigen Unzucht zugeführt, daß er Kontakte mit seiner in Bad Segeberg/Bundesrepublik Deutschland ein Geheimbordell betreibenden Schwester Erna K*** herstellte und Isabella A*** nach München beförderte, wo sie von Peter K*** abgeholt und nach Bad Segeberg gebracht wurde, um dort als Prostituierte zu arbeiten. Er hat hiedurch das Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB begangen und wird hiefür nach dem ersten Strafsatz dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe von 8 (acht) Monaten verurteilt.

Gemäß §§ 389, 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf P*** von der wider ihn in Richtung des Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB erhobenen Anklage gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Nach den vom Schöffengericht hiezu getroffenen Feststellungen kannte die 1965 geborene Isabella A***, eine österreichische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Hall in Tirol, den Angeklagten bereits seit etwa vier Jahren, wobei sie wußte, daß seine Schwester Erna in der Bundesrepublik Deutschland ein Bordell betreibt. Da Isabella A*** dort als Prostituierte tätig sein wollte, suchte sie über ihre Cousine Monika A***, von der ihr bekannt war, daß sie in diesem Bordell als Prostituierte gearbeitet hatte, Kontakt zum Angeklagten, um eine Anstellung in dem erwähnten Bordell in der Bundesrepublik Deutschland zu erlangen. Bei der hierauf zwischen dem Angeklagten und Isabella sowie Monika A*** stattgefundenen Besprechung war allen Beteiligten klar, daß Isabella A*** in der Bundesrepublik Deutschland als Prostituierte arbeiten sollte; vereinbarungsgemäß sollte jedoch nach außen hin behauptet werden, daß es sich um eine Stellung als Kindermädchen handelt. Der Angeklagte telefonierte hierauf, entsprechend dem an ihn gerichteten Ersuchen, mit seiner Schwester Erna, die ihm mitteilte, daß Isablella A*** zu ihr kommen könne, und brachte daraufhin Isabella A*** in den Raum München, von wo aus Peter K*** (der Ehemann der Erna K***) sie nach Bad Segeberg beförderte. Dort arbeitete Isabella A*** einige Zeit im erwähnten Bordell, bis sie schließlich, weil sie dauernd beaufsichtigt und ausgenützt wurde, Anzeige erstattete. Die Verantwortung des Angeklagten, nicht gewußt zu haben, daß seine Schwester in der Bundesrepublik Deutschland noch immer ein Bordell betreibt, und angenommem zu haben, daß Isabella A*** bei seiner Schwester als Kindermädchen arbeiten werde, erachtete das Gericht insbesondere auf Grund der für glaubwürdig befundenen Aussagen der Zeuginnen Isabella und Monika A*** als widerlegt (S 140, 141).

In rechtlicher Beziehung vermeinte das Gericht aber, der Tatbestand des § 217 Abs. 1 StGB sei deshalb nicht erfüllt, weil der Angeklagte der Isabella A*** nur bei der Durchführung des von ihr bereits vorher gefaßten Entschlusses im Bordell seiner Schwester im Ausland (als Prostituierte) arbeiten zu wollen, behilflich gewesen sei; da Isabella A*** schon vor den inkriminierten Tathandlungen des Angeklagten zur Ausübung der Prostitution im Ausland entschlossen gewesen sei, entsprächen die vom Angeklagten diesbezüglich geleisteten Hilfsdienste nicht dem Tatbildmerkmal des "Zuführens" im Sinn der zitierten Gesetzesstelle.

Rechtliche Beurteilung

Den Freispruch bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der aus dem letztbezeichneten Grund Berechtigung zukommt.

Zwar ist die Mängelrüge der Anklagebehörde, derzufolge die Feststellungen über den bereits vor der Kontaktaufnahme zum Angeklagten gefaßten Entschluß der Isabella A***, im Bordell der Erna K*** die gewerbsmäßige Unzucht auszuüben, zu Unrecht auf die Aussagen der Zeuginnen Isabella und Monika A*** gestützt worden seien, nicht berechtigt. Denn Isabella A*** hat ihre in diesem Sinn im Vorverfahren abgelegte Aussage (S 23) in der Hauptverhandlung aufrechterhalten (S 62); Monika A*** hinwieder hat in der Hauptverhandlung (S 122) eine mit diesen Bekundungen ihrer Cousine im wesentlichen übereinstimmende Aussage abgelegt. So gesehen haftet dem bekämpften Ausspruch aber weder eine unvollständige noch eine aktenwidrige Begründung an. Zutreffend macht die Staatsanwaltschaft dagegen in ihrer Rechtsrüge geltend, daß im vorliegenden Fall das Tatbildmerkmal des "Zuführens" im Sinn des § 217 Abs. 1 StGB erfüllt ist. Denn der Begriff des "Zuführens" im § 217 Abs. 1 StGB setzt - anders als jener des "Anwerbens" als der zweiten in der bezeichneten Strafnorm alternativ angeführten Begehungsform - nicht voraus, daß der Täter den Willen des Schutzobjektes beeinflußt, also dieses erst dazu veranlaßt, im Ausland der Prostitution nachzugehen (vgl. SSt. 50/59 = EvBl. 1980/108 ua). Der gewerbsmäßigen Unzucht außerhalb ihres Heimat- oder Aufenthaltsstaates zugeführt werden kann daher auch eine Person, die bereits von sich aus hiezu entschlossen war. Demnach kommt dem Umstand, daß Isabella A*** schon vor dem Tätigwerden des Angeklagten den Entschluß gefaßt hatte, im Bordell der Schwester des Angeklagten in der Bundesrepublik Deutschland der Prostitution nachzugehen, für die rechtliche Beurteilung des Tatverhaltens des Angeklagten unter dem Gesichtspunkt eines "Zuführens" im Sinn des § 217 Abs. 1 StGB keine entscheidende Bedeutung zu. Entscheidend ist vielmehr allein, ob der Angeklagte eine - über die bloße Erteilung eines Ratschlages oder die Leistung untergeordneter Hilfsdienste hinausgehende - besondere Mittlertätigkeit entfaltet und solcherart nachhaltig dahin gewirkt hat, daß Isabella A*** im Ausland die Prostitution ausübt. Das ist nach den Feststellungen des Erstgerichtes zu bejahen. Hat doch der Angeklagte es der Isabella A*** durch seine Intervention bei seiner Schwester überhaupt erst ermöglicht, in das Bordell in Bad Segeberg aufgenommen zu werden und dort als Prostituierte zu arbeiten, somit die Voraussetzung dafür geschaffen, daß Isabella A*** im Ausland der gewerbsmäßigen Unzucht nachgehen konnte. Überdies hat er die Genannte über die Grenze bis an einen mit der Bordellbesitzerin vereinbarten Treffpunkt im Raum München gebracht. Diese Verhaltensweisen waren keineswegs bloß untergeordnete Hilfsdienste; sie entsprachen vielmehr den Kriterien des "Zuführens" im Sinn des § 217 Abs. 1 StGB (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 217 RN 5; Pallin im Wr.Kommentar § 217 Rz. 5; SSt. 50/59 = EvBl. 1980/108; EvBl. 1981/240 ua).

Daß der Angeklagte vorsätzlich in bezug auf die Tatbildmerkmale des § 217 Abs. 1 StGB handelte, hat das Erstgericht festgestellt; es ist daher auch der subjektive Tatbestand der in Rede stehenden Strafnorm erfüllt, sodaß in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde sogleich in der Sache selbst dahin zu erkennen war, daß der Angeklagte des ihm angelasteten Verbrechens des Menschenhandels nach § 217 Abs. 1 StGB schuldig gesprochen wird.

Bei der Strafbemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend keinen Umstand; als mildernd mag dem Angeklagten zugutegehalten werden, daß er lediglich auf Andringen der Isabella A*** tätig geworden ist.

Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und unter entsprechender Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafzumessung erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß als tatschuldangemessen und tätergerecht.

Die Gewährung bedingter Strafnachsicht kam im Hinblick auf das durch mehrere (wenn auch nicht einschlägige) Vorstrafen getrübte Vorleben des Angeklagten, demzufolge nicht anzunehmen ist, daß die bloße Androhung der Vollstreckung der Strafe genügen werde, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten, nicht in Betracht.

Es war sohin spruchgemäß zu erkennen.

Die Kostenentscheidung fußt auf den bezogenen Gesetzesstellen.